Russlands Wirtschaft wegen Rüstungsindustrie im Aufwind

Die russische Notenbank hob den Leitzins auf 13 Prozent an, um die Inflation einzudämmen
Die Löhne steigen, die Notenbank will mit Leitzinserhöhungen einer möglichen Überhitzung vorbeugen.

Während die Länder der Eurozone heuer wirtschaftlich nicht vom Fleck kommen und Österreich sowie Deutschland gar in die Rezession schlittern, wittert ausgerechnet die russische Wirtschaft wieder Morgenluft. Für das laufende Jahr wird Russland seine Wirtschaftsleistung gegenüber dem Vorjahr um 2,3 Prozent steigern können, prognostiziert das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Der Währungsfonds geht von einem Plus von 2,2 Prozent aus. Im Vorjahr schrumpfte die Wirtschaft um 2,1 Prozent.

Grund für den Aufschwung ist die Kriegswirtschaft. „Die enorme Erhöhung der Militärausgaben befeuert einen Rüstungsboom, der gemeinsam mit stark steigenden Reallöhnen aufgrund des akuten Arbeitskräftemangels die Konjunktur nach oben zieht“, analysiert Vasily Astrov, Russland-Experte des wiiw. Die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordtief.

Westliche Sanktionen

Trotz westlicher Sanktionen erreichte die Auslastung der Produktionskapazitäten im zweiten Quartal ein Allzeithoch. „Russland beschafft sich alle für seine Rüstungsindustrie nötigen Hightech-Bauteile aus dem Westen mittlerweile über Drittstaaten“, sagt Astrov. Die teils sehr aufwendige Umgehung der Sanktionen reiche aber nicht, um auch die restliche Wirtschaft ausreichend mit westlicher Hochtechnologie zu versorgen. „Das wird zu einer Primitivisierung der russischen Wirtschaft führen“, so der Experte.

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Das aus den Kriegskosten resultierende Budgetdefizit von 2,5 Prozent des BIP hält Astrov für verkraftbar: „Putin wird seinen Angriffskrieg leider noch länger finanzieren können.“

Inflation

An der Währungsfront zeigen die Sanktionen sehr wohl Wirkung. Der Rubel verlor heuer massiv an Wert. Das verteuert die Importe und heizt die Inflation an. Die russische Notenbank hob ihre Inflationsprognose für 2023 zuletzt von 4 auf 7,5 Prozent an. Viele Menschen stöhnen unter der Preislast, was Finanzminister Anton Siluanow Ende September auf dem Finanzforum in Moskau zu einer viel kritisierten Aussage verleitete. „Die Preise sind normal, wenn man nichts kauft“, sagte der Minister. Es gebe keine Notwendigkeit, die Konsumnachfrage zu beschleunigen.

Die russische Notenbank fürchtet eine Überhitzung der Wirtschaft, die zu einer noch höheren Inflation führen könnte. Als Gegenmaßnahme hob sie erst im September den Leitzins auf 13 Prozent an. Es war die dritte Leitzinsanhebung binnen zweier Monate.

Ukraine erfängt sich

Die Wirtschaft der durch den Krieg mit Russland massiv geschwächte Ukraine setzt heuer ebenfalls zu einer leichten Erholung an. Das wiiw hob die Wachstumsprognose auf 3,6 Prozent an. Die Agrar-Exporte stiegen trotz russischer Blockaden und Bombardements zwischen Juli und August um 16 Prozent.

Die hohen Kriegskosten dürften heuer für ein Budgetdefizit von 27 Prozent des BIP sorgen. „Da wäre jede Kürzung der westlichen Hilfsgelder für die Ukraine verheerend“, warnt wiiw-Expertin Olga Pinwdyuk. Für die elf EU-Länder in der Region Ost- und Südosteuropa erwartet das wiiw heuer nur noch ein durchschnittliches Wachstum von 0,6 Prozent.

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