Die Rabatte gehen zurück, die Zahl der Angebote wird kleiner und die Lieferzeiten werden deutlich länger: Der Mangel an Halbleitern und Mikrochips beeinträchtigt seit neun Monaten die Automobilindustrie massiv. Die Krise schlägt nun auch auf den österreichischen Markt durch. So hat das BMW Motorenwerk in Steyr 800 der 4.400 Mitarbeiter zur Kurzarbeit angemeldet. Bei dieser Kurzarbeit der Phase 5 werken die BMW-Facharbeiter nur 50 Prozent der normalen Arbeitszeit, sprich es entfallen Schichten. Die Kurzarbeit in Steyr dürfte längstens bis Ende des Jahres laufen.
„Wir gehen davon aus, dass es im zweiten Halbjahr 2021 weiterhin bei den Halbleitern eine angespannte Versorgungslage gibt“, sagt BMW-Steyr-Sprecher Philipp Käufer zum KURIER. Doch auch das frühere MAN-Lkw-Werk in Steyr, das ab heute unter Steyr Automotive firmiert und einer Firma von Ex-Magna-Chef Siegfried Wolf gehört, ist betroffen.
„Gestern, Mittwoch, wurde beim AMS in Steyr die Kurzarbeit beantragt, das hat noch MAN gemacht“, bestätigt Wolfs Sprecher Josef Kalina im Gespräch mit dem KURIER. „Der Standort bleibt ab Freitag eine Woche zu, es gibt einen Produktionsstillstand wegen nicht verfügbarer Chips.“
Doch auch weitere heimische Autozulieferer peilen wegen den Problemen bei den Lieferketten Arbeitszeit-Beihilfen an. Dazu muss man wissen, dass die österreichische Autozulieferindustrie aus 900 Unternehmen mit 81.000 Mitarbeitern besteht, die rund 28 Milliarden Euro umsetzen.
„Wir gehen davon aus, dass einige Zulieferer in den nächsten Tagen Kurzarbeit beantragen werden“, sagt Clemens Zinkl, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Automotive Zulieferindustrie in der Wirtschaftskammer. „Unsere Betriebe erhalten Bauteile nicht, weil die Chips fehlen.“ Folglich rufen Autobauer auch lieferbare Bauteile nicht ab, wenn andere Bauteile fehlen. „So einen Engpass hat es zuvor noch nie in der Autoindustrie gegeben, er wird auch nächstes Jahr noch anhalten“, sagt der deutsche Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer.
Hausgemacht
Ursache des Chipmangels seien u. a. Produktionsausfälle durch Werksbrände und coronabedingte Lockdowns, die erhöhte Nachfrage nach Computern und Kommunikationselektronik durch den Homeoffice-Boom sowie Fehler bei den Chips-Bestellungen durch die Autoindustrie selbst.
„Letztes Jahr im November sind in China die ersten Engpässe aufgetreten“, sagt Dudenhöffer zum KURIER. „Die Autobauer haben ehrlich gesagt geschlafen, sie planen in ihren Einkaufsabteilungen zu kurzfristig.“ Eine weitere branchenspezifische Ursache ortet Stephan Zöchling, der Chef des steirischen Auspuffsystem-Herstellers Remus.
„Der Chipmangel ist auch eine hausgemachte Geschichte. Die Autoindustrie hat die Chipindustrie in den vergangenen Jahren so stark in den Preisen gedrückt, dass ihnen das nun auf dem Kopf fällt“, sagt Zöchling zum KURIER. „Die Chipindustrie wendet sich nun dorthin, wo sie gute Preise erzielt, und das ist die Unterhaltungs- und Kommunikationsindustrie.“
Auch für Günther Kerle, der Sprecher der österreichischen Automobilimporteure, ist die aktuelle „Situation kritisch“. „Wir haben bei bestimmten Marken und Modellen mittlerweile Lieferzeiten von 12 bis 16 Monaten“, sagt Kerle. Normalerweise betragen die Lieferzeiten bloß zwei bis vier Monate.
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