KURIER: Sie haben sich kürzlich für eine Verlängerung der Corona-Kurzarbeit um bis zu zwei Jahre ausgesprochen. Gleichzeitig meldet die Bundes-IV, der konjunkturelle Tiefpunkt der Krise sei durchschritten. Wo steht die Industrie? Thomas Salzer: Das ist sehr unterschiedlich. Eine Gruppe wird die Krise überhaupt erst später spüren: Das sind vor allem Maschinen- und Anlagenbauer in jenen Bereichen, die von der Krise besonders getroffen wurden. Denen fehlt der Auftragseingang. Sie werden im Herbst bis Spätherbst entsprechend weniger zu tun haben. Ich glaube, es ist ein Gebot der Fairness, jenen Unternehmen auch Hilfen wie die Kurzarbeit zu geben, es soll nur kein Dauermodell werden.
Die Betriebe, die bereits in Kurzarbeit sind, sollen sie also nicht länger in Anspruch nehmen können?
Es wird Betriebe geben, die die Kurzarbeit noch ein paar Monate weiterführen müssen. Aber wenn ein Betrieb über 24 Monate den Bedarf für Kurzarbeit hat, muss er das Personal anpassen.
Die SPÖ hat sich kürzlich wieder für eine – auch innerhalb der Partei – umstrittene Vier-Tage-Woche ausgesprochen. Für Sie kein Thema?
Es ist kontraproduktiv, jetzt über Arbeitszeitverkürzung zu sprechen. So werden Stückkosten und Arbeitszeitkosten pro Stunde deutlich erhöht. Und selbst wenn diese Rechnung – ich habe 100 Mitarbeiter und reduziere deren Arbeitszeit um fünf Prozent, daher kann ich fünf Prozent mehr Leute einstellen – funktionieren würde: Sie müssen diese fünf Prozent erst finden.
Erwarten Sie, dass die europäische Industrie langfristig als Sieger aus der Krise herausgehen wird, Stichwort weg von der Abhängigkeit von China?
Ich glaube, der Industriestandort wird gestärkt, weil vielen bewusst wird, wie wichtig die Industrie für den Wohlstand im Land ist. Ob Produktionen langfristig wieder nach Europa geholt werden können – da bin ich skeptisch. Wir haben in der Krise gesehen, dass die Lieferbeziehungen aus China wunderbar funktioniert haben – in Europa teilweise nicht. Man muss natürlich überlegen, dass man strategische Produkte hier in Europa produziert. Das muss aber ein gesamteuropäisches Projekt sein.
Europa sollte aus dieser Krise lernen, dass es ein gemeinsames Europa gibt. Natürlich machen die Staaten Regeln, wie man sich vor Ansteckung mit Covid-19 schützt. Deswegen aber geltendes Recht außer Kraft zu setzen und alle Grenzen zu sperren ist nicht akzeptabel. Es wäre eine europäische Aufgabe, Corona-Hotspots zu finden, aber jedes Land hat eine eigene Corona-App entwickelt. Das ist sinnlos.
Ich höre da auch Kritik an der eigenen Bundesregierung heraus?
Das ist eine Kritik an allen Regierungen in Europa, da kann man die eigene nicht ausnehmen.
Thema Nachhaltigkeit: Die Industrie betont gerne, Teil der Lösung zu sein, hat aber einen Anteil von einem Fünftel am weltweiten -Ausstoß. Wie kann die Industrie Teil der Lösung sein?
Indem wir in Europa Forschung und Innovation fördern, um neue Technologien im Bereich der Energieumwandlung zu nutzen. Wir hätten in Europa tolle Möglichkeiten mit dem Thema Wasserstoff. Da sind wir den USA und China weit überlegen, weil es dort die Gasnetze dafür nicht gibt. Außerdem hat die Industrie schon gezeigt, dass sie Wachstum in der Produktion von der -Intensität entkoppeln kann. Probleme haben wir bei Verkehr und Landwirtschaft. Wo wir aufpassen müssen ist, dass Produktionen in Europa, die an sich sauber sind, so mit -Abgaben verteuert werden, dass die Produkte erst wieder in Ländern produziert werden, wo man es mit den Bestimmungen nicht so genau nimmt.
Wie steuern Sie in Ihrem Unternehmen Veränderungen durch die Digitalisierung entgegen? Der Buchmarkt ist ja unter Druck geraten.
Wir werden den Buchmarkt nicht verändern können. Als Unternehmen kann man nur überlegen, wie man mit seinem Equipment andere Produkte in Nischen, die für die ganz großen Hersteller nicht interessant sind, produzieren kann. Bei uns ist ein Thema die Lebensmittelverpackung.
Die Bundes-IV hat seit Kurzem einen neuen Präsidenten, Georg Knill. War er Ihr Wunschkandidat?
Ich bin überzeugt davon, dass Georg Knill ein exzellenter Kandidat ist. Ich freue mich, dass er diese Wahl gewonnen hat. Insgesamt finde ich es positiv, dass sich in der IV etwas bewegt und nicht alles vorher ausgemacht ist – wiewohl die Öffentlichkeitsarbeit dazu etwas ruhiger hätte verlaufen können.
Thomas Salzer
Salzer ist Präsident der Industriellenvereinigung NÖ, Vizepräsident der Wirtschaftskammer (WK) NÖ und Teil des Präsidiums der WK-Bundessparte Industrie
Die Salzer Gruppe
Sie beschäftigt 137 Mitarbeiter (Umsatz 2019: 35,9 Mio. Euro). Die Unternehmen produzieren etwa Verpackungen für Lebensmittel, Buch- und Designpapiere sowie Formteile aus EPS (Styropor)
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