Ministerium hat Trenkwalder im Visier

Blick in ein Lager im Logistik-Zentrum von Amazon in Pforzheim.
Die Kritik am Internet-Versandhändler reißt nicht ab. Nun schaltet sich das Arbeitsministerium in Berlin ein.

Der Internet-Versandhändler Amazon wird in Deutschland wegen seiner Arbeitsbedingungen heftig kritisiert. Der deutsche Enthüllungsjournalist Günter Wallraff warf dem Konzern am Montag "grausamste Arbeitsbedingungen" vor. Das betreffe vor allem Saison- und Leiharbeiter. Für die Rekrutierung der Beschäftigten ist unter anderem die deutsche Tochter der niederösterreichischen Leiharbeitsfirma Trenkwalder zuständig, der nun eine Prüfung vom Arbeitsministerium in Berlin ins Haus steht. Auch ein Lizenzentzug steht im Raum. Trenkwalder selbst wollte sich auch Dienstagfrüh nicht zu den Vorwürfen äußern.

Amazon war in den vergangenen Tagen in die Schlagzeilen geraten, weil eine ARD-Dokumentation über schlechte Arbeitsbedingungen von Saisonarbeitern aus dem Ausland bei dem Versandhändler in Deutschland berichtet hatte. Am Wochenende hatte sich die deutsche Arbeitsministerin Ursula von der Leyen in die Debatte eingeschaltet und der Leiharbeitsfirma Trenkwalder mit einem Lizenzentzug gedroht. Das Ministerium will die Vorwürfe nun prüfen. Selbiges hat auch Amazon angekündigt.

"Über die Arbeiter wird verfügt wie über Leibeigene", sagte Wallraff der Nachrichtenagentur dpa über die Arbeitsbedingungen bei Amazon. Aus Zuschriften von Betroffenen gehe hervor, dass diese von Kameras überwacht, schon bei kleinen Verschnaufpausen zum Vorgesetzten zitiert würden und mit Repressalien rechnen müssten. In Einzelfällen durften Wallraff zufolge Medikamente, die etwa Diabetiker brauchten, nicht mit ins Lager genommen werden.

Sicherheitsfirma gekündigt

In Zusammenhang mit dem umstrittenen Sicherheitsdienst Hensel European Security Services (H.E.S.S.) aus Kassel gibt es hingegen schon erste Konsequenzen, wie süddeutsche.de berichtet. Das Online-Warenhaus hat den Vertrag mit dem Sicherheitsdienst gekündigt. Die Firma, die in ihrer Abkürzung den gleichen Namen wie Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess trägt, soll Kontakte in die Neonazi-Szene haben. Die Securitys sollen vor allem ausländische Arbeitnehmer von Amazon auf Schritt und Tritt kontrolliert haben.

Protest auf Facebook

Tausende Facebook-Mitglieder rufen indes zu einem Kaufboykott bei Amazon auf. "Stellt Eure Mitarbeiter unter fairen Bedingungen ein und ich bestelle auch wieder was!", fordert ein Facebook-User. Andere Nutzer des Sozialen Netzwerks haben aus Protest gleich ihr Amazon-Konto gelöscht. Die Facebook-Seite "AmazonNeinDanke" hatte Montagmittag bereits mehr als 2.000 Unterstützer.

Ministerium hat Trenkwalder im Visier
Die deutsche Zeitarbeitsbranche will unsaubere Praktiken nicht hinnehmen. "Immer dort, wo illegale beziehungsweise unethische Machenschaften im Zusammenhang mit Zeitarbeitseinsätzen praktiziert werden, distanzieren wir uns ausdrücklich hiervon", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Interessenverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ), Werner Stolz. Die Mitglieder des Verbands hätten sich einem Ethikkodex verpflichtet und arbeiteten zudem mit einer Schlichtungsstelle zusammen.

Die deutsche Gewerkschaft ver.di kämpft um höhere Löhne für die fest angestellten Beschäftigten Amazons. An den Standorten Leipzig (Sachsen) und Bad Hersfeld (Hessen) haben erste Gespräche mit dem US-Unternehmen stattgefunden. Man fühle sich stark genug, einen Tarifvertrag durchzusetzen. ver.di verlangt, dass Amazon den Flächentarifvertrag für den Einzelhandel anerkennt. Daraus würden sich deutlich höhere Stundenlöhne ergeben. Bisher orientiere sich das nicht tarifgebundene Unternehmen am Tarifvertrag für die Logistikbranche.

Auch die nordrhein-westfälische Landesregierung fordert Konsequenzen aus dem Fall Amazon und will bei der Bezahlung von Leiharbeitern ansetzen. "Wir wollen erreichen, dass die Leiharbeit neu reguliert wird", sagte NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider von der SPD den Zeitungen der Essener WAZ-Gruppe (Dienstag). "Es muss der Grundsatz gelten: gleiches Geld für gleiche Arbeit."

Harsche Kritik der IG Autoren

Auch die heimische Interessensvertretung "IG Autorinnen Autoren" übt harsche Kritik am Online-Händler Amazon: "Amazon ist alles andere als ein Buchhändler, der dem Buch gerecht wird", heißt es am Montag in einer Aussendung der IG Autoren.

Amazon beanspruche größere Handelsspannen für sich, als sie sonst im Buchhandel üblich sind, schreibt Gerhard Ruiss, Geschäftsführer der IG Autoren Autorinnen. "Seit einiger Zeit" sei bekannt, dass Amazon Niedrigstpreise auch dadurch ermögliche, dass der europäische Firmensitz in ein Steuerparadies (Luxemburg, Anm.) verlegt wurde, "also durch die Nichtentrichtung von Steuern, mit denen andere zur Finanzierung der allgemein notwendigen Aufgaben beitragen".

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