Müller-Mitarbeiter beklagen Kontrollen von Taschen und Spinden

Drogeriekette Müller
Besonders diffamierend sei dabei, dass die Kontrollen auch vor Kunden durchgeführt werden.

Eine Befragung, die die Gewerkschaft GPA-djp bei den österreichischen Beschäftigten der Drogeriekette Müller durchgeführt hat, bringt mehrere Missstände zum Vorschein. Taschen- und Spindkontrollen, Arbeitszeitüberschreitungen, erschwerte Urlaubs-oder zu kurzfristige Dienstplanung gehörten bei Müller auf die Tagesordnung, fasste Gewerkschafterin Barbara Teiber das Ergebnis der Befragung zusammen.

Als "systematisch" bezeichnete Teiber die Taschenkontrollen, die bei Müller täglich durchgeführt werden, nicht nur zu Dienstschluss, sondern teilweise auch vor der Mittagspause. Besonders diffamierend sei dabei, dass die Kontrollen auch vor Kunden durchgeführt werden. "Tägliche Kontrollen auch vor Kunden", schreibt etwa eine Mitarbeiterin in der Befragung. "Taschenkontrollen bis aufs kleinste Seitenfach", vermerkt eine andere.

Kündigung wegen Betriebsratsgründung

Taschenkontrollen sind nicht grundsätzlich verboten, sofern es dafür eine Betriebsvereinbarung gibt oder der/die Beschäftigte ausdrücklich zugestimmt hat - im Dienstvertrag oder auch mündlich. Eine Betriebsvereinbarung hat Müller dafür nicht, die Drogeriekette hat keinen Betriebsrat. Wie berichtet hat die GPA gegen Müller den Vorwurf erhoben, eine Beschäftigte in Wien gekündigt zu haben, weil sie einen Betriebsrat gründen wollte. Die Gewerkschaft ist gegen die Kündigung auch rechtlich vorgegangen und hat eine Anfechtung beim Arbeits- und Sozialgericht eingebracht. Der erste Verhandlungstermin soll Ende April stattfinden.

In einem Schreiben an Müller-Kunden wurde daraufhin unter zehn Punkten aufgezählt, welche Leistungen Müller-Beschäftigte erhalten. Da hieß es beispielsweise unter den Punkten 1 bis 3: "Wir entlohnen unsere Mitarbeiter deutlich über den kollektivvertraglichen Mindestentgelten. Unsere Gehälter werden immer pünktlich überwiesen. Müller-Mitarbeiter erhalten beim Einkauf in den Filialen bis zu 20 % Personalrabatt." Zudem würde ein Zuschuss zur Berufskleidung geleistet, Fort- und Weiterbildungskosten übernommen und Jubilare gefeiert, wo Beschäftigte je nach Firmenzugehörigkeit Geschenke bekämen. Auch kuriosere Leistungen gab der Müller-Chef in dem Brief preis - wie, dass alle Müller-Mitarbeiter "eine reich gefüllte Nikolaustüte" bekämen oder ein "kleines Präsent zu Valentin". Unter Punkt 10 wies Müller darauf hin, dass über die "Roten Kuverts" jeder Mitarbeiter eine direkte Kommunikationsmöglichkeit zum Firmengründer und -inhaber habe.

Müller-Mitarbeiter beklagen Kontrollen von Taschen und Spinden
ABD0034_20170210 - WIEN - ÖSTERREICH: Aussenansicht einer Filiale der Drogeriekette Müller am Freitag, 10. Februar 2017, in Wien. Müller soll eine Angestellte gekündigt haben, weil sie einen Betriebsrat gründen wollte. - FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH

"Hier werden Beschäftigte unter den Generalverdacht gestellt, zu stehlen"

Müller kontrolliere aber nicht nur die Taschen der Beschäftigten, sondern auch die Spinde - "und das auch ohne dem Beisein der entsprechenden Mitarbeiterinnen", so Teiber. "Hier werden Beschäftigte unter den Generalverdacht gestellt, zu stehlen", kritisierte Teiber.

Die Gewerkschaft hat Mitte Februar Briefe an die und 2.800 Müller-Beschäftigten verschickt, um sie über ihre Arbeitsbedingungen zu befragen. Mehr als 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter antworteten auf die zwölf Fragen, teilweise gespickt mit seitenlangen, persönlichen Briefen, in denen die Bedingungen bei der deutschen Kette geschildert werden. Bei Müller wollte sich dazu auf APA-Anfrage niemand äußern. Auch ein Brief, den die Gewerkschaft anlässlich der Befragungsergebnisse an Firmenchef Erwin Müller schickte, blieb bisher unbeantwortet.

"In mehr als der Hälfte der Fragebögen wurden persönliche Anmerkungen gemacht", sagte die Wiener GPA-Regionalgeschäftsführerin Teiber zur APA. Diese seien teils sehr schockierend gewesen, wenngleich auch einige positive Stimmen dabei gewesen seien. Insgesamt zeige sich ein Stadt-Land-Gefälle: "In großen Städten sind die Arbeitsbedingungen viel schlechter", so Teiber. Die Befragung wurde zwar anonym durchgeführt, viele Beschäftigten gaben ihre Daten aber dennoch an.

Im Krankenstand kontaktiert

Die Frage "Kommt es vor, dass Sie krank arbeiten gehen?" beantworteten 58 Prozent der über 300 Befragungsteilnehmerinnen mit "Ja". Rund um Krankenstände machte die Gewerkschaft mehrere "Baustellen" aus: Beschäftigte würden im Krankenstand kontaktiert und auf einen schnellen Arbeitsbeginn gedrängt und es käme häufig zu Dienstumschichtungen. "Wenn ich heute anrufe und sage, dass ich krank bin, hab aber z.B. Freitag und Samstag frei, dann gibt sie (die Filialleiterin, Anm.) mir heute Dienstag und Mittwoch frei oder Zeitausgleich, um bloß nur, dass ich mich nicht krankmelde", schilderte eine Beschäftigte. Filialleitungen, in deren Filialen es wenige Krankenstände gibt, winkten zudem höhere Prämien.

Urlaub oft nicht genehmigt

Probleme führte die Befragung auch bei der Urlaubs- und Dienstplanung sowie Arbeitszeitaufzeichnungen zutage. Ein Drittel der Befragten berichtete von einseitig angeordneten Urlauben, überhaupt scheint die Urlaubsplanung erschwert. "Urlaub muss sehr früh beantragt werden, wird oft nicht genehmigt bzw. anders eingeteilt", so eine Mitarbeiterin. "Urlaube werden verschoben, wenn welche krank sind" oder "Es wird sehr wenig Rücksicht auf Kinder bzw. Familien genommen" waren andere Wortmeldungen. Auch scheint es eine Liste von Tagen und Wochen zu geben, an denen Urlaube grundsätzlich untersagt seien, wie etwa an den Einkaufssamstagen, zu Muttertag, am Valentinstag usw.

Viele Beschäftigten bemängelten die zu kurzfristige Dienstplanung und schilderten Praktiken bei der Arbeitszeitaufzeichnung, die laut Gewerkschaft verboten sind. Nicht immer stimmten die aufgezeichneten Stunden mit den tatsächlich gearbeiteten Stunden überein - etwa wenn Stunden, die am Abend anfallen, auf den nächsten Tag geschrieben werden müssen.

Müller-Chef hat kein Interesse an Zusammenarbeit

Der Chef der deutschen Drogeriekette Müller, Erwin Müller, hat kein Interesse daran, in Österreich mit der Gewerkschaft zusammenzuarbeiten. "Herr Müller teilt uns mit, dass er kein Interesse an einer sozialpartnerschaftlichen Zusammenarbeit hat", berichtet Barbara Teiber, Mitglied der Bundesgeschäftsführung in der Gewerkschaft GPA-djp, am Mittwoch in einer Aussendung.

Die Gewerkschaft hatte sich anlässlich der Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung bei Müller an den Firmenchef persönlich gewandt, um mit ihm konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssituation bei der Drogeriekette in Österreich zu entwickeln. Der Müller-Chef winkte jedoch ab: "Bezugnehmend auf Ihr Schreiben möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich meine Mitarbeiter wie bisher selbst führen werde und bei uns im Aufenthaltsraum rote Kuverts ausliegen, wo jeder MA, wenn er einen Wunsch oder ein Problem hat, an mich direkt schreiben kann..." Diese Zeilen übermittelte Müller Dienstagabend der Gewerkschaft via Fax.

"Auch wenn sich Herr Müller das wünschen würde: mit dem Bild, das die Beschäftigten zeichnen, können wir jedenfalls auf keinen Fall zur Tagesordnung übergehen", so Teiber.

Kommentare