Kommen jetzt Sparpakete? Wege aus der Schuldenfalle
Aufgrund des niedrigen Zinsniveaus und der guten Beurteilung Österreichs durch internationale Ratingagenturen, kann sich die Republik derzeit sogar Geld zu Negativzinsen leihen. Das heißt, dass die Gläubiger dabei ein wenig Geld verlieren. Viele Investoren, wie zum Beispiel Rentenfonds und Lebensversicherer, nehmen aber den geringen Wertverlust in Kauf, weil sie ihr Geld sicher anlegen müssen und alternative Investments derzeit rar sind.
Für Hans Pitlik, Ökonom am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) ist diese Situation jedoch ein „zweischneidiges Schwert“. Kurzfristig gebe es angesichts der Nullzinspolitik kein Problem, es sei aber nicht damit zu rechnen, dass die Zinsen dauerhaft so niedrig bleiben. Hohe Staatsschulden sind demnach ein Unsicherheitsfaktor, das Problem werde gegebenenfalls erst in ein paar Jahren sichtbar.
Ab welchem Punkt die Zinslast wieder steigt, und die Schuldenlast zu drücken beginnt, ist nicht zu prognostizieren. Es gibt jedenfalls verschiedene Wege, mit hohen Staatsschulden umzugehen.
- Schulden mit höherer Inflation bekämpfen
Verliert das Geld an Wert, so reduziert sich auch die Höhe der Schuldenlast automatisch. Ein historisches Beispiel dafür sind Deutschland und Österreich in den frühen 1920er Jahren. Bereits während des Ersten Weltkriegs weiteten sie die Geldmenge aus, um den Krieg zu finanzieren. Die Inflation reduzierte nach Kriegsende zwar die Schuldenlast, geriet aber außer Kontrolle und führte zur Hyperinflation von 1923. Diese führte zur Vernichtung der privaten Vermögen und zu Verarmung weiter Bevölkerungsschichten.
Unabhängig davon, inwieweit eine Inflationsspirale kontrolliert werden kann, ist die Bekämpfung der Staatsschulden durch Inflation derzeit für Experten kein gangbarer Weg. Die Eurozone erreicht nicht einmal ihr Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent. In Anbetracht der Corona-Krise sieht der Ökonom Philipp Heimberger vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) eher die Gefahr der Deflation. Zwar habe sich die Bilanzsumme der EZB vervielfacht. Da die Nachfrage nach Krediten gering ist, komme das Geld aber nicht in der Realwirtschaft an.
- Munter weiter Schulden anhäufen
Laut den Anhängern der Modern Monetary Theory sind hohe Schulden per se kein Problem, weil die Staaten ja souverän Geld „schöpfen“ können. Als ein Beispiel dafür gilt Japan, das trotz einer Schuldenquote von über 200 Prozent hohen Wohlstand genießt. Pitlik weist darauf hin, dass Japan im Gegensatz zur Eurozone aber ein Nationalstaat ist und keine Währungsunion. Die Notenbank unterliegt dort stärker dem Druck einer Regierung und kann bei Bedarf weiterhin Geld drucken, um die Zinslast zu drücken.
In der Eurozone würde diese Politik voraussichtlich an Deutschland sowie wohlhabender kleiner Staaten, darunter auch Österreich, scheitern. Außerdem, erklärt Pitlik, schränke eine hohe Verschuldung den Handlungsspielraum ein und mache anfällig für zukünftige Krisen, die vielleicht ebenso unvorhergesehen auftreten wie die Corona-Pandemie.
- Ein Sparkurs wie in Griechenland
Um die Schulden schnell zurückzuzahlen, kann ein Staat seine Ausgaben drastisch reduzieren und so einen Budgetüberschuss erwirtschaften. Diese Vorgehensweise birgt allerdings die Gefahr, die Konjunktur abzuwürgen.
Kürzt der Staat Unterstützungsleistungen und Gehaltszahlungen, wirkt sich das negativ auf den Konsum aus. Spart er bei der Infrastruktur, sinkt die Beschäftigung. Griechenland ist für WIIW-Experte Heimberger ein solches Negativbeispiel. Die Evaluierungsberichte würden zeigen, dass die Konsolidierung ab Mitte 2010 kontraproduktiv war, weil sie die wirtschaftliche Erholung erschwert habe. Die Folge war eine Verschärfung der griechischen Rezession, durch die die Staatsschuldenquote noch weiter angestiegen sei.
Auch Pitlik plädiert nicht für eine schnelle Konsolidierung. Seiner Einschätzung nach kann es mindestens 15-20 Jahre dauern, bis die Staatsschuldenquote Österreichs wieder bei den in den EU-Fiskalregeln verlangten 60 Prozent liegt.
- Herauswachsen aus den Schulden
Der sprunghafte Anstieg der Haushaltsdefizite in ganz Europa ist nach der Einschätzung Heimbergers zu groß, um direkt wieder konsolidiert zu werden. Für ihn wäre es deswegen ein „pragmatischer Umgang“, die neuen Schulden möglichst langfristig zu finanzieren und durch permanentes Überwälzen – also neue Staatsanleihen zur Bedienung der alten – immer weiter in die Zukunft zu schieben. Die Schulden würden damit zwar nicht verschwinden, aber die Staatsschuldenquote würde relativ zur Wirtschaftsleistung absinken. So könne Österreich aus seinen Schulden wieder herauswachsen. Der Fokus des Staates muss dabei auf der konjunkturellen Erholung liegen.
- Oder droht ein Staatsbankrott?
Wenn Staaten ihre Schulden nicht mehr bedienen können, sind sie zahlungsunfähig, ja pleite. Sie verschwinden deshalb aber nicht von der Landkarte, sondern müssen sich mit ihren Gläubigern auf Umschuldungspläne einigen. Alte Zahlungsverpflichtungen werden in neue umgewandelt, typischerweise mit Abschlägen oder längeren Laufzeiten (Beispiel: Argentinien). Die Gläubiger verlieren dabei einen Teil ihres Investments. Insbesondere in einem Währungsraum wie der Eurozone wäre bei Zahlungsausfällen mit Domino-Effekten zu rechnen.
Die ehemalige Troika, inzwischen zur Quadriga aus EZB, Internationalem Währungsfonds (IWF), der EU-Kommission und Europäischem Stabilitätsmechanismus (ESM) erweitert, verhandelt im Fall des Falles mit angeschlagenen Eurostaaten über Kreditprogramme und damit verbundene Auflagen. Wie bei Griechenland ab 2010 sichtbar wurde, bedeutet das eine massive Beschneidung der staatlichen Souveränität.
Griechenland musste unter anderem Staatsbesitz privatisieren und sein Pensionssystem reformieren. Die befragten Experten halten Staatsbankrotte in der Eurozone unter anderem deshalb für keine realistische Option. Pitlik schätzt, dass die EZB im Zweifelsfall ihre Anleihenkäufe weiter aufstocken würde.
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