Neue Daten: Rüstungsboom rettet russische Wirtschaft
Betrachtet man die neuen Wirtschaftsdaten aus Russland, der Ukraine und den Ländern Osteuropas könnte man fast glauben, es tobe gar kein Krieg rund 1.500 bis 2.000 Kilometer von Österreich entfernt.
Das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) erwartet sowohl für Russland als auch die Ukraine heuer leicht positive Wachstumsraten, während etwa für Deutschland, die größte Volkswirtschaft Europas, eine Rezession vorhergesagt wird. Ja, man muss genauer hinschauen, um das zu verstehen.
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In Russland boomt die Rüstungsindustrie
Was die Seite des Aggressors betrifft, so beendet heuer der Boom in der Rüstungsindustrie die Rezession des Vorjahres, als die Wirtschaft noch um 2,1 Prozent schrumpfte. Die Kriegswirtschaft mit ihrer Produktion von Waffen, Munition, Uniformen, aber etwa auch Medikamenten, bedeutet heuer laut WIIW ein BIP-Plus von 1,0 Prozent. Freilich könnte das Wachstum auch höher ausfallen. Dagegen sprechen die westlichen Sanktionen sowie der Arbeitskräftemangel durch Auswanderung und Mobilmachung.
Die Sanktionen schmerzen Moskau kurzfristig vor allem im Energiebereich, weil russisches Erdöl nun wesentlich billiger nach Asien verkauft werden muss (dadurch steigt das Budgetdefizit auf heuer 3,5 Prozent). Und die Sanktionen schaden Russland mittelfristig, weil der Zugang zu westlichem Know-how und westlicher Technologie durch die Sanktionen immer schwieriger wird. WIIW-Russland-Experte Vasily Astrov erwartet deshalb eine Art „Primitivisierung“ der russischen Wirtschaft.
Die aktuelle Rubel-Abwertung um 10 bis 15 Prozent – unter anderem nach dem vermeintlichen Putschversuch der Wagner-Söldner – könnte die Inflation wieder in die Höhe treiben, weil Importe für Moskau teurer werden. Aktuell wird die Teuerung in Russland für 2023 aber mit 5,1 Prozent erwartet und damit sogar leicht unter dem dem Niveau Westeuropas.
Heuer leichte Erholung in der Ukraine
Die Ukraine wiederum könnte sich nach dem verheerenden Wirtschaftseinbruch im Vorjahr (minus 29,1 Prozent) wieder etwas stabilisieren und sich heuer mit einem Wachstum von 2,0 Prozent „leicht erholen“, sagt WIIW-Direktor Mario Holzner. Nicht nur die Landwirtschaft, auch andere Bereiche wie etwa IT-Services, tragen dazu bei. Produktionen wurden in den halbwegs sicheren Westen des Landes verlagert. Trotz allem kann die Ukraine nur dank der westlichen Finanz- und Militärhilfe überleben. Für den späteren Wiederaufbau werden schon heute Hunderte Milliarden Dollar veranschlagt.
Chancen für Österreichs Wirtschaft in Südosteuropa
Insgesamt gesehen schwächelt das Wachstum heuer in Osteuropa, weil Länder wie Tschechien als Zulieferer unter der Industrieschwäche in Deutschland leiden. Weitere Wachstumsdämpfer sind die Inflation und die gestiegenen Zinsen. In Ungarn wird eine Rezession erwartet. Ein Lichtblick aus österreichischer Sicht ist Südosteuropa. Vor allem Rumänien (3,0 %), Kroatien (2,5 %) und die Türkei (2,6 %) wachsen im regionalen Vergleich stark. Auch am Westbalkan läuft es etwa in Albanien, dem Kosovo und Montenegro recht gut. „Für Österreich, als traditionell sehr wichtigem Investor in diesen Ländern, bietet das natürlich große Chancen“, sagt Astrov.
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