SAP-Chefin Wilfinger: „Wir erfinden uns gerade neu“

Weg von den Geschäftsprozessen, hin zum ganzheitlichen Technologielieferanten für den Mittelstand: Der deutsche Softwarekonzern SAP zelebriert sein 50-Jahr-Jubiläum als großen digitalen Transformationsprozess. Wohl auch deshalb, weil Analysten das Unternehmen aus Walldorf in der Midlife-Crisis sehen und keine klare Neuausrichtung erkennen können. „Wir sind nicht in der Midlife-Crisis, sondern erfinden uns gerade neu“, sagt SAP-Österreich-Chefin Christina Wilfinger zum KURIER.

Unter dem Schlagwort „Technologie aus einer Hand“ will sich SAP als zentraler Digitalisierungspartner positionieren. „Unsere Kunden sollen sich ganz auf ihr Kerngeschäft fokussieren“, erläutert Wilfinger. In Österreich ist SAP bereits seit 36 Jahren, es war die erste Auslandsniederlassung des Konzerns. 480 Mitarbeitende sind hier beschäftigt, das SAP-Netzwerk umfasst mehr als 100 Partner, 80 Prozent der Firmenkunden kommen aus dem Mittelstand. „Die lange Tradition hier in Österreich kommt uns jetzt in unsicheren Zeiten entgegen. Wir sind mit unseren Kunden gewachsen“, meint Wilfinger.

Aktuelle Themen

Als wichtigste Digitalisierungsthemen nennt sie vernetzte Lieferketten und die daraus entstehenden Unsicherheiten, Cybersicherheit sowie die Personalentwicklung. Was die Datensicherheit anbelangt, habe der jüngste Angriff auf das Land Kärnten viele wachgerüttelt. Das Land sei zwar SAP-Kunde, habe aber die IT-Agenden nicht ausgelagert, sondern selbst betrieben, sagt Wilfinger. Die IT-Systeme müssten Profis überlassen werden.

Gerade Klein- und Mittelbetriebe könnten sich gegen Cyberattacken nicht ausreichend selbst schützen, weil sie nicht die Kompetenzen dafür hätten. Cybersecurity müsse vorausschauend geplant werden. Ganz auszuschließen seien Angriffe dadurch nicht, gibt sie zu, aber die Wahrscheinlichkeit sei geringer.

Personal entwickeln

Beim Thema Fachkräftemangel – im SAP-Umfeld fehlen einige Tausend IT-Spezialisten – rät die SAP-Chefin den Firmen zu einer vorausschauenden Personalentwicklung. Die Suche nach neuen Mitarbeitern werde angesichts der Demografie noch schwieriger, daher müsse das bestehende Personal gezielt weiterentwickelt werden. Hier gehe es um Veränderungsprozesse und mehr Mitgestaltung.

Erfreut zeigt sich Wilfinger über den neu geschaffenen Staatssekretär für Digitalisierung. „Jetzt müssen wir aber auch endlich ins Handeln kommen. Und zwar genau jetzt“, fordert sie. Als Beispiel nennt sie die digitale Grundbildung. Diese komme viel zu spät, da müsse im Kindergarten angefangen werden. „Digitalkompetenz muss wie Schaukeln oder Fahrradfahren gelernt werden.“

anita staudacher