Ein Dickicht aus Briefkasten-Firmen

Geheimgeschäfte in Steueroasen: Putinfreunde, Staatschefs, Sportstars angeblich verstrickt – RBI und Hypo Vorarlberg dementieren.

Die Geldbeträge, um die es geht, sind beträchtlich. Die Finanzplätze genießen einen eher zweifelhaften Ruf. Und einige der genannten Namen sind äußerst prominent: Mit der Veröffentlichung eines riesigen Datenlecks sorgte das internationale Journalisten-Netzwerk ICIJ am Sonntagabend für Aufregung. Das Konvolut "Panama Papers" soll ein weltweites Netz von Briefkastenfirmen enthüllen, in das angeblich Staatsoberhäupter, Sportstars und Firmenbosse aus aller Welt verstrickt sind.

Der Ursprung: Vor mehr als einem Jahr wurden der Süddeutschen Zeitung 2,6 Terabyte Daten zugespielt – E-Mails, Datenbank-Teile und Bilddateien. Sie alle stammen aus der in Panama City angesiedelten Anwaltskanzlei Mossack Fonseca. Deren Geschäft besteht darin, für Kunden möglichst verschachtelte Konstruktionen aus Stiftungen und Briefkastenfirmen zu gründen. Der offenkundige Zweck der Offshore-Firmen: die wahren Eigentümer zu verschleiern.

Erklärungsbedarf

Warum macht man so etwas? Womöglich um die Herkunft dubioser Gelder zu verhüllen. Oder um Steuern zu sparen. Vermuten lässt sich das aufgrund der Datenlage, beweisen allerdings nicht: Der Besitz einer Briefkasten- oder Offshore-Firma ist nämlich nicht verboten.

Dennoch könnten etliche Persönlichkeiten jetzt einen erhöhten Erklärungsbedarf haben. Rund 400 Journalisten aus 80 Ländern haben etwa ein Jahr lang recherchiert, um aus der Datenflut prominente Namen zu fischen.

Sie sind unter anderem gestoßen auf: enge Vertraute des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Islands amtierenden Premier Sigmundur Gunnlaugsson, dessen Finanz- und Innenminister. Argentiniens neuen Präsidenten Mauricio Macri. Den saudischen König Salman. Eine Reihe von Funktionären des Fußballweltverbandes Fifa. Barcelona-Fußballstar Lionel Messi. Sie alle sollen Geschäften mithilfe von Steueroasen verschleiert haben.

Putins Vermögen

Die spektakulärste Fährte führt nahe an den Kreml heran. Sind die Panama-Papers dem Geheimvermögen von Russlands Präsident Wladimir Putin auf der Spur, über das seit Jahrzehnten spekuliert wird? Im Mittelpunkt steht laut Süddeutsche ein enger Putin-Freund und Taufpate seiner Tochter. Der Musiker werde als Eigentümer gleich mehrerer Offshore-Unternehmen genannt. Darüber sollen unter konspirativen Umständen mehr als zwei Milliarden Dollar (1,75 Mrd. Euro) aus Russland abgeflossen sein.

Von Unternehmen aus dem Umkreis von Putins Judo-Trainer sollen wiederum Kredite in Höhe von 231 Millionen Dollar an eine Offshore-Firma auf den Virgin-Island geflossen sein. Diese soll eine dem Präsidenten nahestehende Bank eingerichtet haben.

Anfragen dazu blieben laut ICIJ unbeantwortet. Dafür sprach ein Putin-Sprecher am vergangenen Montag von einer "westlichen Informationsattacke" und von "erlogenen Fakten".

Österreich-Bezüge

Aus Österreich waren der ORF und das Magazin Falter an den Recherchen beteiligt. Sie verfolgen etwa Fährten, die zu Vermögenswerten des verstorbenen kasachischen Ex-Botschafters Rakhat Aliyev führen könnten.

Mehrfach sollen in den Daten zwei österreichische Banken vorkommen, nämlich die Raiffeisen Zentralbank (RZB) sowie die Hypo Vorarlberg. So habe Raiffeisen dem heutigen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko ab 2002 bei Geschäften mit Briefkastengesellschaften in der Karibik geholfen. Der Falter schreibt von einem 115-Millionen-Dollar-Kredit, den Raiffeisen im Auftrag einer Offshore-Gesellschaft auf den British Virgin Islands an Poroschenkos Schokolade- und Mischkonzern Roshen in Kiew vergeben habe. Die Hypo-Vorarlberg tauche bei 20 Offshore-Gesellschaften auf.

Beide Institute betonen, alle Sorgfaltspflichten eingehalten zu haben. Vor einer Geschäftsbeziehung müsse jede Bank die Identität des Kunden prüfen und verifizieren. „Diese gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt die RZB selbstverständlich“, sagte Raiffeisen-Sprecherin Ingrid Krenn-Ditz zum KURIER. Offshore-Bezüge kämen im normalen Geschäftsalltag häufiger vor. Das sei weder verboten, noch löse es automatisch Geldwäsche-Verdacht aus. Allerdings würde bei solchen Konstrukten besonders sorgfältig geprüft. Die Hypo Vorarlberg betont, alle Gesetze „rigoros“ einzuhalten, „natürlich auch zur Verhinderung von Geldwäscherei“.

Druck auf Steueroasen

Welche Konsequenzen werden die Panama-Papers haben? Auch in diskreten Steueroasen kann sich jetzt niemand mehr sicher fühlen. „Es ist davon auszugehen, dass eine Reihe von Sachverhalten weltweit zu Ermittlungen führen wird“, sagte Ex-Bawag-Staatsanwalt Georg Krakow im ORF. Eine Reihe von Geldwäsche-Fällen sei wohl auch schon verjährt.

Der globale Druck zur Austrocknung von Steueroasen wird mit Sicherheit weiter zunehmen. Ab September 2018 soll auch Panama den automatischen Austausch von Bankdaten umsetzen – unterzeichnet hat der Mittelamerika-Staat das Abkommen bisher nicht.

Biggest leak in the history of data journalism just went live, and it's about corruption. https://t.co/dYNjD6eIeZ pic.twitter.com/638aIu8oSU

Seit 2008 gerieten wiederholt Bankdaten von vermeintlichen oder tatsächlichen Steuerflüchtlingen und Schwarzgeldkonten an die Öffentlichkeit. Der Ursprung der Daten ist dabei höchst unterschiedlich – die Palette reicht von gekränkten Bankmitarbeitern über IT-Fachkräfte, die Steuersünder-CDs an Finanzbehörden verkaufen, bis hin zu Journalisten-Netzwerken, die Malversationen enthülllen wollen.

Zumwinkel-Affäre

Als einer der ersten Promis stolpert 2008 der damalige Chef der Deutschen Post, Klaus Zumwinkel, über eine Steuer-Affäre. Zum Verhängnis werden ihm gestohlene Kundendaten der Liechtensteinischen LGT Treuhand.

Wikileaks

Ab 2008 veröffentlicht der Schweizer Bankmanager Rudolf Elmer über die Enthüllungsplattform Wikileaks mehrfach Kundendaten seines Ex-Arbeitgebers Julius Bär. Er wird im Jänner 2015 in Zürich zu einer Geldstrafe auf Bewährung veurteilt.

Offshore-Leaks

Im April 2013 publiziert das Journalisten-Netzwerk ICIJ Datenbestände von zwei Treuhand-Gesellschaften, die im Kundenauftrag hunderttausende Firmen und Konten in Steueroasen eröffneten. Darunter sind auch Gesellschaften, die RBI-Generaldirektor Herbert Stepic für Wohnungskäufe in Asien nützt. Er erstattet vorsorglich Selbstanzeige und tritt zurück.

Lux-Leaks

Im November 2014 werden 548 Vorabbescheide öffentlich, mit denen Luxemburgs Fiskus Konzernen wie Amazon, Apple, Amazon oder Ikea legale, aber bedenkliche Steuertricksereien ermöglichte. Die Dokumente wurden bei der Beratungsgesellschaft PwC entwendet. Die EU-Kommission spürt seither ähnlichen Deals in mehreren Ländern nach und verfolgt sie als möglichen Verstoß gegen den fairen Wettbewerb.

Swiss-Leaks

Im Februar 2015 wertet das Recherchenetzwerk ICIJ Daten von rund 100.000 Kunden aus, die 2006 oder 2007 Konten bei der Schweizer Tochter der britischen Großbank HSBC hatten – darunter viele internationale Promis sowie 399 Personen und Firmen mit Österreich-Bezug. Was an sich noch nicht verwerflich ist. Die HSBC muss indes ein „Kontrollversagen“ in Zusammenhang mit Steuervergehen einräumen. Die Daten stammen von Ex-Bankmitarbeiter Hervé Falciani.

Das Aus für das österreichische Bankgeheimnis kam scheibchenweise. Seit der Finanzkrise ist der internationale Druck auf verschwiegene Finanzplätze gewaltig gestiegen - und das Ende der Geheimniskrämerei ist endgültig besiegelt:

Im Oktober 2016 startet in Österreich das zentrale Register für rund 33 Millionen Konten, Sparbücher und Aktiendepots. Dort können Behörden bei Steuerverfahren Einschau halten. Faktisch ist das Bankgeheimnis bereits seit März 2015 obsolet: Kapitalabflüsse müssen nämlich auch rückwirkend gemeldet werden, Zuflüsse aus der Schweiz und Liechtenstein sogar schon ab 2011 bzw. 2012.

Ebenfalls mit Oktober 2016 startet der automatische Informationsaustausch: Dann erfahren andere Staaten Details über Ausländerkonten in Österreich. Anonymes Sparbuch und Konto sind schon seit November 2000 abgeschafft: Seither muss man sich bei der Bank ausweisen.

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