Schwindelerregende Summen: Wo das Geld gegen die Krise herkommt
Italien und Spanien fühlen sich im Stich gelassen: Die am schwersten von der Pandemie betroffenen Länder (29.000 Todesfälle) pochen auf europäischen Zusammenhalt, damit sie nach dem Gesundheitsdrama nicht auch noch ein Finanzfiasko erleiden.
In der Vorwoche endete die Videokonferenz der Eurogruppe dazu im Streit. Heute, Dienstagnachmittag, gibt es einen neuen Anlauf. Auf dem Tisch liegt ein Drei-Säulen-Plan. Dieses Hilfspaket über insgesamt 540 Milliarden Euro versucht, mit Hilfskrediten und Garantien ein Auslangen zu finden.
Der Vorschlag im Detail:
Bis zu 240 Milliarden Euro an Hilfskrediten sollen aus dem ESM (Europäischer Stabilitäts-Mechanismus) kommen. Dieser wurde 2012 errichtet, als durch die Griechenland-Krise ein Flächenbrand drohte.
Länder, die Hilfskredite abrufen, müssen sich zu Reformen und Sparen verpflichten. Diese Konditionen sind jetzt strittig, zumal die Coronakrise nicht selbst verschuldet ist. Somit dürfte ein Bekenntnis zum Stabilitätspakt reichen (der aktuell ohnehin ausgesetzt ist).
Großer Vorteil: Der ESM ist akzeptiert und startklar. Nachteil: Betroffene Länder fürchten ein „Stigma“, weil die Kredite ihren Schuldenstand erhöhen. Das könnte Investoren abschrecken.
- Kredite der EU-Hausbank
Die Europäische Investitionsbank (EIB) soll bis zu 200 Milliarden Euro zusätzliche Kredite bereitstellen, vor allem um mittelständischen Betrieben zu helfen.
- EU-Kurzarbeitsgeld
Aufbauend auf guten Erfahrungen in Deutschland und Österreich nach der Krise im Jahr 2009 haben alle EU-Staaten Kurzarbeit eingeführt, um einer Massenarbeitslosigkeit vorzubeugen. Das geht aber ordentlich ins Geld.
Die EU will ihr gutes Rating nützen und zweckgewidmet günstige Kredite über 100 Milliarden Euro aufstellen. Die EU-Staaten müssten 25 Milliarden Euro an Garantien beisteuern.
Vorteil: Das Modell wäre zeitlich befristet und ein Signal europäischer Solidarität, das direkt bei den Menschen ankommt. Nachteil: Es bringt keine rasche Abhilfe. Und obwohl die Kommission das verneint, fürchten einige Staaten den Auftakt zu einem europaweiten Arbeitslosengeld.
Dieser dreistufige 540-Milliarden-Plan sollte an sich mehrheitsfähig sein. Der Teufel stecke in den Details, heißt es aus Kommissionskreisen.
Coronabonds vertagt
Die politisch toxische Debatte über gemeinsame Schulden wäre damit wohl aufgeschoben, aber nicht aufgehoben.
Egal, ob sogenannte Coronabonds, ein Pandemie-Fonds oder Anleihen für den Wiederaufbau: Die Idee ist stets die, dass die Euroländer gemeinsam günstigere Zinskonditionen für Kredite erhalten würden statt als „Einzelkämpfer“. Neun Länder rund um Frankreich, Spanien und Italien sind dafür, das temporär und zielgerichtet gegen die Coronakrise auszunützen.
Der Vorteil: Spekulationen gegen einzelne Euroländer würde damit sofort der Boden entzogen. Und es entstünde eine weltweit gefragte Wertpapierklasse, die bei Investoren - ähnlich den US-Staatsschuldenpapieren ("Treasuries") - in Krisenzeiten als sicherer Hafen gefragt wäre.
Nachteil: Alleine für die organisatorischen Strukturen würde es ein Jahr brauchen. Zudem stemmen sich Österreich, Deutschland, Niederlande und Finnland gegen diese Schuldenhaftung – mit Finanzminister Gernot Blümel als Speerspitze. Diese Länder befürchten eine Haftung für Schulden-Altlasten oder einen Freibrief zum Geldausgeben, solange es keine strikte Kontrolle („europäischer Finanzminister“) gibt.
Kein Marshallplan
Es gehe um rein zukunftsgerichtete Lösungen, damit sich die Wirtschaft von Corona erfängt, betonte EU-Kommissar Paolo Gentiloni. Vergleiche mit dem US-Marshallplan nach dem Zweiten Weltkrieg findet er unpassend. Dieser sei nämlich 1947 vorgelegt worden: „Wir haben aber keine zwei Jahre Zeit.“ Und die Hilfe müsse aus Europa kommen, nicht von außen.
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