Konzerne verklagten Staaten bisher auf 857 Milliarden Dollar

Demonstration gegen den Energiecharta-Vertrag in Brüssel, 2021
Insgesamt 857 Milliarden Dollar (788 Mrd. Euro) haben Konzerne bisher vor internationalen Schiedsgerichten von Staaten eingefordert, vermeldet die Nichtregierungsorganisation Attac. Sie beruft sich dabei auf die Transparenzdatenbank Global ISDS Tracker, die die Nichtregierungsorganisationen PowerShift, Transnational Institute und Trade Justice Movement erstellt haben.
Insgesamt 114 Milliarden Dollar (105 Mrd. Euro) wurden den Konzernen dabei bisher zugesprochen, mit Ausnahme eines Falls aus den 1980er Jahren im Zeitraum seit 1993.
"Die Daten bestätigen, dass ISDS ein Geheimwerkzeug der fossilen Industrie gegen Klimaschutzgesetze ist", sagte Tom Wills vom Trade Justice Movement. Mehr als 300 Milliarden Euro haben Öl- und Gasunternehmen laut der Datenbank bisher eingeklagt. Auch Bergbauunternehmen machen vermehrt davon Gebrauch, ihre Forderungen gegen Staaten summieren sich auf 142,5 Mrd. Euro.
Globaler Süden stärker betroffen
Insbesondere gegenüber ärmeren Ländern wirken diese Verfahren auch einschüchternd, kritisieren die NGOs. Alleine dadurch würde die Energiewende verzögert. "Die Länder des globalen Südens sind die Hauptopfer von ISDS, während hauptsächlich Investoren aus Europa und Nordamerika davon profitieren", sagt Fabian Flues von PowerShift.
Im internationale Recht gibt es Schiedsverfahren zwischen Investoren und Staaten (engl.: Investor-state dispute settlement, kurz ISDS). Voraussetzung dafür ist, dass der jeweilige Staat diese internationalen Schiedsgerichte anerkannt hat, was typischerweise im Zuge von Freihandelsabkommen festgeschrieben wird. Es gibt auch Schiedsverfahren zwischen Unternehmen, aktuell zum Beispiel zwischen OMV und Gazprom.
Den Unternehmen soll dadurch Rechtssicherheit bei internationalen Investitionen gewährt werden - um sie vor dem Zugriff des Staates zu schützen, der etwaig von den nationalen Gerichten gestützt wird. Diese Regelungen kamen zunehmend in die Kritik, weil sie den Handlungsspielraum der Politik beschränken. Das betrifft etwa Entscheidungen zum Umwelt- und Klimaschutz, wenn diese den Interessen von Energiekonzernen zuwiderlaufen.
Dass die Schiedsverfahren auch reiche Länder treffen, zeigen Beispiele wie etwa Vattenfall gegen Deutschland (1,56 Mrd. Euro) oder das des niederländischen Versicherers Eureko gegen Polen (4 Mrd. Euro).
Österreich bleibt im Energiecharta-Vertrag
Die meisten Verfahren im Energie-Bereich basieren auf dem Energiecharta-Vertrag (Energy Charter Treaty, kurz ECT). Dieser wurde nach dem Kalten Krieg geschlossen und sollte westlichen Energiekonzernen das Engagement in den ehemaligen Staaten der Sowjetunion ermöglichen - und dadurch deren Integration in den internationalen Energiemarkt. Auf dieser Basis klagten unter anderem die deutschen Energiekonzerne RWE und Uniper die Niederlande wegen des Ausstiegs aus der Kohleverstromung.
In den vergangenen Jahren mehrte sich die Kritik am ECT, mehrere Staaten sind inzwischen ausgestiegen. Vor kurzem hat auch die EU den Austritt aus dem ECT besiegelt, dabei gibt es allerdings zwei Probleme. Erstens können die EU-Staaten trotzdem weiterhin Mitglied bleiben. In Österreich will Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) austreten, einen Konsens in der Regierung bzw. mit der ÖVP gibt es aber nicht - das Land bleibt also voraussichtlich Mitglied.
Zweitens beinhaltet der ECT eine sogenannte "Sunset-Klausel", nach der noch 20 Jahre nach Austritt Ansprüche geltend gemacht werden können. Das erklärt sich daraus, dass die oftmals sehr hohen Investitionen in Energie-Projekte langfristig angelegt sind. Austretende Staaten können sich darauf einigen, diese Klausel untereinander aufzuheben - allerdings nur gegenseitig.
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