OeNB-Gouverneur Holzmann: "Auch Zentralbanker sind nicht unfehlbar"
Kommenden Mittwoch stehen die Experten der Nationalbank den KURIER-Lesern im Museumsquartier Rede und Antwort (siehe. Wir haben vorab mit dem obersten Banker gesprochen.
KURIER: Österreich kämpft mit hoher Teuerung, und jetzt zeigt die neue EU-Herbstprognose auch noch ein besonders schlechtes Wachstum. Woran liegt es?
Robert Holzmann: Österreich hat eine hohe Abhängigkeit von der Autozulieferindustrie: Wir haben Deutschland zugeliefert, Deutschland hat China zugeliefert, aber China reduziert den Import. Außerdem profitierte Österreich lange Zeit stark von seinen wirtschaftlichen Verbindungen zu den mittel- und osteuropäischen Ländern. Deren überdurchschnittliche Wachstumsraten haben sich nun auch verringert. Geholfen hat uns unsere noch immer starke Position im Fremdenverkehr.
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Was hat die Regierung bezüglich viel zu hoher Inflation falsch gemacht?
Falsch gemacht nicht wirklich, aber es gab Sonderfaktoren. Zum Beispiel der für ein Industrieland überproportional starke Dienstleistungssektor, in dem auch der Fremdenverkehr enthalten ist, der Preistreiber war. Außerdem haben die in hohem Maße in staatlicher Hand befindlichen Energieproduzenten und -händler vielleicht etwas stärker zugelangt, als notwendig.
Waren zu hohe Teuerungsausgleichszahlungen auch Inflationstreiber?
Sie hätten vielleicht zielgerichteter sein können. Doch das Zusammenspiel von Daten aus der Gemeindeebene und Daten aus der Steuerverwaltung ist komplex.
Und hohe Gehaltsabschlüsse? Die Metaller streiken.
Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust: Höhere Lohnabschlüsse sind kaufkrafterhaltend, was wichtig für die Aufrechterhaltung der Inlandskonjunktur ist, was aber andererseits natürlich die Inflationsverringerung und die internationale Wettbewerbsfähigkeit erschwert. Die Nationalbank ersucht um einen Abschluss mit Augenmaß. Ich bin aber überzeugt, dass die Sozialpartner den finden werden.
Ist nicht auch die EZB, die zu lange an den Niedrigzinsen festgehalten hat, schuld an der Entwicklung? Zuerst entstand eine Immo-Blase und nach der Kehrtwende eine massive Teuerung.
Ja, wir müssen überlegen, wie wir beim nächsten Mal verhindern, dass zu viel Liquidität entsteht. Aber wir haben bei der Pandemie und den Folgen des Ukraine-Kriegs wirksam geholfen. Die Nachfrage konnte stabilisiert werden, die Beschäftigung blieb hoch, das hat allerdings zu einer Betongoldinflation geführt, die wir jetzt langsam abtragen müssen.
Hätte man nicht schon früher die Zinsen erhöhen müssen?
Ja, ich war dafür, es schon ein halbes Jahr früher zu machen, konnte mich im Rat jedoch nicht durchsetzen. Aber sehr viel hätte es wahrscheinlich auch nicht gebracht. Meiner Meinung nach lag der Hauptgrund für die Inflation in Asien. Die Chinesen sind aus Umweltgründen von Steinkohle und Erdöl auf Erdgas umgestiegen. Aber es war zu wenig Angebot da. Da haben wir vielleicht zu spät reagiert. Aber auch Zentralbanker sind nicht unfehlbar.
Die Regierung wurde unter anderem von EU-Vertreter Selmayr dafür kritisiert, das Bargeld in die Verfassung schreiben zu wollen, weil es EU-rechtlich ohnehin gesichert sei. Ihre Meinung?
Der Entwurf der EU-Kommission zum digitalen Euro beinhaltet auch Bargeld. Darin gibt es eine Annahmepflicht. Das wurde durch Druck Österreichs jetzt noch stärker betont. Offen ist noch, ab welchem Betrag Bargeld und wie viel angenommen werden muss und welche Ausnahmen es gibt. Das ist eine Frage der nationalen Ebene. Das EU-Gesetz hätte bereits Verfassungsrang, dadurch wäre die Verankerung von Bargeld in der Verfassung nicht mehr notwendig.
Warum sind die Österreicher vergleichsweise so große Fans von Bargeld?
Ich glaube, wir waren bei der Annahme von elektronischen Zahlungsmitteln immer etwas langsamer. Und wir sind gewohnt, immer etwas Bargeld mitzuhaben. Aber vielleicht sind wir ja auch gescheit, weil wir wissen, dass wir elektronisch die Ausgaben nicht so gut kontrollieren können. Der 50er oder 100er in der Hosentasche ist eine gute Beschränkung, um nicht zu viel auszugeben.
Wie halten Sie es persönlich?
Ich verwende mehrere Zahlungsmittel. Das werde ich auch in Zukunft tun. Denn der Blackout wird kommen, die Frage ist nur wann. Wir haben in der OeNB ein Informationsprogramm gemacht, bei dem wir die Bevölkerung auffordern, für den Ernstfall einen 100er in kleinen Scheinen daheim aufzubewahren, um im Ernstfall zumindest Grundnahrungsmittel kaufen zu können.
Was würde eigentlich ein digitaler Euro bringen?
Der digitale Euro ist das Bargeld in elektronischer Form. Er hat nicht nur die höchste Sicherheit, sondern auch das höchste Maß an Anonymität. Die Notenbanken kennen nur die bezahlten Beträge, aber nicht, wer was gekauft hat. Und wir haben in Europa noch kein einheitliches Zahlungssystem. Das bedeutet, der Verkäufer entscheidet, welche Kredit- oder Debitkarte er nimmt. Mit dem digitalen Euro wäre dann eine Annahmepflicht in den Geschäften in ganz Europa garantiert.
Die Kritik der heimischen Banken am digitalen Euro ist groß. Können Sie die Kritik nachvollziehen?
Jein. Ihre Sorge ist, dass sie eine kleinere Rolle im Finanzsystem spielen werden und bei den Transaktionen keine Gebühren mehr erhalten. Ist das möglich? Ja, das ist in China so, wo die Banken in diesem Bereich kaum mehreine Rolle spielen. Das wird vielfach alles über Alipay oder WeChat betrieben. Meine Antwort an die Banken ist: Der digitale Euro ist nicht euer Problem, sondern eure Lösung. Denn wenn es keinen digitalen Euro gibt, dann könnte es sein, dass solche privaten Anbieter kommen, und dann hättet ihr gar keinen Anteil an diesem Geschäft mehr.
Die Banken kritisieren auch die neue KIM-Verordnung, die die Vergabe von Hypothekarkrediten regelt. Gibt es zu viel Regulierung aus Angst vor einem Bankencrash?
Klar ist eine erhöhte Regulierung Teil der Sicherheit, und bei jeder Regulierung besteht die Gefahr der Übertreibung. Ich glaube aber nicht, dass es bei der KIM-Verordnung so war. Denn diese vollzieht nur das, wovon die Banken immer gesagt haben, dass sie es selbst machen. Was jetzt passiert, hat mit der KIM-Verordnung nichts zu tun.
Womit dann?
Es hängt mit der – übrigens nicht nur in Österreich – rückläufigen Immo-Nachfrage zusammen und mit der Neigung der Banken, bestimmte Kredite nur noch eingeschränkt zu vergeben. Denn es gibt im Rahmen der Verordnung eigentlich Ausnahmenkontingente, die aber kaum ausgeschöpft werden. Für viele Banken ist daher die Verordnung nur eine nette Ausrede.
War es früher einfacher, eine Immobilie zu erwerben?
Unsere Eltern sind mit 25 Jahren und zwei Kindern auch nicht zur Bank gegangen und haben eine Wohnung auf Kredit kaufen wollen. Dazu braucht man eine Zeit des Ansparens. Aber: Früher hat man sehr substanzielle Wohnbauförderungen von den Ländern erhalten. Das ist in den damaligen Größenordnungen vorbei. Daher wundert es mich, dass gerade die Landeshauptleute die Verordnung so kritisieren. Sie hätten es in der Hand, unterstützend einzugreifen.
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Eine persönliche Frage zum Abschluss: Eigentlich sind Sie ein Wirtschaftsliberaler, haben zu Beginn Ihrer Amtszeit viel forscher gewirkt. Sind Sie zahm geworden in Ihrer Rolle als Gouverneur?
Wahrscheinlich. Aber eher in dem Sinne, dass ich gemerkt habe, dass Österreich etwas anders tickt. Und inhaltlich bin ich drauf gekommen, vieles geht in Österreich nicht. Ich habe das zur Kenntnis genommen und mich angepasst. Ich glaube aber, auch dieses Interview hat hoffentlich gezeigt, dass ich nach wie vor direkt zur Sache komme.
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