Österreich betoniert sich zu - das pusht die Hitze
Die Hitzewelle überrollt Österreich. Doch was für die einen Anlass für Badespaß ist, hat für andere dramatische Folgen. So fordert die Hitze in Österreich jedes Jahr mehr Todesopfer als der Autoverkehr, sagt die Österreichische Hagelversicherung (ÖHV).
Vor allem in den Städten ächzen viele Menschen unter den hohen Temperaturen. Und es reißt nicht ab: Dieses Jahr gab es in Wien bereits 25 Hitzetage, also Tage mit über 30 Grad Spitzentemperatur. Und der August kommt erst. Für die ÖHV ist seit Jahren eine der Hauptursachen dafür der enorme Bodenverbrauch.
Doch warum führt das Verbauen zu steigenden Temperaturen? Mit Beton oder Asphalt versiegelte Flächen speichern im Gegensatz zu offenem Boden viel mehr Hitze und geben sie an die Umgebung ab. So können sie laut dem Meteorologen und Stadtklimatologen Simon Tschannett leicht 50 Grad erreichen, dunkler Asphalt sogar bis zu 70 Grad. Das macht zu Fuß gehen und Rad fahren schnell unerträglich und zwingt die Leute ins klimatisierte Auto. Kein guter Weg, die Verkehrswende voran zu treiben. Außerdem würde laut Tschannett in der Nacht die Kaltluft fehlen.
Das Ausmaß des Bodenverbrauchs verstärkt die Probleme dabei massiv. Laut ÖHV-Vorstandsvorsitzendem Kurt Weinberger ist Österreich im Asphaltieren und Betonieren „Europameister im negativen Sinn“. Jeden Tag werden 11,5 Hektar, also ca. 16 Fußballfelder an Äckern und Wiesen verbaut. Österreich belegt in Europa auch noch mehr erste Plätze: 1,67 Quadratmeter sind die größte Supermarktfläche pro Kopf, 15 Meter das längste Straßennetz pro Kopf. Gleichzeitig stehen laut Weinberger Immobilien mit einer Fläche von 40.000 Hektar, eine Größe vergleichbar mit der Stadt Wien, leer.
Weitreichende Folgen
Die Folgen sind auch abseits der Hitze umfassend: Versiegelter Boden kann kein Wasser speichern und trägt zum Absinken des Grundwasserspiegels bei. Die Effekte davon sind eindrucksvoll am historisch niedrigen Wasserstand des Neusiedlersees zu erkennen.
Außerdem gefährdet der Bodenverlust die nationale Selbstversorgung mit Lebensmitteln. Es gibt unterschiedliche Zahlen. Die ÖHV geht beim Weizen von 88 Prozent Selbstversorgung aus, der Verein Wirtschaften am Land noch von 94 Prozent. Bei Obst und Gemüse sind es jedenfalls nur noch 50 Prozent, beim Soja sogar nur 20 Prozent. Tendenz sinkend.
„Ein Land ohne Äcker ist lebensunfähig“, so Vorstandsdirektor Weinberger. Die Krisen der letzten Jahre hätten gezeigt, wie wichtig eine verlässliche Versorgung mit notwendigen Gütern ist. Boden sei somit sicherheitsrelevante Infrastruktur.
Nicht zuletzt gehen auch Erholungsräume für Mensch und Tier verloren. Das schädigt auch den wirtschaftlich wichtigen Tourismus: Vier von fünf Österreichern sehen das Tourismusland Österreich als massiv gefährdet.
Mehr durchgreifen
Für die ÖHV ist also die Politik in der Pflicht, umgehend Maßnahmen zu ergreifen. Das Regierungsprogramm sehe eigentlich vor, dass der Bodenverbrauch auf 2,5 Hektar pro Tag gesenkt werden soll. Umgesetzt wurde das bisher nicht.
Weinberger schlägt ein monetäres Anreizsystem vor, um statt neuer Bauten den leer stehenden Altbestand zu nutzen. Außerdem sollen die Länder ihre Kompetenzen bei der Raumordnung mehr wahrnehmen, anstatt die Pläne der Gemeinden einfach durchzuwinken. In den Gemeinden bräuchte es dafür mehr Bürgerbeteiligung.
Tschannett plädiert für Klimaschutz. Man müsse aber auch lernen, mit der jetzt schon zu großen Hitze umzugehen. Abhilfe können vor allem Bäume und Grünflächen schaffen. Sie spenden Schatten und Feuchtigkeit und senken die gefühlte Temperatur damit schnell um 15 Grad.
Außerdem müssten die Kaltluftzonen viel aktiver geschützt werden, so der Meteorologe. Daneben könnten auch soziale Veränderungen auf Österreich zukommen. Das schon länger heiße Spanien macht es vor: Auch hierzulande könnte die Siesta zum Erfolgskonzept werden.
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