"Wenn etwas ein Gesetz ist, muss es für alle gelten", sagte Inosemzew. Es sei zum Beispiel inkonsistent, einen Teil der russischen Banken vom internationalen Zahlungssystem auszuschließen. Andere Banken, auch westliche, würden dadurch mehr Geschäft machen und weiterhin Steuern zur Finanzierung des Krieges an den Staat zahlen.
Auch gebe es eine Vielzahl an Möglichkeiten, Russland formell zu verlassen und effektiv weiter dort aktiv zu sein. Etwa Management-Buyouts, bei denen die russischen Führungspersonen vorübergehend das Geschäft übernehmen. In vielen Fällen hätten sich die Konzerne mit Blick auf die Zeit nach dem Krieg sogar ein Rückkaufsrecht gesichert.
Effektiver wäre es nach Einschätzung von Inosemzew, den Abfluss wichtiger Ressourcen wie Geld und gut ausgebildeter Personen zu unterstützen. Fehlen Kapital und Fachkräfte, würde das die russische Wirtschaft nachhaltiger schädigen. Das sei aber das Gegenteil von dem, was die westlichen Staaten insbesondere mit ihrer Konzentration auf Oligarchen bewerkstelligen.
Wenn man versuchen wolle, Druck in Russland aufbauen, sei der Fokus auf die Eliten ebenfalls nicht zielführend. In dieser im Westen viel gescholtenen Gruppe könnten sich mittelfristig sogar wichtige Verbündete finden, wenn es innerhalb der russischen Elite zu Verwerfungen kommen sollte. Derzeit würden sich aber viele, die ihr Geld jahrelang legal in den Westen gebracht hätten, von diesem verraten fühlen.
Stattdessen könnte der Westen Maßnahmen treffen, die einen großen Teil der Bevölkerung betreffen. So werde etwa der größte Teil des Brauhopfens für die russische Bierproduktion unverändert aus EU-Ländern importiert. Eine weitere Möglichkeit wäre der Zugriff über westliche Konzerne. Smartphone-Hersteller wie Apple könnten zum Beispiel Geräte blockieren, die sich in Russland einwählen. Das wäre auch effizienter als Ausfuhrkontrollen, die über Drittstaaten umgangen werden, denn für einen funktionslosen "Ziegel" zahle niemand 1.000 Dollar, argumentierte der Ökonom.
Geopolitischer Zusammenhang
Ein weiteres Problem sieht Inosemzew darin, dass manche Maßnahmen teilweise rechtsstaatliche Prinzipien widersprechen, etwa wenn Einzelpersonen dafür bestraft werden, dass sie in der Vergangenheit mit dem russischem Regime Geschäfte gemacht hätten. Insbesondere im globalen Süden verfestige sich dadurch der Eindruck, dass sich der Westen nicht an seine eigenen Regeln hält. Dementsprechend schwieriger wäre es dann, darauf zu pochen, dass diese allgemein gültig sein sollten.
Der Einfluss Chinas in Russland ist durch die westlichen Sanktionen gewachsen. Das betrifft einerseits russische Energieexporte, als auch chinesische Güter wie Autos, die teils unter russischen Markennamen vermarktet würden.
Ölpreis-Deckel
Verrechnet habe sich der Westen auch beim Preisdeckel für russisches Öl. Angenommen wurde, dass die Förderkosten bei etwa 50 US-Dollar pro Fass liegen würden. Ein Preisdeckel von 60 Dollar sollte dazu führen, dass Russland weiter Öl auf den Weltmarkt bringt - denn die Alternative wäre eine massive Energiekrise gewesen - aber damit weniger verdient. Das Problem: Die Förderkosten der Unternehmen sind deutlich niedriger. Bei 50 Dollar sind bereits die staatlichen Abgaben eingerechnet, es fließt also weiterhin Geld ins Budget.
Eine gewisse Wirkung gibt es natürlich trotzdem. Denn die Gewinne der staatsnahen Enbergiekonzerne sind in den vergangenen zwei Jahren geschmolzen. So hat etwa die einstige Cash-Cow Gazprom 2023 erstmals seit 25 Jahren Veruste verzeichnet.
Kommentare