Österreichs Arbeitslose fallen etwas sanfter als deutsche
Deutschland hat im Rahmen einer vermeintlich sozialen Reform seine Grundsicherung überarbeitet. Wie steht Österreich im Vergleich da? Eine Unterscheidung der sozialen Sicherungsnetze für Arbeitssuchende ist wegen großer Systemunterschiede schwierig. Einige Grundaussagen können dennoch getroffen werden. Sie zeigen: Österreich ist tendenziell großzügig.
Was hat sich in Deutschland überhaupt geändert?
Wegen der hohen Inflation hat die deutsche Bundesregierung zusammen mit der christlich-sozialen CDU die Grundsicherung um rund 50 Euro erhöht. Alleinstehende Langzeitarbeitslose, die bisher Hartz IV in Höhe von monatlich 449 Euro bezogen haben, erhalten ab 2023 ein sogenanntes „Bürgergeld“ in Höhe von 502 Euro. Bei der Miete und den Heizkosten werden Empfänger weiterhin vom Jobcenter unterstützt. Wie bei Hartz IV müssen sie Regeln erfüllen – etwa Bewerbungen schreiben – sonst wird das Bürgergeld gekürzt. Künftig dürfen Bezieher aber ein höheres Vermögen besitzen und auch Minijobs nachgehen. Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einem „Meilenstein in der Sozialpolitik“.
Kommt das Bürgergeld bei Kritikern besser an als Hartz IV?
Einen „Meilenstein“ oder Systemwandel können Experten im Vier-Parteien-Kompromiss nicht erkennen. „Es ist nicht wirklich das Ende von Hartz IV. Man hat das System etwas verändert, aber man hat es nicht wirklich abgeschafft“, sagt etwa Clemens Fuest, Präsident des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Hartz IV werde mit der Reform „nur etwas abgeschwächt“, befand Armutsforscher Christoph Butterwege im ZDF.
Inwiefern unterscheiden sich Deutschlands und Österreichs Arbeitslosenversicherung?
Wer in den vergangenen zwei Jahren rund ein Jahr gearbeitet hat, erhält in Österreich 20 Wochen lang Arbeitslosengeld. Der Anspruchsberechtigte erhält 55 Prozent seines letzten Monatsgehalts. Unter gewissen Voraussetzungen kann dieser Anspruch auf rund ein Jahr ausgedehnt werden. In Deutschland beträgt die maximale Arbeitslosengeld-Bezugsdauer für Alleinstehende 24 Monate bis zu 60 Prozent des letzten Monatsgehalts.
Und wenn das Arbeitslosengeld ausläuft?
Auch hier greifen unterschiedliche Systeme. In Deutschland fällt man auf Höhe des Bürgergeldes von 502 Euro monatlich. Sanfter wird der Sturz in Österreich abgefedert. Nach dem Arbeitslosengeld kann ein Antrag auf Notstandshilfe gestellt werden, die 92 Prozent des Arbeitslosengeldes beträgt, und ebenso eine Versicherungsleistung ist. Zusätzlich ist ein geringfügiger Zuverdienst in Höhe von 486 Euro erlaubt. Wer nicht lange genug gearbeitet und keinen Anspruch auf die Notstandshilfe hat, kann die Mindestsicherung – eine Fürsorgeleistung – beantragen. Sie beträgt ab 2023 1.110 Euro. Geringfügiger Zuverdienst ist auch hier erlaubt, wird aber gegengerechnet.
Welches System bietet die bessere finanzielle Absicherung?
Grundsätzlich gilt für Deutschland und Österreich: Es gibt keine Leistung umsonst. Wer arbeitsfähig ist, muss an Schulungsmaßnahmen teilnehmen und Bewerbungen absenden. Österreichs Sicherungsnetz gilt im internationalen Vergleich als großzügig, weil Notstandshilfe und Mindestsicherung auf höherem Niveau unter gewissen Voraussetzungen unbegrenzt ausbezahlt werden. Das gilt zwar auch für das deutsche Bürgergeld, allerdings ist es anteilsmäßig weitaus niedriger. Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) würde das Arbeitslosengeld gerne reformieren. Es soll anfangs höher ausfallen, aber schneller sinken. Zudem will Kocher die Möglichkeiten beim geringfügigen Zuverdienst einschränken. Das Ziel: Arbeitssuchende zu motivieren, wieder schneller einen neuen Job anzunehmen. Die Verhandlungen mit den Grünen laufen, eine Einigung ist derzeit nicht in Sicht. Vor allem die Einschränkung beim Zuverdienst gilt als Streitpunkt.
Wer ist besser gegen die Teuerung abgesichert?
Österreich liegt heuer im EU-Spitzenfeld bei staatlichen Hilfsleistungen gegen die Teuerung. Von einem Teil – wie dem Teuerungsausgleich oder der Strompreisbremse ab 1. Dezember – profitieren Geringverdiener stärker. Ab 2023 werden zudem sämtliche Sozialleistungen automatisch an die Teuerung angepasst. Doch Deutschland zieht kräftig nach: Ab Jänner gilt neben der Strompreis- auch eine Gaspreisbremse.
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