Katharina C. ist aufgeregt. Es ist ihr erster Arbeitstag bei einem bekannten Möbelhersteller und sie versucht sich, in der neuen Umgebung zurechtzufinden. Ihr erster Kontakt: ein Vorgesetzter, der fragt, was sie hier eigentlich macht. „Auch nachdem ich erklärt habe, dass ich Teil des neuen Verkäufer-Teams bin, schien er nicht zu wissen, wo er mich hinschicken soll“, erinnert sie sich. „Sie hatten im Endeffekt keine Aufgabe für mich und wollten mich deswegen in ein Maskottchen-Kostüm stecken.“ Dieses passte zum Glück nicht. Den restlichen Arbeitstag verteilte sie Flyer.
Das ist eine von vielen fragwürdigen Onboarding-Erfahrungen, die dem KURIER berichtet wurden. Nicht ganz so drastisch, aber ebenfalls unerfreulich war der Einstieg von Johanna V. bei einem Verlag. „Nichts war hergerichtet. Kein Bürosessel und kein Computer.“ Es vermittelte ihr das Gefühl, nicht willkommen zu sein. „Man fragt sich, was man dort eigentlich soll.“ Die Antwort für Johanna V. war, das Unternehmen wieder zu verlassen.
Wenn der Willkommensgruß der Firma nicht einladend genug ist, ist das für Neuankömmlinge ein Problem. Das Onboarding, also der Einführungsprozess in einen Job, ist ein wichtiger Schlüssel jeder Einstellung. Die Entscheidung auf Mitarbeiterseite fällt in den ersten 100 Arbeitstagen, wissen Experten. Also, ob sie das Unternehmen mögen, es hält, was versprochen wurde und – am allerwichtigsten – ob sie dann bleiben wollen. Jeder Zweite hat schon einmal wegen schlechten Onboardings gekündigt, besagen aktuelle Studien. Was das kostet, weiß PwC-Partnerin Jutta Perfahl-Strilka.
Wenn nichts vorbereitet ist, fühlt man sich nicht willkommen. Man fragt sich, was man dort eigentlich will
von sagt Johanna V. zu ihrer Onboarding-Erfahrung
16.000 Euro oder vier bis sechs Monatsgehälter muss ein Unternehmen aufbringen, wenn die neuen Mitarbeiter schneller davonlaufen, als ihnen lieb ist. Die Suchprozesse sind mühsam, Bewerber oft rar. Den ausgewählten Mitarbeiter also zu halten, ist eine klare wirtschaftliche Entscheidung. Denn die Mitarbeiter sind sprunghafter denn je: Laut einer PwC-Studie geben 26 Prozent aller für die Studie befragten Personen an, in den nächsten zwölf Monaten den Arbeitsplatz wechseln zu wollen.
Der Wirtschaftswissenschafter Dirk Holtbrügge spricht in diesem Zusammenhang von „Frühfluktuation“. In seinem Buch für Personalmanagement listet er Gründe für den frühzeitigen Ausstieg. Die wichtigsten: fehlendes Feedback durch Vorgesetzte, Über- und Unterforderungen, Rollenunklarheiten und enttäuschte Erwartungen.
Sprunghaft
Laut einer PwC-Studie geben 26 Prozent aller Befragten an, in den nächsten zwölf Monaten den Arbeitsplatz wechseln zu wollen
16 Tausend Euro
kostet eine falsche Besetzung im Durchschnitt. Oder bis zu vier Monatsgehälter
Generation Z
Jüngere Mitarbeiter sehen vor allem den fehlenden Sinn hinter der Tätigkeit als Grund, zu gehen. So heißt es in einer weiteren Studie, dass weniger als die Hälfte der Beschäftigten der Generation Z ihre Arbeit als erfüllend empfindet
Weitere Gründe
Wirtschaftswissenschafter Dirk Holtbrügge listet zusätzlich fehlendes Feedback durch Vorgesetzte, Über- und Unterforderungen, Rollenunklarheiten und enttäuschte Erwartungen als weitere Gründe für die „Frühfluktuation“ in Unternehmen
Kultur ist Strategie
Gerade bei den Erwartungen muss man früh ansetzen, sagt Perfahl-Strilka. Denn das Onboarding beginnt schon bei der Stellenausschreibung. In den ersten Arbeitstagen treffe schließlich Realität auf Vorstellung: „Wenn etwas versprochen, aber nicht eingehalten wird, wirkt es sich schlecht auf das Onboarding-Erlebnis aus.“
Sie hatten keine Aufgabe für mich und wollten mich deswegen in ein Maskottchen-Kostüm stecken. Es war zum Glück zu groß
von Katharina C. zu ihrem Maskottchen-Schreck
Der Autohändler Denzel, Gewinner des „Austria’s Best Managed Companies“-Award, hat das erkannt: „Wir schauen uns nicht nur die Fähigkeiten der Bewerber an, sondern auch deren Einstellung“, sagt ihre Leiterin Personentwicklung und Recruiting Barbara Weiss. „Ihnen wird beim ersten Gespräch erklärt, wer wir sind und wofür wir stehen“. Das soll bei den jungen Generationen gut ankommen. „Den Bewerbern ist wichtig, dass sie sich in einer Firma wohlfühlen und mitgestalten können.“
Wenn ihre Werte mit jenen des Unternehmens übereinstimmen, falle die Job-Einführung leichter, so Weiss: „Es klingt banal, aber die Wahrheit ist, wir Menschen haben nur dann Freude, wenn wir einen Sinn haben. Dann gehen wir auch über jeden Widerstand.“
Nicht hängen lassen
Ist die Unternehmenskultur klar vermittelt, geht man in medias res: Der Arbeitsplatz mit seinen Utensilien muss vorbereitet sein und typische Anfangsfragen („Wo ist die Kantine?“) geklärt. Für diese erste Phase hat Magenta Telekom eine interessante Lösung gefunden: Die Magenta Onboarding App, die allen Mitarbeitern ab dem ersten Tag zur Verfügung steht. Sie dient als Orientierungshilfe und beinhaltet alle wichtigen Informationen zur Firma.
Zusätzlich wird jedem Neuankömmling ein sogenannter „Buddy“, also ein Arbeitskollege, zur Seite gestellt. „Ich tausche mich heute noch mit meinem Buddy aus“, lacht Nathalie Rau, Personalchefin der Magenta Telekom, die jetzt seit zwei Jahren mit dabei ist.
„Uns ist es wichtig, dass neue Mitarbeiter sich so schnell wie möglich wohl im Unternehmen fühlen“, sagt sie. Und die Bemühungen werden belohnt, mit einer sinkenden Fluktuationsrate, die deutlich unter dem Vorjahr liegen soll. Worin sich alle drei Onboarding-Experten – PwC, Denzel und Magenta – einig sind, ist, dass jeder neue Mitarbeiter genau wissen sollte, was der persönliche Beitrag zum Unternehmenserfolg ist.
Vermitteln lässt sich dieser übrigens besser vor Ort, merkt Rau an. „Online bietet zwar viele Möglichkeiten, aber es braucht trotzdem den menschlichen Kontakt.“
Vieles kann beim Onboarding schief gehen. Um die Fluktuationsrate im Rahmen zu halten, sollte man:
Sinn stiften: Die Arbeit muss erfüllen und Sinn geben, heißt das es in zahlreichen Forschungen. „Wenn man stolz auf seine Arbeit ist, bleibt man auch dabei“, bestätigt Denzel-Recruiting-Leiterin Barbara Weiss
Vorbereitet sein: Ein absolutes Muss ist ein hergerichteter Arbeitsplatz. Vom ersten Arbeitstag an müssen alle Zugänge für die Neuankömmlinge freigeschaltet sein, weiß HR-Expertin Jutta Perfahl-Strilka
Unterstützung bieten: In den ersten Monaten werden die neuen Kollegen viele Fragen haben, weiß Perfahl-Strilka. „Es ist ein Fehler zu glauben, dass sie sich alles selbst zusammensuchen können, sollen und müssen. Initiative zeigen ist wichtig, aber es hat Grenzen“
Kollegen informieren: Onboarding steht und fällt mit dem Team, sagt Weiss. „Wenn sie die Firmenkultur nicht ausstrahlen können, erschwert das die Integration“. Das Team muss man somit beim Prozess mit einbinden
Von der Sekretärin ongeboarded zu werden, die keine Ahnung vom Aufgabenbereich hat und das auch ständig betont, war schon recht eigenartig
von Susanne B. zu ihrem ersten Arbeitstag
Konfetti erwünscht
Goodie-Sackerl, eine Tasse mit Firmenlogo und Konfetti auf dem Tisch: klingt kitschig, soll aber helfen. Perfahl-Strilka: „Es stiftet gleich zu Beginn eine Firmenidentität.“ Damit all das aber nicht als „HR-Show“ abgestempelt wird, braucht es die Zusammenarbeit mit den Führungskräften und den Teams.
Vor dem ersten Arbeitstag sollten deswegen auch die künftigen Kollegen vorbereitet werden („Welche Rolle wird besetzt? Und Warum?“). Ein wichtiger Aspekt, denn laut einer Königsteiner-Studie geben 45 Prozent der Befragten an, dass sie das Gefühl haben, von den neuen Kollegen als Konkurrenz wahrgenommen zu werden.
Wenn ich um Erklärung gebeten habe, lautete die Antwort: Ich bin auch nie eingeschult worden und musste mir alles selbst beibringen
von Oswald H. zu seiner Onboarding-Erfahrung
Die Führungskräfte sind dabei die Geheimzutat, so die Denzel-Recruiting-Leiterin, Barbara Weiss. Gerade in den ersten Monaten müssen sich Chefs mehr Zeit für ihre Neuzugänge nehmen, um sie in die bestehende Gruppe zu integrieren und dabei das Team miteinzubeziehen. „Ein gemeinsames Mittagessen wirkt da Wunder“, sagt Perfahl-Strilka.
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