Eltern im ewigen Betreuungsdilemma

Karin Krömer mit ihren Zwillingen: die Kinder gehen in eine Ganztagsschule, Krömer arbeitet Vollzeit
Arbeitswelt und Schule – Der KURIER hat zu einem Round Table geladen: eine berufstätige Mutter, den Bildungsdirektor Wiens und die Personalleiterin von Accenture.

52 Wochen zählt ein Jahr. Rund 36 davon bespielt die Schule. Die restliche Zeit sollen Eltern übernehmen. Doch mehr als drei Wochen am Stück Urlaub können auch Unternehmen selten geben. Wohin also mit den Kindern in betreuungslosen Zeiten, in den Ferien und an den Nachmittagen, an denen 60 Prozent der Kinder keine Schule haben? Familien, zumeist Frauen (siehe Kasten auf S.11), müssen oder wollen dann in Teilzeit arbeiten. Doch spätestens mit Pensionsantritt wird man merken, wie hoch man die Teilzeit tatsächlich bezahlt hat.

Wie viel Unternehmen, Eltern, Schulsystem und Staat für die Kinderbetreuung beisteuern können und welche Lösungsansätze es für das Betreuungsproblem gibt, darüber diskutieren: Karin Krömer, zweifache Mutter und Lead Nurse bei Healthcare Austria, der Wiener Bildungsdirektor und zweifache Vater Heinrich Himmer und die Personalleiterin von 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei Accenture Österreich Martina Pitterle.

 

KURIER: Frau Krömer, Sie haben vor zwei Wochen versucht, ihre Zwillinge für das Sommer City Camp in Wien anzumelden. Es soll chaotisch gewesen sein.
Karin Krömer: Ich wusste, ich muss dort dabei sein, denn ich habe 30 Tage Urlaub im Jahr und brauche eine Betreuung für meine Kinder im Sommer. Um neun Uhr war der erste Slot zum Anmelden. Normalerweise bin ich zu dieser Uhrzeit bei einem Patienten, also habe ich mir die Zeit freigeschaufelt. Dann stürzt das System ab, dann konnte ich nicht bezahlen, dann war ein Termin in dieser Woche weg. Das war enttäuschend. Ich habe Mails geschrieben und von neun Wochen im Sommer dann tatsächlich vier Wochen bekommen.

 

Kennen Sie die Problematik, Herr Himmer?
Heinrich Himmer: Ja und das tut mir leid, vor allem als Vater. Auch wenn die Camps nicht von den Schulen organisiert werden, zeigt es, wo unser System steht. Unser Schulsystem schafft es nicht, so auf die Anforderungen zu reagieren, wie es sein müsste. Das liegt nicht an den Einzelpersonen oder -institutionen, sondern an der Grundaufstellung. In Wien sind von den 240.000 Schülerinnen und Schülern mehr als 40 Prozent in einer Ganztagsbetreuung. Die Schule gibt die Kinder mit dem Zeugnis im Juli an die Eltern ab und dann müssen Eltern, Länder und Gemeinden kompensieren. Die Eltern sind im Regelfall auch über den Sommer berufstätig. Das kann sich nicht ausgehen. Man versucht, etwas zu kompensieren, wo die Grundform nicht mehr passt. Und das ist am Ende immer ein Hinbasteln.
Krömer: Ich finde, es geht diametral auseinander. Als ich in die Schule gegangen bin, da gab es Sommerferien und die Energieferien, die 1974 wegen der Energiekrise und den hohen Rohölpreisen eingeführt wurden. Braucht man die jetzt tatsächlich noch und braucht man auch Herbstferien und so weiter? Wir müssen vierzehneinhalb Wochen Ferien besetzen. Und für mich ist der Arbeitsaufwand als Frau auch um ein Vielfaches gestiegen.

 

Frau Pitterle, Sie sind für mehr als 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Accenture Österreich verantwortlich. Wie sehen Sie das?
Martina Pitterle: Die Berufswelt und die Anforderungen an die Arbeitswelt, die Flexibilität, die wir alle an den Tag legen und legen müssen, gehen nicht einher mit einem noch immer sehr starren Schul- und Feriensystem, das sich irgendwann in den Siebzigerjahren entwickelt hat.

Kommentare