
Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP)
© Kurier/Gerhard Deutsch
Köstinger: EU-Agrarreform mit "großem Wermutstropfen"
Wer viel Land oder Vieh hat, bekommt aus Brüssel weiter viel Geld ohne Umweltleistungen. Warum Ministerin Köstinger in der EU-Agrarreform dennoch einen "großen Schritt" und Wege für mehr Klimaschutz sieht.
Nach jahrelangem Streit ist sie da – die Einigung darüber, wie Europas gemeinsame Agrarpolitik (GAP) aussehen soll. Fast 400 Milliarden Euro – der größte Posten im EU-Budget – werden bis 2027 an die Landwirte überwiesen. Am Montag werden die EU-Agrarminister, darunter Österreichs Ministerin Elisabeth Köstinger, in Luxemburg ihre Zustimmung geben.
Diese gewaltigen Subventionen werden die Landwirtschaft in Europa aber nicht grüner machen, kritisieren Umweltverbände, Klimaforscher und Opposition: Drei Viertel der Förderungen kämen auch künftig der Intensivlandwirtschaft zugute, ohne dass mehr für die Umwelt getan werden müsse.
Köstinger (ÖVP) widerspricht: Sie sieht in der EU-Agrarreform „einen großen Schritt in die richtige Richtung, aber noch keinen Systemwechsel, um die Landwirtschaft in Europa in Summe ökologischer zu gestalten.“
KURIER: Wird es Bienen, Rebhühner und überhaupt die Artenvielfalt in sieben Jahren – wenn die nun ausverhandelte Agrarreform ausläuft – noch geben?
Elisabeth Köstinger: Auf jeden Fall! Aber es braucht schon auch vonseiten der Landwirtschaft Anstrengungen und Maßnahmen. Die jetzige Einigung ist ein Öko-Meilenstein für die europäische Agrarpolitik. Über die neuen , sogenannten „Ökoschemen“ haben wir ein verpflichtendes Modell gefunden, wo in ganz Europa mehr Umweltschutz auf die Felder muss.
In Österreich wird das zum Teil ja schon lange umgesetzt: sehr viel Grünland, sehr viel Almwirtschaft, sehr hoher Bioanteil. Unsere Bauern erfüllen also schon, was viele in Europa jetzt zum ersten Mal umsetzen müssen. Manche Staaten haben sich mit Händen und Füßen gegen eine stärkere Ökologisierung gewehrt.
Was nun "Ökoschemen" sind, hieß früher "Greening". Was ist nun also anders ?
Ein Viertel der Direktzahlungen an die Landwirte ist jetzt verpflichtend an konkrete Umwelt-Auflagen gebunden: 72 Milliarden Euro werden direkt in Umwelt- und Klimamaßnahmen fließen. Bracheflächen, Grünstreifen, Bodenschutzmaßnahmen und vieles mehr. Und zusätzlich zu den „Öko-Reglungen“ gibt es ein verstärktes Greening bzw. die neue Konditionalität.
Der EU-Rechnungshof kritisiert, dass 100 Milliarden Euro an Klimaschutzmaßnahmen in der EU bisher wenig gebracht haben. Auch in Österreich seien die Co2-Emissionen im Agrarsektor von 2010-2018 gestiegen.
Da muss ich widersprechen. Der Rechnungshof hat nur drei Maßnahmen miteinberechnet, aber wir haben viele Maßnahmen mehr gesetzt: In Österreich beträgt der Co2-Ausstoß der Landwirtschaft derzeit zehn Prozent an den gesamten Emissionen. Und im Agrarsektor sind die Emissionen seit 1990 um 14 Prozent gesunken, während sie sich etwa im Bereich der Mobilität verdoppelt haben.Was ändert sich mit der EU-Agrarreform für die österreichischen Bauern? Wo müssen sie punkto Klimaschutz nachlegen?
Wir stehen vor der großen Herausforderung, unsere Leistungen, die wir ja schon erbringen, in diesem neuen Schema der EU-Agrarpolitik anrechnen zu lassen. In der Umsetzung haben sich jetzt die Vorgaben verkompliziert. Aber wir werden alles dafür tun, dass unsere Bäuerinnen und Bauern nicht in Bürokratie ersticken.

Wir in Österreich werden zudem ein neues Ökoprogramm erarbeiten. Mein Augenmerk liegt dabei besonders auf stärkern Tierschutz und Tierwohl. Das würde bedeuten – mehr offene Ställe und damit auch mehr Weidehaltung. Ein weiterer Fokus liegt auf Boden- und Humusaufbau.
Wie viele heimische Bauern sind auf die Förderungen aus der EU angewiesen?
Nahezu alle. Diesen Förderungen stehen aber immer auch sehr konkrete Leistungen gegenüber bzw. werden damit niedrige Lebensmittelpreise ausgeglichen. Die Zahlungen aus Brüssel machen im Schnitt mehr als die Hälfte des landwirtschaftlichen Betriebseinkommens in Österreich aus.
Als größte Bremse für eine Kurswende in der EU-Agrarpolitik gelten die Direktzahlungen – und das ohne Obergrenze. Wer viel Land oder Vieh besitzt, bekommt weiterhin viele Millionen an Förderungen. Warum war das nicht zu ändern?
Das ist leider auch für mich ein großer Wermutstropfen, weil ich immer für verpflichtende Obergrenzen eintrete. Sie würden viel mehr Wettbewerbsgleichheit in die europäische Landwirtschaft bringen.
In Österreich sind die Strukturen relativ klein – auf der anderen Seite gibt es riesengroße Agrarplayer, die trotzdem Millionenzahlungen kassieren. Aber diese Entscheidung ist an den großen, agrar-produzierenden Ländern gescheitert.
Dabei wäre die Zeit längst reif, mehr die Qualitätsproduktion zu fördern und weniger die Massenproduktion.
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