Und tschüss! Warum Arbeitnehmer ständig den Job wechseln
„Thank you, next“ („Dankeschön, Nächster bitte“), singt Pop-Star Ariana Grande und Arbeitnehmer weltweit scheinen zuzustimmen. Denn kaum hat man einen Kollegen an Bord, ist er in unserer schnelllebigen Zeit auch schon wieder auf und davon – zum nächsten Job.
Laut aktueller PwC-Studie geben 26 Prozent aller Befragten an, in den nächsten zwölf Monaten den Arbeitsplatz wechseln zu wollen. Das Vorhaben schlägt sich auch in den tatsächlichen Fluktuationszahlen nieder, die im Vergleich zu Vorpandemiezeiten um 16 Prozent gestiegen sind – „Pensionierungen nicht eingerechnet“, sagt Florian Brence, Partner bei Deloitte Österreich.
Als Massenphänomen würde es Wifo-Ökonom Stefan Angel jedoch noch nicht beschreiben. Zumindest in Österreich nicht, denn hier springen nur 20 Prozent der Personen, die ihren Arbeitgeber verlassen, tatsächlich von Job zu Job. Und das variiere stark nach Branche und Alter.
Generation Quit
Besonders leicht scheint es den jüngeren Mitarbeitern zu fallen. 35 Prozent der GenZ würden gerne demnächst in neue berufliche Herausforderungen hüpfen. Bei den Millennials sind es 31 Prozent. So ist auch ihr Spitzname „Generation Quit“ (Generation Kündigung) entstanden. Die Sprunghaftigkeit erklärt Stefan Angel mit der Finanzkrise und der Pandemie. Der jüngeren Bevölkerungsgruppe falle es bei Wirtschaftskrisen schwerer, in den Arbeitsmarkt dauerhaft einzusteigen.
Arbeitspsychologe Peter Radlingmayr tippt eher auf die Schnelllebigkeit, in der die Generationen aufgewachsen sind: „Es ist einfacher denn je, alternative Jobs über Jobportale zu finden und sie zu vergleichen. Man ist auch für potenzielle Arbeitgeber leichter erreichbar.“ Wie auf der Dating-App Tinder wird also einfach weiter zum nächsten Job gewischt.
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- Die Jobhopper
Laut einer McKinsey-Studie will jeder fünfte Beschäftigte in Österreich kündigen. Akademiker neigen laut Stefan Angel im Vergleich zu Personen mit Pflichtschulabschlüssen, eher zum Job-Hopping
- Die Branchen
Besonders viele Jobhopper gibt es im Vertrieb, in der IT und Logistik
- Die Kosten
14.900 Euro kostet die Mitarbeiterfluktuation im Durchschnitt
Generell seien schnellere Jobwechsel laut Florian Brence bereits gesellschaftlicher Usus geworden: „Dass man nicht mehr 40 Jahre im selben Job bleibt, sondern mehrfach seinen Arbeitgeber wechselt, ist nicht mehr unüblich.“
2022 waren Unselbstständige durchschnittlich 9,8 Jahre lang in einem Betrieb tätig. 2008 waren es 9,5 Jahre. Das widerlegt die schnelle Jobhopping-Hypothese. Die Statistik Austria begründet diese Zahlen mit dem hohen Anteil der älteren Erwerbstätigen, die eher länger bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt sind. Die Zeiten, in denen Mitarbeiter aber ein Leben lang bleiben, seien vorbei, sagt auch ÖBB-Konzernpersonalchefin, Martina Hacker. Und das aus (karrieretechnisch) „guten“ Gründen.
Warum man „hoppt“
„Ein häufiger Wechsel kann ein Karrierebeschleuniger sein“, sagt etwa Peter Radlingmayr. Jobhopping bedeute oft mehr Geld, mehr Benefits, bessere Aufstiegschancen und zumindest ein anderes, wenn nicht unbedingt besseres Arbeitsklima.
TikTokerin Callie widmet ihren vielen Jobs sogar ein Video: „Man muss offen für neue Möglichkeiten bleiben. Ich bin 25 und hatte acht verschiedene Jobs. Der Gedanke, länger als fünf Jahre in einem Job zu verharren, ist beängstigend.“ Die 23-jährige Medienexpertin Shola West sagt in einem TikTok-Clip: „Wenn ich weiß, dass ich genau den gleichen Job woanders für mehr Geld und mehr Benefits machen kann, werde ich wechseln.“
Wobei laut einer McKinsey-Studie das Geld für jüngere Mitarbeiter in der Jobwahl bei Weitem nicht das Wichtigste ist. Was sich auf der Führungsebene und in der Unternehmenskultur abspielt, sei relevanter, wie auch TikToker „Techtual Chatter“ betont. „Wir werden nicht in einem Unternehmen bleiben, das keine Entwicklung bietet und uns nicht wertschätzt. Es gibt andere Arbeitgeber, die uns besser behandeln.“
Keine Loyalität
Interessant ist auch ein weiterer Aspekt, den Shola West anspricht: „Loyalität ist unserer Generation nicht wirklich wichtig.“ Hält Generation Quit also einfach nichts von Treue? Dass die Mitarbeiter-Bindung abnimmt, zeigen jedenfalls zahlreiche Studien. Einen Grund dafür nennt Radlingmayr: „Langjährige Karrieren sind immer weniger vorhersehbar und planbar. Das führt zu Unsicherheit.“ Dadurch sei eine Bindung, wie sie früher einmal war, nicht mehr möglich. Stattdessen wird lieber munter jobgehoppt.
Außerdem: Eine gewisse Arbeitsmarktdynamik würde es ohnehin immer geben, sagt Stefan Angel. Wie viel Fluktuation „normal“ ist, könne man nicht so einfach beantworten. „Aber“, so Florian Brence: „Wenn ein Unternehmen eine Fluktuation von zwei bis drei Prozent hat, wünscht es sich meist mehr. Wenn sie deutlich über zehn Prozent geht, wünscht sich die Firma weniger.“
Warum? Ständige Wechsel schaffen Unruhe im Unternehmen und schaden auch dem Ruf einer Firma. Man verliere Kundenkontakte und das angelernte Wissen. Und: Recruiting ist nicht kostenlos, wie Angel erklärt. Laut Deloitte-Studie kostet die Nachbesetzung eines Mitarbeiters rund 15.000 Euro: „Deswegen achtet man besonders bei Schlüsselkräften, dass die Fluktuation so niedrig wie möglich bleibt“, so Brence.
Mitarbeiterbindung beginnt laut Peter Radlingmayr bereits bei der Personalsuche. „Man muss transparent sein“, sagt der Arbeitspsychologe. Gleich zu Beginn sollten Recruiter Wechselgründe, Pläne, Zielsetzungen und Motivation der Bewerber erfragen. „Wir merken, dass neue Kollegen oft ein Bild vom Job haben, das nicht ganz der Realität entspricht und sie andere Erwartungen haben“, sagt Martina Hacker (ÖBB).
- Realitätscheck: Deshalb: Vorab abklären, was von der Position erwartet wird und wie der Arbeitsalltag abläuft.
Laut Gerald Reitmayr (Techbold) sollte man beim Thema Mitarbeiterbindung trotz all der Forderungen potenzieller Arbeitnehmer, „nicht auf die loyalen Mitarbeiter vergessen. Sonst verliert man sie.“ So sind typische Jobhopping-Gründe, wie Florian Brence (Deloitte) erklärt, Unzufriedenheit mit der Führung, zu wenig Gehalt, mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten und zu wenige positive Mitarbeitererlebnisse und Rückmeldungen.
- Fordern und fördern: Es braucht ein gutes soziales Gefüge und eine Arbeit, die fordert, aber nicht überfordert. Wenn diese zwei Faktoren erfüllt sind, könne man laut Radlingmayr kaum jemanden abwerben.
Automatisch schlecht?
Viele Job-Sprünge im Lebenslauf würden laut Florian Brence auffallen und nach wie vor kritisch hinterfragt werden. So etwa auch bei Techbold: Obwohl sie es in ihrem Unternehmen nicht erleben, sticht das Hopping für COO Gerald Reitmayr und HR-Managerin Julia Kreicy ins Auge.
Mit einer guten Begründung sei es legitim: „Bei den ersten Jobs ist das noch normal. Man möchte sich und seine Leidenschaft entdecken“, sagt Reitmayr. Kritisch werde es, wenn man all die Benefits nutzt und dann schnell wieder geht: „Es gibt illoyale Arbeitnehmer, die nur Baustellen im Unternehmen hinterlassen“, führt der Techbold-COO aus. Trotzdem könne man sich laut Kreicy angesichts des Fachkräftemangels den strengen Blick nicht mehr leisten: „Aktuell hat man nicht mehr den Luxus, so kritisch zu sein.“
Bei den ÖBB würden, so Martina Hacker, vielfältige Erfahrungen positiv bewertet: „Wir müssen das alte Denken nach dem Motto „häufige Jobwechsel sind automatisch schlecht“ hinter uns lassen.“
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Julia Kreicy, Techbold-HR-Managerin
"Aktuell hat man nicht mehr den Luxus bei Bewerbungen, so kritisch zu sein"
Gerald Reitmayr Techbold COO
„Es gibt illoyale Arbeitnehmer, die nur Baustellen im Unternehmen hinterlassen“
Spuren hinterlassen
Ob ein überfüllter Lebenslauf nun ein beruflicher Vorteil ist, bleibt Ansichtssache. Man sollte laut Peter Radlingmayr jedoch eines bedenken: „Ich höre oft, dass Arbeitnehmer sich im Nachhinein wünschen, länger geblieben zu sein.“ Vielleicht sei man zu leichtfertig gegangen, hört man im Nachhall. Denn: „Nur wenn man bleibt, kann man die Geschichte einer Organisation mitschreiben und Spuren hinterlassen. Und eine solche Geschichte hat Qualität“, sagt er.
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