Warum Kohle immer noch 7,7 Prozent des Energiebedarfs deckt
Wenn man sich ansieht, welche Energieträger den Energiebedarf in Österreich aktuell decken, so ist der immer noch hohe Anteil fossiler Brennstoffe auffällig. Ins Auge dabei sticht aber auch der Anteil von Kohle, der 7,7 Prozent beträgt. Zum Vergleich: Windräder und Photovoltaik liefern derzeit gemeinsam nur die Hälfte davon. Im Alltag spielt Kohle für die meisten Österreicher keine Rolle mehr, aus Kohle wird auch kein Strom mehr produziert. Wo wird also all die Kohle verwendet, die im Land offenbar immer noch benötigt wird, und woher kommt sie?
Nur noch 0,08 Prozent aller Heizungen
"Mutter, der Mann mit dem Koks ist da", hieß es noch bis vor gar nicht so langer Zeit in vielen Haushalten (und in einem Lied von Falco). Mit Kohle oder dem daraus gemachten Koks wurden früher viele Wohnungen geheizt. Heute heizen nur noch 0,08 Prozent aller Haushalte mit dem schwarzen Brennstoff. Das letzte Kraftwerk, das Kohle verheizte, stellte 2020 den Betrieb ein und wurde trotz Ideen dafür auch während der jüngsten Energiekrise nicht mehr reaktiviert. Abgebaut wird Kohle in Österreich schon seit den 2000er-Jahren nicht mehr.
Um die Gesundheit, die Umwelt und das Klima zu schützen, wurde in Österreich und vielen anderen Ländern der "Kohleausstieg" beschlossen. Im privaten Bereich hatte dies einen spürbaren Effekt. "Mein Geschäft mit fossilen Brennstoffen ist seit 2008 um 99 Prozent zurückgegangen", erzählt Kohlehändler Wolfgang Rothauer dem KURIER. Der "Kohlenbaron" konzentriert sich nun auf Holzpellets. Dennoch werden jährlich Millionen Tonnen Kohle importiert und verbrannt, und zwar für die heimische Industrie.
Kohlekessel durch Biomasse ersetzt
Gebraucht wird die Kohle vor allem noch für industrielle Prozesse. "Kohle wird heute kaum mehr direkt in Energie umgewandelt", sagt Bernhard Windsperger vom Institut für industrielle Ökologie/BioBASE. "Früher war das in der Industrie weit verbreitet. Heute sind die Kohlekessel großteils auf Biomasse umgestellt." Ein Unternehmen, das Kohle noch zur Prozesswärmeerzeugung nutzt, ist beispielsweise Spezialfaserhersteller Lenzing. Für einen einzigen Kessel benötige man Kohle derzeit noch. Der soll aber ersetzt werden. Lenzing will im Rahmen seiner Nachhaltigkeitsstrategie generell immer weniger fossile Energieträger (auch Erdgas) verwenden.
Reduktionsmittel für die Stahlerzeugung
Der zweite große Einsatzbereich liegt in der Stahlerzeugung. "Dort braucht man Koks als Reduktionsmittel. Bis jetzt hat man noch kein anderes gefunden", sagt Windsperger. Bergbautechniker Michael Tost von der Montanuniversität Leoben erklärt, was in Hochöfen mit dem Koks passiert: "Dort kommt Eisenerz rein. Das ist ein Oxid. Den Sauerstoff möchte man vom Eisen trennen. Durch Energiezufuhr nimmt der Kohlenstoff im Koks den Sauerstoff auf. Am Ende dieser Reaktion haben sie reines Eisen und Kohlendioxid."
Die Voestalpine ist wohl der größte einzelne Kohleabnehmer des Landes, hält sich zu dem Thema aber äußerst bedeckt. Laut Tost wird intensiv daran geforscht, den Kohlenstoff im Hochofen zu ersetzen, etwa durch Wasserstoff. Solange es hier keine Lösung im Industriemaßstab gibt, wird weiterhin Kohle benötigt. "Auch erforscht wird, dass man Pflanzenkohle heranzieht, die einen biobasierten Ursprung hat und mittels Pyrolyse hergestellt wird", erklärt Windsperger.
Kohle in solchen Mengen, wie sie die Stahlerzeugung benötigt, erhält man dadurch aber wohl kaum. Pflanzenkohle ist es im übrigen auch, womit in Österreich viele Griller betrieben werden.
Woanders wäre es noch schlimmer
Die Art, wie Kohle in der heimischen Stahlerzeugung verwendet wird und wie Abgase von Schadstoffen befreit werden, sei vergleichsweise effizient, sagt Windsperger. "Wir befinden uns momentan in einem Bereich, wo wir fast alles reduziert haben, was reduziert werden kann. Man könnte sich nur noch dazu entschließen, Eisen gar nicht mehr selbst zu erzeugen." Dadurch könnte sich Österreich zwar CO2-Emissionen ersparen. Eisen und Stahl würden dann aber anderswo unter schlechteren Bedingungen erzeugt werden. "Global betrachtet wären die Emissionen dadurch sicher höher."
Steigender Bedarf in Asien
Weltweit ist Kohle ein Rohstoff, der gefragt ist wie nie. Laut der Internationalen Energieagentur geht die Nutzung in Europa und den USA rasant zurück. In Österreich und vielen anderen "westlichen" Ländern sinkt die Nachfrage etwas langsamer. In China, Indien oder Indonesien steigt die Nachfrage jedoch so stark, dass der Kohlekonsum auf einem Rekordniveau ist. Die drei Länder sind auch die größten Kohleproduzenten.
Import aus Australien und USA
Österreich bezog einen großen Teil seiner Kohle bisher aus Russland. Nach dessen Angriff auf die Ukraine wurde die Kohle nun großteils in Polen eingekauft. Kohle wird aber auch von wesentlich weiter entfernten Ländern importiert, allen voran USA und Australien. "Kostenmäßig zahlt sich das trotz der großen Distanz wohl aus", sagt Bergbauexperte Michael Tost von der Montanuni Leoben. "Ein anderer Faktor ist die Qualität. Aus bestimmten Abbaugebieten bekommt man etwa Kohle mit besonders wenig Schwefel- oder Quecksilberanteil." Im Vergleich zur Verbrennung der Kohle mache der CO2-Aufschlag durch den längeren Transport einen wahrscheinlich geringen Anteil aus.
Kohlestrom weit verbreitet
Während Kohle für die Stromversorgung in Österreich kaum noch eine Rolle spielt (ein bisschen schon noch, denn Kohlestrom wird importiert), sieht es weltweit ganz anders aus. Mit Kohle wurde 2023 immer noch mehr Strom produziert als mit erneuerbarer Energie. Bis 2030 soll die Kohlestromproduktion zwar etwas sinken, aber CO2-Reduktionen kommen damit kaum vom Fleck. Die weltweite Nachfrage nach Öl, Kohle und Erdgas soll laut der Internationalen Energieagentur (IEA) soll 2030 ihren Höhepunkt erreichen, aber danach nur langsam zurückgehen. Dadurch befinde sich die Welt auf einem Pfad Richtung 2,4 Grad Temperaturanstieg bis 2100.
Laut der IEA hängt das Geschick der weltweiten Energieerzeugung zunehmend von China ab. Nirgendwo wird mehr für den Erneuerbaren-Ausbau und Elektromobilität getan, gleichzeitig gibt es nirgendwo mehr Nachfrage nach fossilen Brennstoffen.
Kommentare