OMV hält an Borealis fest, Ex-Chef Rainer Seele entlastet
Taschenkontrollen am Eingang waren nicht genug, um die erste Präsenz-Hauptversammlung der OMV in Wien seit der Corona-Pandemie vor ungebetenen Beiträgen zu schützen. Aktivisten forderten mit Zwischenrufen und auf Transparenten die Enteignung des Mineralölkonzerns, bis sie des Saales verwiesen wurden. In der Kritik waren dabei nicht nur die gestiegenen Verbraucherpreise bei einem Gewinn von 5,2 Milliarden Euro im vergangenen Geschäftsjahr, sondern auch das Geschäft mit Öl und Gas im Allgemeinen.
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Dieses will zwar auch Konzernchef Alfred Stern hinter sich lassen, die Perspektive ist aber langfristig. Bis 2050 soll die OMV klimaneutral sein und ihr Geld mit nachhaltigen Kraftstoffen, Rohstoffen, Chemie und Materialien machen. "Wir haben mit der Umsetzung dieser Strategie begonnen, der Dampfer OMV hat Kurs eingeschlagen und fährt in diese Richtung. Eine Umkehr ist nicht mehr vorgesehen", sagte Stern.
Wachsen soll dabei insbesondere der Bereich Chemie, in dem bisher etwa 30 Prozent des Ergebnisses erwirtschaftet werden. Eine zentrale Rolle kommt dabei der Kunststoff-Tochter Borealis zu. Vor drei Jahren hat die OMV im größten Deal der österreichischen Wirtschaftsgeschichte die Mehrheit an dem Unternehmen übernommen. Ein kolportierter Verkauf an OMV-Kernaktionär ADNOC (Abu Dhabi National Oil Company) dürfte für Stern derzeit nicht zur Debatte stehen, zudem gäbe es auch kein dementsprechendes Angebot. Konkret gefragt, ob die Borealis-Anteile der OMV in ein gemeinsames Kunststoff-Unternehmen mit ADNOC eingebracht werden könnten, äußerte sich Stern nicht.
All das bedeutet nicht, dass die OMV nicht weiter in die Öl- und Gasförderung investiert. Diesen Sommer soll etwa die endgültige Entscheidung zum Projekt "Neptun" im rumänischen Schwarzen Meer fallen, das das Unternehmen zusammen mit der rumänischen Romgaz betreibt. Aus der Förderung in Malaysia und Neuseeland will die OMV hingegen aussteigen.
Umstrittener Ex-Chef
Ein viel beachtetes Thema auf der Hauptversammlung war auch die Entlastung von Rainer Seele. Auf der Hauptversammlung 2022 war dem ehemaligen Vorstandschef das Misstrauen ausgesprochen worden. Vor allem die Nähe zu Russland und die langfristige Bindung an den Staatskonzern Gazprom ist seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine breit diskutiert worden.
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Die OMV-Aktionäre entlasteten Seele allerdings am Mittwoch. Die Stimmen der beiden Kernaktionäre – der Staatsholding ÖBAG und ADNOC – reichten dafür aus. Kritik gab es dafür unter anderem von den internationalen Stimmrechtsberater von Institutional Shareholder Services (ISS) und Glass Lewis (GL) sowie von dem Interessenverband für Anleger (IVA).
Das Abstimmungsergebnis war erwartet worden, nachdem eine Prüfung des Aufsichtsrates zu dem Schluss gekommen war, dass "kein einklagbares Fehlverhalten" vorliegen würde.
Auch Seeles Nachfolger Stern sprach sich vor der Abstimmung für die Entlastung aus. Er sein "kein Fan davon, den Rainer Seele jetzt dafür zu verurteilen, dass er das gemacht hat. Weil zu dem Zeitpunkt waren das betriebswirtschaftlich gesehen vernünftige Entscheidungen." Diese Entscheidungen habe Seele auch nicht alleine getroffen. "Im Nachhinein muss man sagen: Wir haben das geopolitische Risiko dort massiv unterschätzt", sagte Stern.
Gemessen an der Stimmverteilung dürfte außer den Kernaktionären kaum Stimmberechtigte für die Entlastung gestimmt haben.
Seele sitzt, ebenso wie der eheamlige OMV-Vorstand Johann Pleininger inzwischen im Aufsichtsrat von Tatweer, dem staatlichen Ölkonzern von Bahrain. Er ist außerdem als Berater für ADNOC tätig. Durch die Entlastung auf der Hauptversammlung hat er Anspruch auf Boni aus seiner Zeit bei der OMV.
Feldmann folgt auf Garrett
Für Aufsichtsratschef Mark Garrett war es die letzte Hauptversammlung. Wie bereits bekannt war, steht er nicht länger zur Verfügung. Auf ihn folgt der 66-jährige Deutsche Lutz Feldmann als Aufsichtsratsvorsitzender.
Für die Aktionäre wird für das vergangene Geschäftsjahr eine Rekorddividende von 5,05 Euro pro Aktie ausgeschüttet.
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