Lehrplan für digitale Bildung liegt vor: Herbe Expertenkritik

Lehrplan für digitale Bildung liegt vor: Herbe Expertenkritik
Für das neue Unterrichtsfach wurden die Empfehlungen der eigenen Arbeitsgruppe wenig beachtet.

Im Herbst soll es so weit sein: Aus der verbindlichen Übung "Digitale Grundbildung“ wird ein Pflichtfach, in dem die Schüler auch benotet werden. Eingeführt wird es im Ausmaß von einer Schulstunde pro Woche für vier Schuljahre. Zuerst kommt es für die 1. bis 3. Klasse Mittelschule bzw. AHS, ein Jahr später wird das Fach auf die vierten Klassen ausgeweitet. Der entsprechende Lehrplan-Entwurf ist am Mittwoch in Begutachtung gegangen.

Parallel dazu werden weitere Endgeräte an die Schüler verteilt. Denn: "Der Computer gehört zum Unterricht wie der Ball zur Turnstunde“, teilt Bildungsminister Martin Polaschek mit. Laut dem Ministerium soll sich das Schulfach mit der Auswirkung der Digitalisierung auf die Gesellschaft beschäftigen – im Bereich der Informatik und im Sinne der Medienbildung. Die Schüler sollen etwa lernen, wie sie sich vor Cybermobbing wappnen oder Fake News erkennen. Auf diesem Weg will man auch "Demokratie- und Wissenschaftsfeindlichkeit“ bekämpfen.

Internet und Klima

Zusätzlich sollen Programmieren sowie das Übersetzen von Sachverhalten in informatische Programmiersprachen vermittelt werden. Außerdem sollen die Schüler einen klimabewussten Umgang mit digitalen Geräten und dem Internet lernen.

Mit dem Erstellen eines ersten Lehrplanentwurfs war eine Gruppe von Experten aus dem Bereich der Universitäten und Pädagogischen Hochschulen betraut. Ausgerechnet diese Experten zeigen sich nun aber besorgt darüber, wie ihre Vorschläge im Ministerium weiterverarbeitet wurden.

Der Begutachtungsentwurf weise gegenüber der Expertenfassung "viele Veränderungen auf, sodass der für den Kompetenzerwerb vorgeschlagene Lehrplan-Aufbau über die verschiedenen Schulstufen hinweg zerstört wurde“, sagt die Medienkulturwissenschafterin Petra Missomelius. Sie war Leiterin der Arbeitsgruppe zur Erstellung des Lehrplans. Dies betreffe besonders den Umstand, "dass Informatik-Inhalte ohne Rücksprache mit der Expertengruppe gesellschaftsbezogene, soziale, gestalterische u. a. Perspektiven des Lehrplans verdrängt haben“.

Interdisziplinäre Gestaltung

Dabei wäre es laut Missomelius wichtig, den neuen Pflichtgegenstand interdisziplinär zu gestalten. "Bei der Umsetzung des Lehrplans sind neben informatischen etwa auch philologische und künstlerisch-kreative Herangehensweisen gefragt.“

Auch die Schüler selbst wollen ja vor allem Fähigkeiten erlernen, die sie im Alltag brauchen, wie jüngst eine Studie der Stiftung Wirtschaftsbildung gezeigt hat. Dazu zählen etwa Kommunikationsfähigkeiten und soziale Kompetenzen.

Spannend sei nun, wie die Interdisziplinarität in der Lehrer-Aus- und -Weiterbildung angegangen wird – "oder ob man doch im traditionellen Schubladendenken verbleibt“, sagt Missomelius.

Die Neos kritisieren, dass bis jetzt nicht klar sei, wer das neue Pflichtfach überhaupt unterrichtet. Denn: "Eine verpflichtende digital-didaktische Fortbildung für alle Lehrkräfte wird vom Bildungsministerium kategorisch abgelehnt“, sagt die pinke Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre. Ein neues Fach einzuführen, ohne die Lehrer mit entsprechenden Ressourcen und Kenntnissen auszustatten, sei "eine Farce“.

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