Vinyl-Comeback: Wie TikTok den Schallplatten-Verkauf beeinflusst
„Wir haben alles. Außer Volksmusik,“ sagt Susie Flowers und legt eine neue Platte auf: diesmal Funk. Vinyl-Schallplatten sind laut einer Aussendung der Wirtschaftskammer Wien wieder zurück. Und mit ihnen auch die Plattengeschäfte. Rund 30 soll es aktuell in Wien geben.
Die Verkaufszahlen sind, wie Richard Winter, Sprecher der Wiener Tonträgerhändler sagt, wieder auf dem Niveau der 1990er-Jahre. Das kann Flowers nur bestätigen. Seit sie bei SingSing Records angefangen hat, tauchen tatsächlich mehr Leute auf.
Vor allem Jugendliche zieht es stärker in die Plattenläden. TikTok spiele dabei eine überraschend große Rolle: „Grover Washingtons ,Just the two of us’ war vor Kurzem fast ausverkauft. Wir haben uns gewundert, warum ausgerechnet die Jazz-Platte bei Jugendlichen so gut geht.“ Ein TikTok-Trend war der Grund, wie sich später herausstellte.
Aber was ist so toll an Vinyl?
„Ich kenne mich damit nicht aus“, sagt eine Kundin. Ihr Mann stöbert neben ihr in der Beatles Abteilung. „Mein Mann sucht die gute Musik und ich sitze im Wohnzimmer und genieße sie.“ Susie Flowers meint, dass die Haptik und das schöne große Cover ausschlaggebend sind: „Bei Schallplatten kann man Lieder nicht so leicht überspringen. Man hört sie deswegen bewusster.“ Sie reicht ein „The Smiths“ Album rüber.
„Greif es einmal an. Wenn man das in einem CD-Booklet lesen müsste, bräuchte man eine Lupe“, sagt ihr Kollege. Mit offenem Pilz-Hemd, einem gelben Jimi-Hendrix-Shirt und blauen Glockenhosen durchforstet Flowers die Platten, die eben von einem jungen Mann hereingetragen wurden.
„Bei uns gibt es das, was wir reinkriegen. Wir bekommen viel geschenkt, wenn Leute ihre Sammlungen auflösen.“ Jene Schallplatten, die sie behalten, werden mit einer speziellen Maschine geputzt, damit sie wieder „wie ein Hutschpferd glänzen“.
Denn Schallplatten sind ein Prestige-Objekt. „Eine MP3-Sammlung kannst du keinem Mädel zeigen, aber eine Plattensammlung kommt immer gut an,“ sagt ihr Kollege.
So sieht es auch Hans-Jörg Lauermann. Im gehört das Record Shack, ein Laden im fünften Wiener Bezirk. Schallplatten seien ein Lifestyle: „Bei Einführung der CD wurde Kunden eingeredet, dass dieses Format besser klingt. In Wirklichkeit waren sie nur lauter und komprimierter. Musik, die Internet gestreamt wird, ist wie ein Bild, bei dem man nur Pixel sieht.“
Dennoch spüre er das große Comeback der Vinylplatte eher weniger: „Der Trend war nie weg.“
Lauermann ist internationaler DJ und beliefert weltweit Shops mit Vinyl. So konnte er auch die vielen Krisen fast problemfrei überstehen: „Man kommt irgendwie durch, wenn man an die Sache glaubt und das Business ständig modifiziert.“
Auf relativ kleinem Raum spielt sich im Record Shack ganz schön viel ab: „Unser Rückgrat ist Soul Musik.“ Aber auch Rock, Pop, HipHop finden dort Platz. Er bevorzugt ausgewähltes Material, „da es keinen Sinn macht, von Konzernen überteuerte, künstlich-gehypte Ware zu kaufen.“
Denn gewisse Platten seien wertvoll und auch eine sichere Anlage: „Es ist eine Form von Kunst, die auch mit kleinerem Budget erhältlich ist.“ Diese Leidenschaft erkenne er auch bei seinen Kunden:
Unsere Kundschaft geht vom 'hängen gebliebenen' Hippie, bis zum Post-Beamten und dem gestrandeten Hip Hopper auf der Suche nach Samples
Die beste Schallplatte ist immer die nächste, so das Motto der Plattenläden. Wie viele Platten sie eigentlich auf ihrer Geschäftsfläche anbieten, wissen weder SingSing noch Record Shack genau. In den ersten Kisten sind es um die 10.000.
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