Schuldenkrise: Kracht der Euro?
Die EU-Kommission hat diese Woche die Debatte darüber eröffnet, wie der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt in Zukunft aussehen soll. Im Pakt ist festgehalten, dass die Euro-Staaten die Höhe ihres jährlichen Haushaltsdefizits auf drei Prozent ihres Bruttoinlandprodukts (BIP) und den Stand ihrer öffentlichen Verschuldung auf 60 Prozent ihres BIPs begrenzen müssen.
Der Pakt wurde schon vor Corona von den Südeuropäern mehrfach gebrochen. Jetzt wollen besonders Frankreich, Italien, Spanien und Griechenland einen neuen weicheren Stabilitäts- und Wachstumspakt. Grund: diese vier Staaten sind derzeit die ökonomisch größten Problembären in der EU. Frankreich, Italien, Spanien und Griechenland stehen inzwischen gemeinsam für mehr als 60 Prozent der gesamten Euro-Zonen-Verschuldung. Doch wie geht es diesen vier Ländern überhaupt. Wird der Euro durch ihren Schuldenstand krachen? Hier ein Überblick.
Griechenland
Das Land ist in Sachen Krise ja ein alter Bekannter. Schließlich steckt das Land seit 2010 in einer anhaltenden Staatsschuldenkrise. Heuer wird laut dem Internationalen Währungsfonds der Schuldenstand 210 Prozent des BIP erreichen. Unglaublich aber wahr: Die Lage rund um die griechischen Staatsschulden ist trotzdem gar nicht so schlecht. Der Risikozuschlag für zehnjährige griechische Staatstitel liegt in etwa auf dem Niveau Italiens.
Das hat mit der Politik zu tun. Internationale Analysten betonen immer wieder, dass die Regierung des konservativen Premiers Kyriakos Mitsotakis trotz der Pandemie an ihrem Reformkurs festhalte und so die Weichen für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum stelle. Und wie steht es um die Schulden? Rund 80 Prozent der griechischen Schulden liegen bei öffentlichen Gläubigern wie dem Euro-Stabilitätsfonds ESM. Die Zinsen dieser Kredite sind niedrig, die Laufzeiten reichen bis ins Jahr 2070.
Griechische Wirtschaft erholt sich gut
Im kommenden Jahr will die Regierung die vorzeitige Tilgung älterer, relativ teurer Kredite im Volumen von rund 4,3 Milliarden Euro in Angriff nehmen. Dabei geht es um Darlehen des Internationalen Währungsfonds und um Kredite aus dem ersten Hilfspaket von 2010. Das schafft Vertrauen. Mehrere Ratingagenturen haben die griechische Kreditwürdigkeit in den vergangenen Wochen heraufgestuft.
Außerdem erholt sich die griechische Wirtschaft von Corona gut. Für das laufende Jahr erwartet die Regierung ein Wachstum von 6,1 Prozent. Die EU rechnet mit 4,1 Prozent. Wichtigste Wachstumsmotoren sind öffentliche Investitionen, die Exporte und der Tourismus. So hofft die Regierung, das Haushaltsdefizit zu reduzieren. Die Staatsschuldenquote soll im nächsten Jahr auf 190,4 Prozent fallen.
Italien
Wir erinnern uns: Italien war das erste Land Europas, das die Pandemie voll erfasst hatte. Die Regierung verhängte einen langen und harten Lockdown. Mit dramatischen Folgen für den Staatshaushalt. Italien hat 2,7 Billionen Euro Schulden. Damit ist man nach absoluten Zahlen Nummer eins in Europa.
Bis 2024 will Premier Mario Draghi die Schuldenquote trotzdem von knapp 160 auf 146 Prozent des BIP senken. Gehen soll das mit Hilfe eines kräftigen Wirtschaftsaufschwungs. Laut Finanzministerium soll die Wirtschaft nach minus 8,9 Prozent im Vorjahr heuer um sechs Prozent wachsen. Im kommenden Jahr sollen es 4,7 Prozent sein.
Ist das glaubhaft? Nun: Das produzierende Gewerbe ist die Stärke der italienischen Wirtschaft. Und die zog speziell in den nördlichen Regionen zumindest schon im zweiten Quartal wieder enorm an – um bis zu neun Prozent. Außerdem: Mit 192 Milliarden Euro wird Italien die meisten Mittel aus dem EU-Wiederaufbaufonds erhalten. Es wird also entscheidend sein, wie Draghi diese Summe einsetzt.
Konstante hohe Arbeitslosenquote
Bis dahin liegt die Hoffnung auf dem Konsum: In der Pandemie haben die privaten Haushalte rund 26 Milliarden Euro mehr gespart als sonst. Die italienische Industriellenvereinigung Confindustria schätzt, dass die Hälfte davon im letzten Jahresdrittel ausgegeben werden könnte. Auf der Negativseite steht der Tourismus. Die Strandregionen waren im Sommer ausgebucht, aber der Städtetourismus leidet.
Auch die Zahl der Arbeitslosen ist konstant hoch. Im Jahr 2020 lag die Arbeitslosenquote Italiens bei geschätzt rund 9,3 Prozent. Für heuer wird die Arbeitslosenquote in Italien auf rund 10,3 Prozent prognostiziert. Zwar sind von Januar bis Juli 550.000 neue Jobs entstanden, die meisten davon sind aber befristet und im Niedriglohnsektor.
Frankreich
Für die französische Regierung ist die Coronakrise wirtschaftlich vorbei. Nun will sie mit Investitionen den digitalen und grünen Umbau der Wirtschaft schaffen. Ein halbes Jahr vor den Präsidentschaftswahlen hat Präsident Emmanuel Macron dieser Tage seine Idee vom Frankreich im Jahr 2030 vorgestellt. Dabei stehen die Autoindustrie, der Flugzeugbau und die Atomenergie im Mittelpunkt.
Dabei geht es insgesamt um Investitionen in Höhe von 30 Milliarden Euro. Sie sind zusätzlich zu dem 100 Milliarden Euro schweren Wiederaufbauplan vorgesehen, den Frankreich im vergangenen Jahr zur Bewältigung der Corona-Krise aufgelegt hatte. In diesem Jahr rechnen Experten mit rund sechs Prozent Wachstum. Im nächsten Jahr sollen es vier Prozent sein. Ein wichtiger Treiber ist der Binnenkonsum.
Aufschwung verläuft unterschiedlich
Laut der Zentralbank Banque de France haben die französischen Haushalte während der Pandemie fast 160 Milliarden Euro angespart. Die werden nun ausgegeben. Die Beschäftigung kehrte bereits im Sommer auf den Stand von 2019 zurück, die Arbeitslosenquote liegt bei acht Prozent.
Der Aufschwung verläuft allerdings unterschiedlich. Die Auto- und die Luftfahrtindustrie liegen erst bei drei Viertel des Vorkrisenniveaus. Auch der Tourismussektor leidet. Der Chemiesektor und die Agrarbranche haben sich laut Banque de France hingegen erholt,
Und was ist mit den Schulden? Aktuell liegt der Schuldenstand Frankreichs bei 115 Prozent des BIP. Paris will zwar wieder unter ein Haushaltsdefizit von drei Prozent per anno kommen. Allerdings will Macron, dass Investitionen in Öko-Technologien dabei nicht angerechnet werden.
Spanien
Corona hat die öffentliche Schuldenlast um 24,4 Prozentpunkte auf knapp 120 Prozent des BIP in die Höhe gepusht. Zum Vergleich: Im Euro-Zonen-Schnitt stieg die Schuldenlast durch Corona um 14,1 Prozentpunkte. Die spanisch Links-Regierung hat angekündigt, die Quote bis 2024 auf 112 Prozent zu senken.
Aber einen Plan hat die Regierung nicht. Man hofft auf ein starkes Wirtschaftswachstum. Doch im zweiten Quartal dürfte die spanische Wirtschaft gerade einmal um etwa ein Prozent gewachsen sein. Aus den von der Regierung angekündigten 6,3 Prozent für heuer wird also nichts. Laut Investmentbank JP Morgan sind heuer maximal 4,5 Prozent Wachstum möglich
Immerhin: Die Zahl der Beschäftigten ist im Juli und August wegen des Tourismus deutlich gestiegen und liegt fast schon wieder auf dem Vorkrisenniveau. Freilich: Die Arbeitslosenquote beträgt immer noch mehr als 15 Prozent. Das ist der zweithöchste Wert in der EU nach Griechenland.
Fazit
Spanien ist eine Art "Master of Desaster" in der Euro-Zone. Außer der fragilen Hoffnung auf ein Wachstum hat die Regierung in Madrid keinen Plan. Den haben dafür die Regierungen in Rom. Athen und Paris. Frankreich, Italien und Griechenland versuchen zumindest ihr Schuldenproblem aktiv zu bekämpfen.
Unsicherheitsfaktoren sind allerdings die internationalen Entwicklungen. Lieferengpässe, Transportstörungen die steigenden Energiepreise und die Knappheit von Rohstoffen könnten das Wachstum stark bremsen. Das würde dann auch den Schuldenabbau verzögern. Aber der Euro wird deshalb nicht krachen.
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