Gewerkschaft empört: Pflegeheim-Betreiber holt Personal aus Marokko
Mitten in den stockenden Kollektivvertrags-Verhandlungen in der Sozialwirtschaft lässt Österreichs größter privater Pflegeheimbetreiber SeneCura mit einer Ankündigung aufhorchen: Um den künftigen Bedarf an Pfegekräften zu decken, will SeneCura diplomiertes Pflegepersonal aus Marokko anwerben. Dazu wurde eine Kooperation mit dem privaten österreichisch-marokkanischen Verein AMOROC (Austria Moroccan Chamber) geschlossen. Auch die marokkanische Haupstadt Rabat und die marokkanische Regierung unterstützten das Projekt.
Konkret soll ab Sommer geeignetes Personal aus Marokko angeworben werden, um einen Nostrifizierungslehrgang an einer niederösterreichischen Fachhochschule zu besuchen. SeneCura will einen solchen künftig selbst anbieten. Der Pflege-Multi plant ein eigenes universitäres Pflege-Ausbildungszentrum in Grafenwörth/NÖ samt Studentenwohnheim, Hotel und Ambulatorium (SeneCura Campus Lakeside). Geplant sei, mehreren hundert Pflegerinnen und Pfleger pro Jahr einen solchen Lehrgang anzubieten.
"Wenn die Teilnehmer den Sprachkurs erfolgreich absolviert haben und Deutsch-Kenntnisse auf Niveau B2 nachweisen können, möchten wir erwirken, dass sie in unseren oder anderen österreichischen Pflegeheimen als Pflegeassistenten arbeiten und berufsbegleitend die Nostrifizierung zur diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegeperson ablegen können", erläutert SeneCura-Vorstandschef Anton Kellner am Montag auf einer Pressekonferenz.
Die Kooperation mit Marokko soll die Job- und Ausbildungschancen junger Menschen in Marokko fördern. "Wir wollen nicht einfach Personal herkarren, es soll ein reger Austausch werden", so Kellner. Die SeneCura-Gruppe, Tochter der französischen Orpea-Gruppe, beabsichtigt auch als Betreiber von Pflegeeinrichtungen in Marokko tätig zu werden. In Österreich betreibt SeneCura 80 Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen.
Hohe Jugendarbeitslosigkeit
"Marokko leidet unter eine hohen Jugendarbeitslosigkeit, in Österreich suchen wir händeringend nach Pflegepersonal. Mit dieser Kooperation wollen wir einen Lösungsweg für beide Problemfelder schaffen", so der SeneCura-Chef. Mohamad Sadiki, Bürgermeister von Rabat, begrüßte bei der gemeinsamen Pressekonferenz die Kooperation und verwies auf die guten Beziehungen zwischen Österreich und Marokko.
Ein Drittel der Bevölkerung Marokkos seien Jugendliche, sagte Nabil Gouza, Vorsitzender der Jugendregierung Marokkos. Er verwies auf Deutschland, wo schon viele Marokkaner arbeiten würden. Etwa ein Drittel kehre später aber wieder in ihr Heimatland zurück.
SeneCura rechnet damit, dass die ersten Pflegekräfte aus Marokko Anfang 2021 in Österreich arbeiten werden. Da die Pflegeberufe auf der Mangelberufsliste stehen, werden sie wohl die RotWeißRot-Karte als Aufenthaltstitel bekommen. Nabil Gouza, Vorsitzender der Jugendregierung Marokkos.
Gewerkschaft empört
Die Gewerkschaft reagiert durch die Ankündigung just am Tag der entscheidenden Verhandlungen für bessere Arbeitsbedingungen in der Branche empört. Auf der einen Seite stemme sich das Unternehmen gegen kürzere Arbeitszeiten oder höhere Löhne, um mehr Inländer für Pflegeberufe zu gewinnen. Auf der anderen Seite nehme man jetzt sehr viel Geld in die Hand, um Pflegepersonal aus dem fernen Ausland anzuwerben, es nach Österreich zu bringen, ihnen Deutsch beizubringen und auszubilden. „Das ist ja an Absurdität nicht zu überbieten“, heißt es bei der GPA-djp.
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