Hilflos zappelnde Tiere, Hühner, die offenbar bei vollem Bewusstsein von Angestellten geschlagen und zertreten werden. Es sind schreckliche Szenen, die sich in einem großen steirischen Hühnerschlachthof abspielen.
Der Verein Gegen Tierfabriken (VGT) deckte die Missstände vergangene Woche auf. Inklusive Videos, die den grausamen Umgang mit den Tieren dokumentieren. Dabei wirbt der Geflügelschlachthof mit Nachhaltigkeit und Qualität, außerdem ist er mit dem AMA-Bio- und Gütesiegel ausgezeichnet. Wie ist das alles möglich?
Josef Kröppel steht in seiner kleinen Fleischerei in der Postgasse im ersten Bezirk. Seit mehr als 30 Jahren ist er bereits Fleischer in Wien, den Familienbetrieb führt er in dritter Generation. Die Nachfolge ist gesichert: Sohn Florian steht mit ihm hinter der Theke – auch er ist bereits Fleischermeister.
Das kleine Lokal mit dem Neon-Schriftzug ist gut besucht, die meisten seiner Kundinnen und Kunden kennen die Kröppels beim Namen. „Leider ist es so, dass in den großen Schlachthöfen meistens Hilfsarbeiter angestellt sind, die von dem Ganzen keine Ahnung haben. Das sind Billigstkräfte“, sagt Josef Kröppel.
„Die Bilder aus dem Schlachthof sind für mich ein Skandal. So etwas darf nicht passieren. Schon die Halle mit tausenden Hühnern und Puten ist nicht mehr zeitgemäß“, zeigt sich Kröppel bestürzt.
Er selbst, erklärt er, wisse hingegen genau, woher sein Fleisch stammt: „Das Rindfleisch bekomme ich von einem Freund, der in der Buckligen Welt einen kleinen Schlachthof hat. Das Schwein kommt aus dem Tullnerfeld, das Mangalitzaschwein aus dem Seewinkel und das Kalb aus Hartberg in der Steiermark.“
In den Großbetrieben, sagt Kröppel, werden um die 50.000 Hühner gleichzeitig gehalten: „Ich bräuchte 30 Jahre, bis ich 50.000 Hühner in meinem Geschäft verkaufen würde.“
Tatsächlich wurden 2021 allein in Österreich 100,3 Millionen Hühner in den registrierten Betrieben geschlachtet.
In den Supermärkten wird das Fleisch dann oft zum Spottpreis verkauft. Und genau das regt Kröppel auf: „Kein Bauer kann überleben , der immer nur draufzahlt. Wenn es im Supermarkt minus 25, minus 30 Prozent gibt, na wer zahlt das? Da kann irgendetwas nicht stimmen.“
Unmut über die Zustände in der Fleischproduktion herrscht auch in der Fleischerei Ringl auf der Gumpendorfer Straße in Mariahilf. Claudia Ringl führt den Familienbetrieb gemeinsam mit ihrer Schwester Monika.
Mit Massenproduktion will man hier nichts zu tun haben: „Schlachthöfe, in denen 10.000 Tiere in der Stunde getötet werden – davor graust mir“, ist Claudia Ringl entsetzt.
Die jüngsten Skandale haben ihr zwar keine neuen Kunden beschert, die bestehenden aber noch kritischer gemacht: „Wir haben schon seit Jahrzehnten Verträge mit kleinen Bauern aus Oberösterreich. Wir können unseren Kunden sagen, was das für Leute sind, wie sie die Tiere halten und wie sie mit ihnen auch am Ende ihres Lebens umgehen.“
Für Diskont-Kunden hat die Fleischerin kein Verständnis: „Dass man ein Kilo Schnitzel um fünf Euro nicht mit ruhigem Gewissen essen kann, muss jedem klar sein.“
Viele Konsumenten wollen freilich, dass für sie gar keine Tiere mehr getötet werden. Von ihnen lebt Silke Bernhardt.
In den Vitrinen ihres Geschäftes in der Josefstädter Straße liegen Würstel, Speck und Schnitzel. Auf den ersten Blick den echten Fleischprodukten verdächtig ähnlich.
Tatsächlich ist das Schnitzel aus Weizen und die Salami aus Erbsenprotein. Im Juli 2021, inmitten der Corona-Pandemie eröffnet die gelernte Fotografin die „Fleischloserei“, die erste vegane „Fleischerei“ Österreichs .
Zu Bernhardt kommen sowohl Veganerinnen und Veganer als auch Fleischesser. Das Ladenlokal ist ihr besonders wichtig, um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen: „Ich kritisiere niemanden, der noch nicht dazu bereit ist, auf Fleisch zu verzichten. Aber es ist definitiv so, dass Fleisch nicht einfach günstiger als Gemüse sein kann. Aktuell ist das aber noch so. “
Die Tiermast-Skandale gehen Bernhardt nahe, aber: „Trotzdem finde ich es gut, dass diese Vorfälle jetzt immer öfter aufgedeckt und gezeigt werden, weil es die Menschen bewegt. Auch solche, die sich vor einer Woche vielleicht noch gar keine Gedanken zu ihrem Fleischkonsum gemacht haben.“
Kundinnen und Kunden hat Bernhardt offenbar genug. „Ich bin gerade dabei zu expandieren und das Geschäft größer zu machen.“ Doch der Unternehmerin geht es nicht nur um den wirtschaftlichen Erfolg.
Schon ab dem nächsten Jahr möchte sie eine eigene Ausbildung für „vegane Fleischer“ anbieten. „Eine Lehrausbildung werde ich wahrscheinlich noch nicht zustande bringen, dafür bräuchte es eine Lobby oder Innung. Aber eine Akademie mit einem Diplomabschluss kann ich anbieten.“
Anfragen, erzählt sie, habe sie genug: „Viele wollen bei mir arbeiten und die Herstellung von veganem Fleisch erlernen.“
Während Bernhardt die Expansion ihres Geschäftes plant, sorgt sich die Fleischerei Klaghofer um ihre Existenz. Seit über 60 Jahren ist sie in der Rankgasse im 16. Bezirk zu Hause.
2016 haben die Gebrüder Herbert und Helmut den Betrieb ihrer Eltern komplett modernisiert. Noch läuft das Geschäft.
An Kundinnen und Kunden fehlt es den Klaghofers nicht, doch für die kleinen Fleischerbetriebe werde es immer enger: „Wegen einer Unzahl an bürokratischen Auflagen können sich viele kaum mehr über Wasser halten. Jeder Vorgang muss penibel dokumentiert werden, das verursacht Stress. Viele tun sich das nicht mehr an.“
Gemeint ist das Dokumentieren der Vorschriften für die Lebensmittelhygiene. „Wir kleinen Betriebe haben annähernd die gleichen Auflagen wie die Großbetriebe. Die haben aber eigens Personal, das sich nur um die Dokumentation kümmern kann.“
So kommt es, dass die kleinen Fleischereibetriebe nach und nach aussterben. In Wien gab es laut Klaghofer in den 60er-Jahren knapp 4.000 Fleischereien.
Mittlerweile seien es nur noch um die 20. „Ich bin stolz auf die, die sich da durchkämpfen und überleben. Aber leicht ist es nicht.“
Ob die Fleischerei Klaghofer weitergeführt wird, wenn der jetzt 62-Jährige Chef einmal in Pension geht, ist noch ungewiss: „Wir bräuchten einen Nachfolger. Den Beruf kann man aber nur ausüben, wenn man die notwendige Leidenschaft dafür mitbringt.“
Und die ist offenbar verloren gegangen. Der Appetit auf Fleisch ist geblieben.
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