RHI und Magnesita verschmelzen

Die stahlkrise lässt die Umsätze der Feeuerfest-Branche schmelzen.
Der fusionierte Konzern soll von Wien aus gesteuert werden, übersiedelt aber an die Börse London.

Im Stahl-Schmelztiegel müssen die Feuerfest-Produkte von RHI und Magnesita Temperaturen von mehr als 1600 Grad Celsius aushalten. Die Unternehmen selbst wollen jetzt offenbar ähnlich feuerfest werden: Vor dem Hintergrund sinkender Aufträge der Hauptkunden aus dem Stahlbereich und schärferer Konkurrenz aus China wollen die Nummer eins (RHI) und die Nummer zwei auf dem Weltmarkt zu einem Konzern verschmelzen.

Der neue Branchenriese soll dann rund 2,6 bis 2,8 Milliarden Euro jährlich umsetzen. Die RHI ist mit 1,8 Milliarden doppelt so groß wie der brasilianische Konkurrent, der es 2015 auf 900 Millionen Euro Umsatz brachte. Durch den Zusammenschluss erwartet RHI-Interims-Chef Wolfgang Ruttenstorfer "einen gewissen Marktverlust".

"Tiefschlag" für Wien

Für Wien als Hauptquartier der RHI und vor allem für die Wiener Börse ist die Fusion eine schlechte Nachricht: Die Konzernzentrale des neuen Riesen wird Amsterdam sein. Und der Konzern wird statt wie jetzt in Wien an der Börse London notieren. "Das operative Geschäft wird aber von Österreich aus geführt", beeilte sich Ruttenstorfer am Donnerstag zu beteuern. Die Notierung in London sei eine Bedingung des brasilianischen Partners gewesen, Magnesita verschwindet auch von der Börse in São Paulo.

Anlegerschützer Wilhelm Rasinger bedauert den Abgang der RHI: "Das ist ein unangenehmer Tiefschlag für die Börse und nachteilig für den Wirtschaftsstandort. Schlaff ist kein Industrieller, sondern ein Dealmaker." Der Investor Martin Schlaff ist mit knapp 28,5 Prozent größter RHI-Aktionär, die Anteile sind in einer Stiftung in Liechtenstein geparkt.

Österreich soll durch die Verlegung des Konzernsitzes in die für Gewinne steuerlich günstigen Niederlande auch keinen Nachteil haben. "Der Gesamtgewinn wird", verspricht RHI-Finanzchefin Barbara Potisk-Eibensteiner, "in Österreich versteuert". Durch die Fusion wird es laut Ruttenstorfer auch nicht zu einem massiven Personalabbau kommen. Die beiden Firmen würden sich sowohl bei den Produkten als auch bei der regionalen Verteilung des Umsatzes gut ergänzen, es gebe relativ wenige Überschneidungen. Der neue Konzern soll 40 Prozent des Umsatzes in Nord- und Südamerika sowie je 30 Prozent in Europa und in Asien erwirtschaften. Die RHI hat mit der Wiener Zentrale sieben Standorte in Österreich und beschäftigt im Inland 1800 der weltweit 7900 Mitarbeiter.

450 Millionen Euro

Der Deal soll in mehreren Etappen ablaufen. Im ersten Schritt übernimmt die RHI 46 Prozent von Magnesita um 118 Millionen Euro und später 4,6 Millionen Aktien des fusionierten Konzerns von den derzeitigen Großaktionären, den Finanzinvestoren GP Investments und Rhone Capital. Für das Pflichtangebot an die Magnesita-Kleinaktionäre sind weitere 5,4 Millionen Aktien notwendig. Diese sollen aus einer Kapitalerhöhung um 10 Millionen Aktien kommen. Der Rest muss in Cash finanziert werden. Ruttenstorfer: "Das Ganze kostet 450 Millionen Euro."

Die RHI-Aktionäre sollen ihre Aktien 1:1 in Anteile am neuen Konzern tauschen können. Es wird laut Ruttenstorfer aber auch ein Abfindungsangebot in bar geben. Am neuen Konzern werden die heutigen RHI-Kernaktionäre rund um Schlaff 32 Prozent halten, der derzeit beherrschende Magnesita-Aktionär 9 Prozent, 59 Prozent sollen im Streubesitz sein.

Die RHI-Aktionäre machten am Donnerstag Kasse, der Kurs fiel nach massiven Verkäufen um 7,7 Prozent.

Der (seit vier Wochen amtierende) neue Wiener Börse-Vorstand Christian Boschan meint im KURIER-Gespräch, dass ein Listing außerhalb des Euroraums und künftig auch der EU den Zugang zum europäischen und österreichischen Kapitalmarkt erschweren und die Sichtbarkeit des Unternehmens möglicherweise einschränken könne. An der Londoner LSE bestehe die Gefahr, "Teil eines weniger beachteten riesigen Mittelfeldes zu werden". Boschan: "Wir würden uns freuen, dabei beraten zu dürfen, wie die Verbindung zum heimischen und europäischen Publikum über die Wiener Börse auch weiterhin sichergestellt werden könnte."

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