ÖBB-Catering: Henry will weiter am Zug bleiben

Henry am Zug verköstigt die ÖBB-Kunden
Bahn will zum Speisewagenbetrieb künftig weniger dazuzahlen. Indes kämpft die Arbeiterkammer mit Henry am Zug vor Gericht.Es geht um nicht eingehaltene Ruhezeiten und Pausen.

Henry könnte weiter in den ÖBB-Zügen kochen: Die Bahn-Tochter des Catering-Konzerns DO&CO ist dem Vernehmen nach bei der derzeit laufenden Neuausschreibung für den Betrieb der ÖBB-Speisewagen unter den aussichtsreichsten Bewerbern. Trotz der vorzeitigen Kündigung des Vertrages im Vorjahr, nachdem Henry am Zug wegen mutmaßlicher Verletzung der Arbeitszeitgesetze ins Visier des Arbeitsinspektorats geraten war. Im engen Zeitkorsett des Gastro-Kollektivvertrages sei die Bewirtschaftung der Speisewagen, hatte DO&CO-Gründer Attila Dogudan kritisiert, nicht gewinnbringend zu führen.

Den Ausschlag für das neuerliche Interesse am Zugfahren dürfte der im Sommer ausgehandelte Zusatz für "mobile Reisendenbetreuung" im Eisenbahner-Kollektivvertrag gegeben haben. Dieser sieht zwar deutlich höhere Gehälter vor, dafür können die Zugkellner im Rahmen einer 40-Stunden-Woche bis zu zwölf Stunden täglich eingesetzt werden.

Die Konkurrenz ist freilich groß. Neun Catering-Unternehmen haben sich um den Auftrag beworben. Darunter der Gastro-Unternehmer Josef Donhauser, der die ÖBB-Passagiere vor Henry verpflegt hatte. Auch Newrest Wagon-Lits, die bereits die ÖBB-Nachtzüge betreut, dürfte mitmischen.

Bleibt Henry am Zug, dürfte er aber Federn lassen müssen. Denn die ÖBB wollen das große Interesse nützen und die Zuzahlung zum Catering verringern. Derzeit muss die Bahn überall in Europa kräftig mitzahlen, weil sich das Catering nicht rechnet. Auch Henry bekam bisher Zuschüsse bis zur Höhe des eigenen Umsatzes im Zuggeschäft. Die ÖBB wollen den Auftrag im Dezember vergeben.

Rechtliche Altlasten

Henry am Zug muss noch rechtliche Altlasten abarbeiten. Die Arbeiterkammer (AK) hat acht Klagen für Ex-Mitarbeiter wegen nicht eingehaltener Ruhezeiten und Pausen beim Arbeitsgericht eingebracht. Sie fordern dafür eine Abgeltung. In sieben Fällen liegt ein Urteil vor, gegen das der Bahncaterer und die AK Berufung einlegten.

Das Gericht sagt, dass eine Verkürzung der täglichen Ruhezeiten unter zehn Stunden zwar nicht rechtskonform ist, aber den betroffenen Ex-Mitarbeitern stehe keine entgeltliche Entschädigung zu. Laut Gericht handelt es sich dabei um einen Verstoß des Arbeitgebers gegen die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes (AZG). Der wird in der Regel von der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe sanktioniert.

Die Crux mit den Pausen

In Sachen nicht eingehaltene Pausen hat das Erstgericht Henry aber in die Pflicht genommen. Der Bahncaterer hat den Mitarbeitern "bei Diensten länger als sechs Stunden" pauschal eine halbe Stunde Pause abgezogen und nicht bezahlt. Die Ex-Mitarbeiter brachten vor, dass sie vor Dienstbeginn nicht wussten, wann und wo sie pausieren können. Es sei ihnen auch nicht erlaubt gewesen, während der Pause Kunden abzuweisen, behaupten die Ex-Mitarbeiter.

Auch gebe es keine reservierten Sitzplätze für die Henry-Mitarbeiter, sondern nur einen Klappstuhl im Bistro-Bereich. Und werde der Klappsessel tatsächlich benutzt, sagen die Ex-Mitarbeiter, würden die anderen Kollegen die Kaffeemaschine nicht mehr erreichen können.

"De facto erwartet die Beklagte von ihren Mitarbeitern eine lückenlose Betreuung der Gäste und begnügt sich hinsichtlich der Ruhepausen mit der schriftlichen Anweisung, die Pause sei unter Rücksichtnahme auf die Kundenfrequenz zu absolvieren", stellte das Arbeitsgericht Wien in dem 21 Seiten starken Urteil fest. "Henry war nicht berechtigt, den Mitarbeitern pro Dienst (länger als sechs Stunden) 30 Minuten als Pause abzuziehen, da es sich tatsächlich um zu bezahlende Arbeitszeit handelt." Nachsatz: "Eine wirksame Pausenregelung besteht nicht."

Umstrittene Losungsdifferenzen

Ärger gibt es auch bei den sogenannten "Losungsdifferenzen". Das heißt: Henry-Mitarbeiter müssen für nicht mehr vorhandene, aber nicht bezahlte oder nicht bonierte Waren "Schadenersatz zahlen". Die Beträge werden laut AK-Rechtsexpertin Julia Vazny-König erst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgezogen. Bei einer nicht bonierten Minitube Ketchup ( 18g) macht das zum Beispiel 90 Cent Abzug. Laut AK geht es dabei pro Mitarbeiter um 200 bis 400 Euro.

"Die Mitarbeiter wissen ein halbes Jahr später nicht mehr, warum es eine Differenz gibt", sagt Vazny-König zum KURIER. In einem Fall stellte das Gericht fest, es sei nicht auszuschließen, dass nicht schon bei der Erfassung des Warenbestandes Fehler passieren können. Und da mehrere Mitarbeiter bonieren, könne der Fehlbestand "nicht eindeutig der Ex-Mitarbeiterin zugeschrieben werden".

Henry gab vor Gericht zu Protokoll, dass die Mitarbeiter mit der Differenz konfrontiert werden. Sie können Einspruch dagegen erheben oder die Differenz zahlen: "Wenn der Einspruch nicht berechtigt ist, werde die Losungsdifferenz am Ende des Arbeitsverhältnisses abgezogen."

Bestes Einvernehmen mit ÖBB

Konzern-Chef Attila Dogudan versteht die Aufregung nicht. "Es gab vier Jahre lang keinen Kollektivvertrag für die Gastronomie am Zug. Seit es diesen neuen Kollektivvertrag gibt, halten wir ihn natürlich ein, wobei wir da auch mit dem Arbeitsinspektor in Kontakt sind", erklärt Attila Dogudan dem KURIER. "Das Problem waren vor dem Kollektivvertrag die Arbeitszeiten, die aus nachvollziehbaren Gründen in einem Zug anders sind. Aber da gibt es jetzt bestes Einvernehmen mit den ÖBB."

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