Coronavirus: Streit um Eurobonds stürzt EU in tiefe Krise

Coronavirus: Streit um Eurobonds stürzt EU in tiefe Krise
Gräben der Finanzkrise brechen neu auf. Neun Länder für gemeinsame Schulden, der Rest mehr oder weniger dagegen.

Der Streit darüber, mit welchen Instrumenten die Europäische Union die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie gemeinsam bewältigen soll, stürzt die Gemeinschaft in eine tiefe Krise. "Schweren Herzens muss man diagnostizieren, dass die multiple Krise der EU zurück ist", analysierte der Europaexperte Janis Emmanouilidis vom Brüsseler Thinktank EPC am Freitag nach dem EU-Gipfel.

Italien und Spanien hatten gemeinsam mit sieben weiteren Ländern die Einführung gemeinsamer Anleihen, sogenannter "Corona-Bonds" zur Bewältigung der Krise gefordert. Durch diese Vergemeinschaftung von Schulden sollten sich insbesondere die von der Krise besonders hart getroffenen Länder wie Italien günstiger refinanzieren können. Deutschland, Österreich, die Niederlande und andere Staaten lehnen eine Vergemeinschaftung der Schulden aber strikt ab.

Merkel dagegen

Der Streit um Eurobonds hatte bereits in der Finanzkrise vor mehr als acht Jahren die EU-Staaten entzweit. Auch damals stemmte sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel vehement gegen gebündelte Staatsanleihen der Euroländer.

Der EU-Videogipfel am Donnerstag habe "wie erwartet sich nicht darauf geeinigt, wie die europäische Finanzsolidarität ausschauen soll", schrieb Emmanouilidis auf Twitter. Die EU-"Chefs" beauftragten die Eurogruppe, binnen zwei Wochen konkrete Vorschläge vorzulegen.

Überforderung

"Die EU-Spitzen haben den Ball zurück an die Eurogruppe gespielt, ohne politische Führung zu geben", so der Europaexperte. "Die Finanzminister werden wahrscheinlich von dieser Aufgabe überfordert sein."

Neben der Frage "Corona-Bonds ja oder nein" muss die Eurogruppe auch die Bedingungen definieren, zu denen Notkredite aus dem Euro-Rettungsschirm ESM angezapft werden können. Gut 410 Milliarden Euro stehen für Hilfen in der Corona-Krise noch zur Verfügung.

Schutzschirm

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hält die "existierenden Instrumente" des ESM für die "richtige Ergänzung" zu den Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Stabilisierung von Wirtschaft und Märkten infolge der Corona-Krise. "Was wir weiterhin klar ablehnen ist eine Vergemeinschaftung von Schulden in der EU, wie etwa durch Coronabonds", teilte Kurz nach dem EU-Gipfel mit.

Emmanouilidis warnte davor, den EU-Konflikt auf einen Kampf der (reicheren) nördlichen gegen die (ärmeren) südlichen Staaten zu reduzieren. So hätten auch Belgien, Irland, Luxemburg und Slowenien die Forderung nach Corona-Bonds unterschrieben. Dass die EU nun aber in einer weiteren Krise stecke, habe vielfache Gründe, einer liege in der Schwere und in dem multidimensionalen Charakter der COVID-19-Pandemie.

Völlig inakzeptabel

In jedem Fall ist auch das Verhältnis der EU-Staats- und Regierungschefs untereinander stark angespannt. Der portugiesische Ministerpräsident Antonio Costa zeigte sich nach dem erfolglosen Videogipfel irritiert von den "abstoßenden", "sinnlosen" und "völlig inakzeptablen" Aussagen des niederländischen Finanzministers Wopke Hoekstra.

Die Niederlande hielten bis zum Gipfel den Einsatz des ESM in der Corona-Krise für verfrüht. "Wir fahren durch den Nebel und wissen nicht, wie die nächste Phase aussehen wird", sagte Hoekstra am Dienstagabend. Wenn es später noch härter werde, werde der ESM als "Kreditgeber letzter Instanz" gebraucht. Die EU dürfe ihr Arsenal "nicht vorzeitig verschießen".

"Diese wiederkehrende Kleinlichkeit bedroht die Zukunft der EU", warnte Costa. Auch Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron meldete sich nach dem Gipfel mit einer starken Warnung zu Wort. "Was auf dem Spiel steht, ist das Überleben des europäischen Projekts", sagte Macron laut Reuters den anderen EU-Staats- und Regierungschefs.

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