Erst die Zweifel, dann die Wende
In dem Bundessportareal an der südlichen Peripherie Wiens hat er die Leichtathletik als Kind kennen und lieben gelernt, noch heute wohnt er nur ein paar Autominuten entfernt. Und dennoch hat der Sprinter die bekannten (Lauf-)Bahnen verlassen müssen, um über die Runden zu kommen.
„Ich bin angestanden, zwei bis drei Jahre lang hatten sich meine Zeiten nicht verbessert“, erinnert sich Fuchs an die schwierigste Phase in jungen Jahren seiner Karriere. Nur noch wenige hatten damals Hoffnung auf eine entscheidende Beschleunigung.
Die Verantwortlichen des Heeressportwesens strichen ihn aus dem Leistungskader. Um über die Runden zu kommen, begann er nebenbei im Einkaufszentrum bei der Modekette Zara zu arbeiten. Der Trainingsplan musste sich nach dem Dienstplan richten – ein ideales Umfeld für einen Spitzensportler sieht anders aus. Fuchs wusste: „So geht’s nicht lange, ich brauche eine Veränderung.“
Er fand sie in der Schweiz. Dort ist ein Deutscher Nationalcoach, der an Fuchs’ Potenzial glaubte. Und zwar so sehr, dass er sich vertraglich zusichern ließ, den Österreicher – mit wenigen weiteren Ausländern – in die Schweizer Top-Trainingsgruppe aufnehmen zu dürfen. Fuchs schwärmt von den Bedingungen bei den Eidgenossen, etwa im legendären Letzigrund, dem Zürcher Leichtathletik-Tempel, der für ihn zu einer zweiten Heimat geworden ist. Derzeit befindet sich die mit Athleten, Medizinern, Physios und Coaches 120 Personen große Trainingsgruppe auf einem mehrwöchigen Vorbereitungscamp in der Türkei.
Gearbeitet wird am perfekten Lauf. Wenn Fuchs über seinen Sport spricht, könnte man meinen, man sitzt in einer Anatomie- oder Physik-Vorlesung an der Uni. Er erklärt den idealen Winkel der Beine, die Aerodynamik bei der Oberkörperhaltung und die Reaktionszeiten beim Start. Zuletzt beim Hallen-Meeting in Berlin kam er nach 0,108 Sekunden aus den Startblöcken („Weltklasse“). Alles unter 0,1 Sekunden wird als Fehlstart gewertet, eine Reaktionszeit von 0,2 Sekunden sei „schon mies“.
Die Faszination liege darin, „dass in einer nach außen simplen Sportart einfach so viele Details liegen, die zur Perfektion führen“, sagt Fuchs, der, so sagt er, ganz anders läuft, seit er in der Schweiz trainiert. „Ein Laufschritt von mir ist heute 30 Zentimeter länger als früher. Die Kunst sei es, im Wettkampf all diese Parameter und Techniken automatisiert zu haben. „Wenn du im Rennen über deinen Laufstil nachdenken musst, bist du schon weit zurück.“
Womöglich war genau das – neben seiner gereizten Achillessehne – ein Mitgrund für die enttäuschende Zeit bei seinem Debüt bei einer Freiluft-WM vergangenes Jahr. „Ich habe dort erstmals wahrgenommen: Hier sind die Besten der Welt. Und ich gehöre dazu.“
Markus Fuchs will zu Olympia
Der Weg, um dort auch zu bleiben, scheint zu stimmen. Die Hallensaison hat Fuchs als drittschnellster Europäer beendet, für die EM im Juni in Rom ist er bereits qualifiziert. Ein paar Tage später könnte er als Olympia-Teilnehmer feststehen. Die kaum zu glaubende Direkt-Norm für Paris liegt unter 10 Sekunden (2016 in Rio waren es noch 10,16). Bleiben weniger Athleten unter dem Limit, wird das 56 Mann große Teilnehmerfeld über die Weltrangliste aufgefüllt. Fuchs liegt derzeit auf Position 32.
„Olympia ist ein Lebenstraum für jeden Leichtathleten“, sagt der 28-Jährige. Zuversichtlich machen ihn zwei Dinge: Erstens sei er zuletzt noch jedes Jahr schneller geworden, und zweitens habe seine Profikarriere „eigentlich erst jetzt so richtig begonnen“. Dazu passt sein erster privater Sponsor. Die Haemo Pharma GmbH, ein Arzneimittel- und Medizinproduktegroßhändler, liefert nicht nur Cash, sondern auch ein hochmodernes Elektrotherapiegerät zur Regeneration.
In einem Sport, den de facto jeder Mensch auf der Welt betreiben kann, muss jedes Detail, jede Stunde ausgereizt und optimiert werden. „Ich kann jetzt endlich sagen, ich nehme zum Wettkampf den zeitlich besseren Flug, auch wenn der 300 Euro mehr kostet. Früher habe ich immer nur auf den Preis geschaut“, erinnert sich Markus Fuchs, der als Sprinter vor allem eines beweisen musste: Ausdauer.
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