Milliardenfusion als Ausweg: Fiat verhandelt mit Peugeot
Jetzt also Peugeot. Nachdem Fiat Chrysler in der Vergangenheit schon mehrmals in einer Fusion mit einem anderen Autobauer den Ausweg aus der Krise suchte, die Fusionspläne aber immer wieder scheiterten, führt der italienisch-amerikanische Konzern - kurz FCA genannt - jetzt mit Peugeot PSA Fusionsgespräche.
Die Absicht sei, einen weltweit führenden Konzern zu schaffen, teilten der italienisch-amerikanische Konzern und sein französischer Konkurrent am Mittwoch mit. Eine mit der Angelegenheit vertraute Person sagte am Dienstag, aus einem Zusammenschluss könnte ein neuer Autogigant im Wert von 50 Milliarden Dollar (45 Mrd. Euro) entstehen.
Dem Wall Street Journal zufolge könnte die Transaktion komplett als Aktiendeal über die Bühne gehen. An der Wall Street legten die Aktien von Fiat Chrysler 7,6 Prozent zu.
Fiat Chrysler
Fiat Chrysler hat harte Zeiten hinter - und wohl auch noch vor - sich. Den Wandel in der Automobilindustrie hat der italienisch-amerikanische Konzern - kurz FCA genannt - lange verschlafen, bei neuen Technologien zu sehr gezaudert: So baut FCA serienmäßig bisher weder Elektroautos noch Hybrid-Modelle. Eines der Erfolgsmodelle, der Fiat 500 City Car, rollte auch schon vor zwölf Jahren das erste Mal vom Band.
In China, dem größten Automarkt weltweit, ist der siebtgrößte Autobauer so gut wie nicht präsent. Auch in Europa schwächelt das Geschäft. Selbst die sagenumwobene Marke Alfa Romeo hat das Unternehmen bisher nicht sichtbar wiederbeleben können: Im ersten Halbjahr 2019 fielen die Verkaufszahlen von Alfa in Europa um mehr als 40 Prozent. Fiat selbst verkaufte 10 Prozent weniger. Den Gewinn macht Fiat Chrysler in den Staaten: Dank der starken Nachfrage nach seinen Jeep-Geländefahrzeugen und Ram-Pick-ups stammen mehr als 90 Prozent des Gewinns aus dem Nordamerika-Geschäft. Weltweit verkauft FCA weniger als fünf Millionen Autos pro Jahr.
Fiat setzt vieles daran, den Rückstand aufzuholen. Ende Juli begann die Firma, ihr historisches Mirafiori-Werk in Turin für die Herstellung eines Fiat-500-E-Autos auszurüsten. Für fahrerlose Wagen ging FCA eine Kooperation mit der Google-Schwesterfirma Waymo ein.
Ein harter Rückschlag für den Autobauer war der unerwartete Tod des Chefs und Visionärs Sergio Marchionne im Sommer 2018. Marchionne, der auch die Geschicke bei Ferrari lenkte, galt als jene Figur, die Fiat Chrysler in Eigenregie vor dem Bankrott rettete.
Als legendär gilt sein Vortrag aus dem Jahr 2015, bei dem Marchionne beklagt hatte, dass Autobauer zu viel Geld in Forschung und Entwicklung stecken würden. Er forderte, dass Unternehmen fusionieren müssten, um durch Massenproduktion wirtschaftlicher zu werden und ihre Profite zu verbessern. Und das gilt im Falle von FCA ganz besonders: Der Mailänder Zeithistoriker und ehemalige Direktor des Fiat-Archivs, Giuseppe Berta, sieht in einer Fusion bzw. einer Allianz mit einem anderen Autobauer den einzigen Weg für FCA, dringend benötigte Ressourcen zur Entwicklung neuer Technologien und Produkte zu sichern. Denn andernfalls müssten die Investitionen von den Aktionären selbst kommen - einschließlich der Fiat-Gründerfamilie Agnelli. Bisher seien sie dazu aber nicht bereit gewesen, so Berta. Als FCA im vergangenen Mai mit dem Verkauf seiner Tochterfirma Magneti Marelli rund zwei Millionen Euro verdiente, wurde der Erlös aus dem Autoteile-Zulieferer als Dividende an die Aktionäre verteilt, statt sie in Forschung und Entwicklung zu investieren.
Fiat verhandelt mit Peugeot
Fusion also: Mehrmals versuchte Marchionne, bei General Motors anzudocken, blitzte mit seinen wiederholten Heiratsanträgen aber immer wieder ab. Im Juni suchte Fiat schließlich die Nähe zu Renault: "Es war eine großartige Gelegenheit für uns und eine großartige Gelegenheit für Renault," sagte Fiat-Konzernchef Mike Manley damals. Die Pläne scheiterten am Widerstand der französischen Regierung. Man sei zwar weiter von der Logik des Plans überzeugt, allerdings sei klargeworden, dass die politische Situation in Frankreich ein Zusammengehen gegenwärtig unmöglich mache, sagte Manley und zog das 30 Milliarden Euro schwere Angebot zurück.
Peugeot trotz schwacher Nachfrage gut unterwegs
PSA kann die schwache Nachfrage soweit gut kompensieren und trotzt dank gesunkener Kosten und dem Verkauf profitabler SUV der Autokrise. Der PSA-Konzern mit den Marken Peugeot, Citroen und der deutschen Tochter Opel legte im dritten Quartal zu. Der Marktanteil konnte mithilfe neuer Modelle in Europa ausgeweitet werden.
Bei PSA schrumpfte der Absatz im Zeitraum Juli bis September zwar um vier Prozent auf 674.500 Einheiten. Zugleich kletterte der Konzernumsatz um ein Prozent auf 15,6 Mrd. Euro. Das liegt daran, dass Peugeot viele Stadtgeländewagen verkaufte, an denen sich mehr verdienen lässt. "Vive le mix!" ("Es lebe der Produktmix"), schreiben die Analysten von Evercore ISI. Dank des besseren Preismixes machte PSA auch Belastungen durch Währungsschwankungen wett. Evercore ISI geht davon aus, dass PSA einer der wenigen Hersteller sein wird, der den Gewinn im nächsten und übernächsten Jahr trotz der schärferen Klimavorgaben halten oder sogar steigern kann.
Den vergleichsweise hohen Rückgang der Auslieferungen begründete Finanzchef Rovira mit der schwachen Nachfrage in Ländern wie Argentinien und der Türkei sowie der auch hausgemachten Schwäche in China. Dagegen hätten die Verkäufe in Brasilien um mehr als zehn Prozent zugelegt. Zu dem ebenfalls gesunkenen Absatz in Europa habe die Einstellung der Opel-Modelle Karl, Adam und Cascada beigetragen.
China bleibe die größte Baustelle, betonte Rovira. Der Konzern mache dort zwar Fortschritte bei der Restrukturierung. Der Absatzrückgang sei aber noch nicht gestoppt. Allein im dritten Quartal schlugen die Franzosen auf dem weltgrößten Pkw-Markt 40 Prozent weniger Fahrzeuge los als vor Jahresfrist.
Im ersten Halbjahr hatten Synergien durch die deutsche Tochter Opel sowie Vorteile bei der Beschaffung und weitere Einsparungen dafür gesorgt, dass der Betriebsgewinn kräftig stieg. So konnte PSA mit einer Rendite von 8,7 Prozent glänzen, von der selbst Premiumhersteller wegen der schwachen Autokonjunktur nur träumen können.
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