Ohne Mikroelektronik läuft nichts bei der Digitalisierung. Längst sind Chips nicht nur in Computern und Smartphones, sondern auch in Elektrogeräten wie Toastern und Waschmaschinen, in Autos sowieso. Rivalisierende Wirtschaftsmächte nutzen diese Ressourcen, um Druck auszuüben. Zuletzt hat etwa China angekündigt, die Ausfuhr der für die Chip-Herstellung wichtigen Rohstoffe Gallium und Germanium zu beschränken - eine Retourkutsche, nachdem die USA den Export von Hochleistungs-Chips nach China eingeschränkt haben.
Um sich einen Vorteil zu verschaffen - oder zumindest nicht in gefährliche Abhängigkeiten zu geraten - buhlen die USA, Asien und Europa mit vielen Steuermilliarden um die Chip-Hersteller. Allein China will der Branche mit umgerechnet 136 Milliarden Euro unter die Arme greifen. Japan und Südkorea planen Ähnliches. Die USA schnürten ein gut 52 Milliarden Dollar schweres Investitionspaket, die EU hält mit einem eigenen Programm, dem Chips-Act dagegen. Um die europäische Halbleiter-Industrie anzukurbeln, nehmen die EU und die Mitgliedsstaaten bis zu 43 Milliarden Euro in die Hand.
Hier ein Überblick, wie viel Geld die einzelnen Chip-Konzerne in den nächsten Jahren wo investieren.
EUROPA
Intel: Für mehr als 30 Milliarden Euro errichtet der US-Konzern in Magdeburg eine "Megafab". Zehn Milliarden Euro steuert der Bund zu. Darüber hinaus baut Intel im polnischen Breslau ein Werk zum Test und zur Montage von Chips. Hierfür gibt das Unternehmen umgerechnet 4,2 Milliarden Euro aus. Gleichzeitig verhandelt es weiter mit Italien über eine zusätzliche Montage-Anlage.
Infineon: Der Chip-Hersteller erweitert sein Werk in Dresden für fünf Milliarden Euro. Das ist die größte Einzelinvestition der Firmengeschichte. Die neue Fabrik soll 2026 den Betrieb aufnehmen.
Wolfspeed: Im deutschen Saarland zieht der US-Spezialist für Leistungshalbleiter für fast drei Milliarden Euro ein Werk hoch. Die Produktion soll 2027 starten.
Bosch: Der deutsche Autozulieferer baut für drei Milliarden Euro seine Chip-Produktion aus. Dazu sollen die Fabriken in Dresden und Reutlingen bis 2026 erweitert werden.
TSCM: Bei den Verhandlungen über den Bau einer Halbleiterfabrik in Dresden hat Mark Liu, Verwaltungsratschef des weltgrößten Auftragsfertigers, "ein gutes Gefühl". Beim Investitionsvolumen ist eine Summe von zehn Milliarden Euro im Gespräch. Einem Medienbericht zufolge spricht TSMC auch mit Infineon, Bosch und NXP Semiconductor über eine Partnerschaft am geplanten sächsischen Standort.
STMicro: Der französisch-italienische Konzern baut gemeinsam mit dem Auftragsfertiger GlobalFoundries für 7,5 Milliarden Euro ein Werk im Südosten Frankreichs. Der Staat gibt 2,9 Milliarden Euro dazu. Außerdem entsteht in Sizilien eine weitere Fabrik für Siliziumkarbid-Chips. Von den Kosten in Höhe von 730 Millionen Euro übernimmt Italien 292,5 Millionen Euro. Der Bau soll bis 2026 fertiggestellt sein.
NORDAMERIKA
Intel: Der Konzern will umgerechnet bis zu 92 Milliarden Euro in die wahrscheinlich weltgrößte Chipfabrik im US-Bundesstaat Ohio stecken. Außerdem sind zwei neue Werke in Arizona im Bau.
TSMC: In Arizona investiert das taiwanische Unternehmen umgerechnet 37 Milliarden Euro. Das Werk soll 2024 den Betrieb aufnehmen.
Wolfspeed: Für umgerechnet mehrere Milliarden Euro soll in North Carolina eine Produktionsanlage für Siliziumkarbid-Wafer entstehen. Aus diesen werden spezielle Computerchips für Elektroautos hergestellt.
Micron: Innerhalb der kommenden zwei Jahrzehnte will der Speicherchip-Anbieter umgerechnet bis zu 92 Milliarden Euro in eine Fabrik im US-Bundesstaat New York investieren. Dazu kommen Ausgaben von 14 Milliarden Euro für ein Werk in Idaho.
GlobalFoundries: Das Unternehmen erweitert seine Zentrale im US-Bundesstaat New York um ein zweites Werk. Außerdem steckt es umgerechnet eine knappe Milliarde Euro in den Ausbau der Kapazitäten an bestehenden Standorten.
Texas Instruments: Der Chip-Konzern baut an mehreren Orten in den USA Produktionsstätten für Wafer auf, die als Rohstoff für die Prozessor-Herstellung dienen.
Samsung: Im US-Bundesstaat Texas will der südkoreanische Elektronikkonzern künftig Spezialchips für Mobilfunk und künstliche Intelligenz (KI) produzieren. Dafür nimmt Samsung umgerechnet mehr als 15 Milliarden Euro in die Hand.
SkyWater: Gemeinsam mit der Universität Purdue baut der Chip-Auftragsfertiger eine Forschungs- und Produktionsanlage in Indiana auf. Die Kosten hierfür lägen bei umgerechnet 1,7 Milliarden Euro.
ASIEN
Intel: Die US-Firma will ihre bisherigen Investitionen von umgerechnet 1,4 Milliarden Euro in Vietnam deutlich erhöhen. Mit dem Geld solle das dortige Test- und Montagewerk erweitert werden.
TSMC: Ab 2024 produziert der Konzern in einem umgerechnet 6,4 Milliarden Euro teuren Werk auf der japanischen Insel Kyushu Prozessoren mit Strukturgrößen von zwölf und 16 Nanometern. Einem Medienbericht zufolge sollen ab der zweiten Hälfte des laufenden Jahrzehnts in einem zweiten Werk hochmoderne Chips mit Strukturgrößten von fünf bis zehn Nanometern gefertigt werden. Hierfür stellte die Regierung in Tokio umgerechnet etwa drei Milliarden Euro an Hilfen in Aussicht.
Samsung: Auf Initiative der südkoreanischen Regierung investiert das Unternehmen bis 2042 umgerechnet etwa 183 Milliarden Euro in die Chip-Produktion in seinem Heimatland. Insidern zufolge ist zudem eine Anlage zum Test von Halbleitern in Japan geplant. Für Letztere könnte der japanische Staat umgerechnet knapp 100 Millionen Euro zuschießen.
Foxconn: Der wichtige Apple-Zulieferer baut für umgerechnet etwa 18 Milliarden Euro im indischen Bundesstaat Gujarat ein Werk für Computerchips und -bildschirme auf. Hierfür tut er sich mit dem indischen Mischkonzern Vedanta zusammen.
Micron: Für umgerechnet 554 Millionen Euro erweitert der US-Konzern sein Montagewerk im chinesischen Xian.
STMicro: Gemeinsam mit der chinesischen Firma Sanan will der europäische Konzern Siliziumkarbid-Chips produzieren. Das Werk entsteht im chinesischen Chongqing.
Rapidus: Der staatliche japanische Konzern hat den Bau eines Halbleiterwerks in der Industriestadt Chitose auf der Insel Hokkaido angekündigt. Gemeinsam mit dem US-Konzern IBM arbeitet er zudem an Chip-Prototypen mit einer Strukturgröße von zwei Nanometern. Die Firma hat sich bereits umgerechnet 449 Millionen Euro an staatlichen Geldern gesichert. Medienberichten zufolge könnten noch einmal knapp zwei Milliarden Euro hinzukommen.
Kritik an Subventionswettlauf
Ökonomen stellen den Subventionswettlauf infrage. "Das Geld wäre definitiv besser angelegt in Bildung als für solche Prestigeprojekte", kritisierte Stefan Kooths, Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). "Bildungsrenditen sind ungleich höher als die jeder Sachkapitalinvestition."
Außerdem sei das Arbeitsplatzargument "Augenwischerei". Intel ziehe zwar gut qualifizierte Beschäftigte an, diese würden aber auch woanders unterkommen.
"Der 'Chips Act' bringt zwar Hersteller nach Europa, aber dennoch werden noch viele Produkte von außerhalb zugekauft", sagt Analyst Alan Priestley von der Beratungsfirma Gartner. "Außerdem müssen die Prozessoren zur Weiterverarbeitung und zum Einbau in die fertigen Produkte wieder verschifft werden." Auch Oliver Blank, Bereichsleiter Global Affairs beim Verband der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI, weist auf diesen Aspekt hin. "Bevor ein Chip irgendwo eingebaut wird, ist er rechnerisch zweieinhalb Mal um die Welt gereist."
Die größte Herausforderung für die Chip-Industrie sei aber der Fachkräftemangel, erläutert Gartner-Experte Priestley. Jede Fabrik benötige 3.000 bis 5.000 Hochqualifizierte. Da es fraglich sei, ob an deutschen Fakultäten genügend Menschen ausgebildet werden könnten, müssten Spezialisten aus dem Ausland angeworben werden. Stefan Kooths, Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), hatte unlängst zudem gewarnt, dass Konzerne wie Intel kleineren deutschen Unternehmen die Mitarbeiter abjagen könnten.
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