Wifo-Chef Gabriel Felbermayr, durchaus unterstützt von Kollegen seiner Zunft, macht nun den Vorschlag einer zeitlichen Streckung der Kollektivvertragsabschlüsse. Ein Teil des Lohnabschlusses sollte sofort, ein anderer Teil erst zu einem späteren Zeitpunkt ausbezahlt werden – so die recht simple Idee.
Zum KURIER sagte Felbermayr: "Man sollte darüber nachdenken, die hohe Inflation der vergangenen zwölf Monate nicht mit aller Macht in die Zukunft fortzuschleppen. Es soll den vollen Ausgleich der Inflation für die Arbeitnehmer geben, klar. Aber nicht sofort, sondern zeitlich gestreckt. Dann haben die Unternehmen ein, zwei Jahre Zeit, sich an die höheren Löhne anzupassen."
Unterstützung findet der Experte bei Holger Bonin, dem neuen Chef am Institut für Höhere Studien (IHS).
Um die Gewerkschaften mit ins Boot zu holen, wie Bonin sagt, müsste man aber gleichzeitig auch längere Laufzeiten für die KV-Abschlüsse vereinbaren.
Der Abschluss beispielsweise in der Metallerindustrie würde dann nicht wie jetzt üblich für ein Jahr gelten, sondern womöglich für 18 oder überhaupt 24 Monate. Bonin sagt: "Das bringt Stabilität in unsicheren Zeiten und Planungssicherheit für die Betriebe. Aber wahrscheinlich müssten die Arbeitgeber noch etwas drauflegen, damit die Gewerkschaft bereit ist, das zu akzeptieren."
Das wird denkbar schwierig, wenn nicht unmöglich.
Hanno Lorenz, stellvertretender Direktor der wirtschaftsliberalen Agenda Austria, warnt davor, in die Lohnverhandlungen einzugreifen und meint auch: "Es ist auf jeden Fall wichtig, die Inflation unter Kontrolle zu bringen. Wie sollten aber die Geldpolitik (der Europäischen Zentralbank, Anm.) ihre Arbeit machen lassen. Zumal es höchst unwahrscheinlich ist, dass die Gewerkschaften den WIFO-Vorschlag auch nur in Betracht ziehen."
Darauf lässt auch die Reaktion von ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian schließen. Katzian, vom KURIER mit dem Felbermayr-Vorschlag konfrontiert, sagt: "Das ist für uns ein absolutes No-Go. Das wäre ja ein sofortiger Reallohnverlust mit großen volkswirtschaftlichen Auswirkungen. Das würde jetzt mitten in der Flaute die Kaufkraft noch einmal schwächen. Das geht überhaupt nicht."
Überraschenderweise klingt auch beim Chefökonom der Industriellenvereinigung (IV), Christian Helmenstein, leise Skepsis durch, ob der neue Vorschlag umsetzbar sein wird – wenn auch aus anderen Gründen als bei ÖGB-Chef Katzian.
Helmenstein sagt: "Kaufkraftverlust ist Kaufkraftverlust, es gibt keine Maßnahme, diesen gesamtwirtschaftlich ungeschehen zu machen." Und meint weiter: "Man kann aber argumentieren, dass die Unternehmen bei einer zeitlichen Staffelung ein, zwei Jahre mehr Zeit hätten, um sich an steigende Lohnstückkosten anzupassen. Dennoch gerät die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie unter großen Druck."
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