Markus Fuchs hat es schon immer gehasst, zu verlieren. Heute kann er besser damit umgehen. Aber der Wunsch, besser zu sein als alle anderen, ist seit dem Kleinkindalter sein Kick, sein Antrieb.
Fuchs ist der schnellste Mann Österreichs, läuft die hundert Meter in 10,08 Sekunden. Ein Rekord, der 35 Jahre ungebrochen war. Fuchs befindet sich gerade in Zürich, als der KURIER ihn telefonisch erreicht. Dort ist sein Trainingsteam, doch bald schon reist er nach Paris. Denn er hat es geschafft.
Nicht nur zu den diesjährigen Olympischen Spielen, die kommende Woche starten. Sondern auch von einer Randsportart, dem Hundert-Meter-Sprint, leben zu können. Hoch waren die Chancen nicht – ganz besonders nicht in der Leichtathletik. Der Weg dorthin erforderte Ausdauer. Und die Bereitschaft, jeden Cent zwei- oder dreimal umzudrehen.
Markus Fuchs "kratzte alles zusammen"
„Ehrlichgesagt weiß ich es selbst nicht, wie ich das geschafft habe“, scherzt er, als ihn der KURIER fragt, wie er als Läufer die vergangenen Jahre finanziell über die Runden gekommen ist. Und dann weiß er es doch ganz genau.
„Ich habe mir alles zusammengekratzt“, verrät er. Förderungen vom Land Niederösterreich und vom Verband, kleinere Subventionen oder Trainerstunden, die er gegeben hat. Und nicht zuletzt: durch seine Anstellung als Leistungssportler beim Bundesheer.
Insgesamt acht Jahre wird er vom Heeressportkader unterstützt. Die Basis für die meisten Leichtathleten in Österreich, die zwar nicht viel Geld abwirft (siehe Leichtathletik-Kapitel unten), aber zumindest Sozialversicherungsjahre für das Pensionskonto einbringt.
Ein Jahr lang fiel er aufgrund seiner Leistung aus dem Kader raus, jobbte zwischenzeitlich bei der Modekette Zara. Das ist lange her, aber danach setzte er alles auf eine Karte, schaffte es zum Bundesheer zurück und nahm die Weltspitze ins Visier. „Wir jagen nicht das Geld, wir jagen die Krone“, sagt er. Und doch spielt Geld eine große Rolle, um die Leidenschaft auch professionell betreiben zu können.
Denn wer mit dem Flugzeug statt mit dem Zug zu Wettbewerben reisen will und so mehr Zeit fürs Training gewinnt, braucht Sponsoren. Erst vergangenes Jahr gelang ihm der erste große Coup: Das burgenländische Pharmaunternehmen Haemo Pharma wurde auf den Sprinter aufmerksam und unterstützt ihn seitdem intensiv.
Zum Sparen reicht das Geld trotzdem nicht. Stattdessen wird es wieder investiert. In Physiotherapien, Regenerationsphasen, bessere Trainings. Alles für das große Ziel: Die Zehn-Sekunden-Marke zu knacken und vielleicht auf diese Weise noch mehr Sponsoren zu finden, die an ihn glauben.
Markus Fuchs ist gelungen, wovon unzählige Sportlerinnen und Sportler träumen. Das einstige Hobby zum Beruf zu machen. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit verschwindend gering ist, damit auch Geld zu verdienen. Geschweige denn, sich in die Riege der weltweiten Top-Athleten einzufügen. Doch genau das ist die Vorgabe.
Traum vom Profisport - wie gut man sein muss
Wer als Profisportler einmal ein tatsächliches Salär beziehen will, muss es ganz nach oben schaffen. Das ist in jeder Disziplin gleich, auch wenn manche mehr Chancen bieten als andere.
Breitenwirksame Sportarten wie Fußball oder Eishockey wären klar im Vorteil, erklärt Michael Maurer, Generalsekretär des größten Sportdachverbands Österreichs ASKÖ. „Aber in den allermeisten Sportarten lässt es sich nicht ausschließlich vom Sport leben. Maximal mit zwei, drei zusätzlichen Standbeinen“, sagt er. Schließlich wäre die Karriere eines Profisportlers kurz und gerade in Einzelsportarten häufig nur mit geringen Honoraren vergütet. Doch Ausnahmen gibt es immer.
Und genau eine dieser Ausnahmen gilt es zu sein. Welche Karrierestufe es im Fußball, Tennis, beim Skifahren und in der Leichtathletik zu erreichen gilt, um (gut) davon leben zu können und wie man es dorthin schafft, hat der KURIER Experten gefragt. Und eindeutige Antworten bekommen.
„Fußball ist sicher die Sportart in Österreich, wo es die meisten Sportler gibt, die wirklich davon leben können“, sagt Gernot Baumgartner, Vorsitzender der Vereinigung der Fußballer (VdF). „Grundsätzlich gilt: Erste und zweite Liga sind die Profis, die leben davon. Ab der Regionalliga nicht mehr.“
Insgesamt wären das 600 Arbeitsplätze, allerdings nur für die Männer. Denn der Frauenfußball ist hier ausgenommen. Lediglich bei SKN St. Pölten ist es Spielerinnen möglich, davon zu leben, so Baumgartner. Was man als männlicher Spieler in der ersten und zweiten Liga verdient, lässt sich kaum beantworten. Ausreißer nach oben, wie Red Bull Salzburg, oder Ausreißer nach unten, in der zweiten Liga, in der seit 2019 auch Nicht-Profis spielen dürfen, verzerren den Schnitt.
Der ehemalige Profi-Kicker Felix Gasselich berichtet dem KURIER, dass Jungprofis in der ersten Liga mit 3.000 Euro rechnen könnten. Die älteren mit 7.000 bis 15.000 Euro netto. Eine VdF-Umfrage aus 2019, die bis heute noch Gültigkeit haben soll, erhob wiederum 8.000 Euro brutto Mediangehalt für die Spieler der ersten Liga, 1.300 Euro für jene der zweiten.
Im Mannschaftssport ist man mehr oder weniger Arbeitnehmer. Als Einzelsportler hingegen selbstständiger Unternehmer
von Gernot Baumgartner, VdF-Vorsitzender
Was es für beide gibt, ist ein kollektivvertraglicher Mindestlohn von 1.650 Euro brutto 14 Mal im Jahr. Etwas, wovon Einzelsportler oftmals träumen können. „Im Mannschaftssport ist man mehr oder weniger Arbeitnehmer. Als Einzelsportler hingegen selbstständiger Unternehmer“, sagt der VdF-Vorsitzende. Das Geld fließt somit zu 95 Prozent über den Verein. Sofern man nicht zu werbewirksamen Kalibern wie David Alaba zählt.
Wie man es dorthin schafft? Der traditionelle Weg führt im Alter von circa 18 Jahren über diverse Akademien in den Profikader. Ein bis zwei Spieler pro Jahrgang schaffen das, wenn überhaupt, so Baumgartner. Manche wechseln nur in die vierte Liga und abwärts. Positiv daran: „Geld verdienen lässt sich bis in die letzte Liga“, so Baumgartner. Auch, wenn das nur ein paar Hunderter Aufwandsentschädigung sind. Vom Profifußball ist man dann aber weit entfernt.
Dafür braucht es den ersten, oftmals wenig lukrativen Vertrag. „Der erste Vertrag ist relativ klein“, erklärt Baumgartner. Selbst bei gut bezahlenden Vereinen wie beim LASK würde ein 18-Jähriger nicht mehr als 3.000 Euro verdienen. Schafft man den Sprung mit Mitte 20 zum zweiten Vertrag, wird der jedenfalls besser. „Bis 30 sollte man richtig gut verdienen, weil dann wird es ohnehin wieder weniger, weil man zum alten Eisen gehört.“
Wann man es im Skisport geschafft hat? Herbert Mandl, Sportlicher Leiter Ski Alpin des Österreichischen Skiverbands (ÖSV), spricht klare Worte. Eine Qualifikation für den Weltcup reicht noch lange nicht: „Nur wer im Weltcup unter die Top-10 kommt, hat genug Einkommen, um davon zu leben“, sagt er und ergänzt: „Ausgesorgt haben nur Sieger. Aber keine einmaligen. Da braucht es einige Male den Weltmeister, Olympia und so weiter.“
Was Skifahrern zum Verhängnis wird? Das Gefälle ist sehr rapide, so Mandl. Geldverdienen lässt sich nur durch Sponsorings und Siegerprämien. Verträge mit Ausrüsterfirmen gibt es auch, sofern man unter die Top-5 im Weltcup fährt. „Alles dahinter ist uninteressant“, sagt Mandl. Viel erwarten darf man sich auch da nicht, Superstars im Skizirkus ausgenommen. Die Ausschüttungen der Ausrüster beschränken sich oft auf wenige tausend Euro.
Im ersten Jahr verdienen unsere Athleten kaum etwas, selbst wenn sie Topsportler sind.
von Herbert Mandl, Sportlicher Leiter Ski Alpin des ÖSV
Nur zwei bis drei Prozent der jungen Athleten schaffen es, den Skisport zum Beruf zu machen, schätzt Mandl. Der Karriereverlauf sieht für gewöhnlich so aus:
Nach der sportspezifischen Schule werden FIS-Punkte gesammelt. Nur so qualifiziert man sich für den ÖSV-Kader und dann für den Europacup, der wiederum der Einstieg zum Weltcup ist. Während es früher schon ab Kader-Eintritt Verdienstmöglichkeiten gab, ist das heute nicht mehr der Fall.
„Im ersten Jahr verdienen unsere Athleten kaum etwas, selbst wenn sie Topsportler sind. Erst im zweiten ÖSV-Jahr bzw. mit B-Kader-Status haben sie die Möglichkeit, einen Individualsponsor auf dem Kopf zu haben.“ Der bringt zwischen 10.000 und 50.000 Euro pro Jahr – wobei 20.000 Euro bei jungen Athleten realistischer sind, so Mandl. Genau das, was bis zu diesem Zeitpunkt die Eltern jährlich investieren müssen, damit das Kind seiner Leidenschaft nachgehen kann.
Ab dem Europacup winken offizielle Preisgelder. „Aber die sind sehr bescheiden. Das sind insgesamt 2.500 Euro pro Rennen, die aufgeteilt werden auf die ersten fünf.“ Von Prämien wie in Kitzbühel, wo insgesamt über eine Million Euro auf die ersten 30 Athleten aufgeteilt werden, kann man lange träumen.
„Wer Tennisprofi werden will, um Geld zu verdienen, ist falsch“, stellt Thomas Hammerl, CEO der European Tennis Federation, gleich zu Beginn des Gesprächs klar. „Denn wirklich leben vom Tennissport können derzeit rund zweihundert Menschen auf der ganzen Welt.“ Dabei handelt es sich jeweils um die besten hundert in den Weltranglisten ATP (Männer) und WTA (Frauen).
Also um jene, die sich für die begehrten vier Grand-Slam-Turniere qualifizieren, wo allein für die Teilnahme 70.000 Euro winken – unversteuert. Stellt man die 200 Plätze im Tennis weltweit den 600 Plätzen im Fußball allein in Österreich gegenüber, weiß man: das wird ein hartes Match. Aber eines, das es zu schlagen gilt. Denn nur dort warten die Sponsoren.
Über lukrative Deals können sich überhaupt nur die besten 30 freuen. „Schaue ich nur auf Spieler wie Federer, Alcaraz und Djokovic, sehe ich nicht die Realität. Die Realität sind die tausenden Spieler, die es probieren und nie schaffen, Geld zu verdienen.“ Insbesondere weil angehende Tennisprofis viel investieren müssen, um ihrer Karriere nachgehen zu können. Und nicht nur Zeit.
Man startet mit einem Minus von 150.000 Euro. Ergo muss man diese erst einmal an Preisgeld einspielen, um auf gleich zu kommen.
von Thomas Hammerl, CEO European Tennis Federation
150.000 Euro im Jahr kostet es, als Erwachsener professionell Tennis zu spielen, sagt Hammerl. Physiotherapie und Trainer müssen selbst bezahlt werden, Anreisen, Unterkünfte ebenso. „Geld ist ein großes Thema im Tennis“, erklärt der CEO. Zwar gäbe es Verbände, die versuchen, zu unterstützen. Eine ganze Karriere zu finanzieren, ist aber unmöglich – hier müssen die Familien herhalten, wobei gut situierte klar im Vorteil sind.
Um sich die Karriere des jungen Dominic Thiem zu leisten, verkauften dessen Eltern sogar eine Wohnung. Das eigene Geld floss für den Superstar erst später. „Solange man unter 18 ist, verdient man einmal gar nichts“, so Hammerl. Da ginge es nur darum, Punkte zu sammeln. Preisgeld gibt es erst ab der ersten Profikategorie – auch bekannt als 15.000-Dollar-Turniere. Die sind aber nur als Übergang gedacht, um zu den ATP-Challenger-Turnieren aufzurücken. Doch auch dort ließe sich nicht genug Geld verdienen, um das Minus der 150.000 Euro auszugleichen.
Worüber man sich als junger Tennisprofi keine Gedanken machen muss, ist die Ausrüstung. „Sachsponsoring ist der erste Einstieg. Man braucht also keinen Schläger und keine Kleidung kaufen.“ Eine Berechnung sollte man sich als angehender Profi dennoch vor Augen halten, so Hammerl: Nur einer aus 16.000 schafft es, vom Tennis leben zu können.
„Es ist ein hartes Brot“, sagt Gregor Högler, Sportdirektor des Österreichischen Leichtathletik-Verbands (ÖLV), auf die Frage, wie man als professioneller Leichtathlet seine Lebenshaltungskosten deckt. Denn viele Sponsoren bevorzugen den Mannschaftssport. Leichtathletik wird oft erst dann attraktiv, wenn Olympia ins Spiel kommt.
Bis dahin gibt es häufig nur Sachleistungen von Sponsoren. „Erst irgendwann, wenn ein gewisses Erfolgslevel erreicht ist, gibt es Prämien. Aber angestellt sind die meisten bei den Firmen nicht“, klärt Högler auf. Wie man stattdessen von der Leichtathletik lebt?
„Das geht erst, wenn man vom Bundesheer als Leistungssportler genommen wird“, sagt der Sportdirektor. Insgesamt 300 Plätze gibt es. Jährlich wird der Anspruch neu evaluiert und die Plätze vergeben. Nur die besten schaffen es, langfristig im Heereskader zu bleiben – beim ÖLV sind das rund 15 Sportler, quer durch alle Disziplinen. „Da konkurriert der Diskuswerfer mit dem Speerwerfer.“
Es gibt auch manche, die es ohne schaffen
von Gregor Högler, ÖLV-Sportdirektor
Für die Athleten gibt es ein kollektivvertraglich geregeltes Bruttomonatsgehalt von rund 2.300 Euro. Keine große Summe, aber dafür sind die Sportler versichert und sammeln Anrechnungszeiten für die Pension. Die soziale Absicherung ist etwas, das viele Athleten in ihrer jungen Karriere vernachlässigen, warnt ASKÖ-Generalsekretär Michael Maurer und appelliert: „Weg von honorierten G’schichtln, hin zu richtigen Anstellungen.“
Das Bundesheer ist mit Abstand der größte Förderer von Leistungssport in Österreich. Doch auch bei der Polizei (100), beim Zoll (40) und bald in der Justiz (20) werden Plätze vergeben. Macht insgesamt 460 „staatliche“ Arbeitsplätze, die man als Leichtathlet anstreben sollte.
„Es gibt auch manche, die es ohne schaffen“, merkt Högler an. Aber die sind auf Sponsorengelder (die versteuert werden müssen) und Förderungen angewiesen: „Ist man in den Top-8 weltweit, ist man in der höchsten Förderung.“
Wegen des Geldes sollte man aber ohnehin nie der Leichtathletik nachgehen: „Keiner betreibt den Sport und denkt: hier kann ich gut verdienen“, so Högler. „Man will der Schnellste sein und rennt los“.
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