Von der Universität in die Hauptschule

Von der Universität in die Hauptschule
Hochschulabsolventen arbeiten zwei Jahre als Lehrer, bevor sie einem anderen Beruf nachgehen.

Jede Stunde beginnt mit dem gleichen Ritual. So hat sich Mathias Kluger das zumindest vorgestellt. „Wie beginnen wir den Unterricht?“, fragt er seine Schüler und löst damit einen Aha-Effekt aus. Die Kinder stehen nach und nach auf und rufen im Chor: „Guten Morgen“. Jetzt kann’s losgehen.

Mathias Kluger unterrichtet seit September in der Kooperativen Mittelschule Florian-Hedorfer-Straße in Wien-Simmering. Und das obwohl er gar kein ausgebildeter Pädagoge ist, sondern studierter Sozialökonom und Ressourcenmanager. Dass er jetzt in der Klasse steht, ist Zufall. Von einem Freund erfuhr er von der InitiativeTeach for Austria“. Die Idee: Junge Menschen, die gerade ein Studium abgeschlossen haben, sollen zwei Jahre lang unterrichten. Und zwar an Schulen, die in urbanen Bezirken liegen – wo viele Kinder leben, die weniger gute Startbedingungen haben.

Jobangebot

Kluger hat von der Initiative zwei Tage vor Bewerbungsschluss erfahren. Er war sofort Feuer und Flamme – und bewarb sich, obwohl er ein anderes Jobangebot hatte: „Ich plante nicht, Lehrer zu werden. Aber zwei Jahre in eine Klasse zu gehen, konnte ich mir vorstellen. Schließlich habe ich zuvor schon viel mit Kindern gemacht, etwa Kletterkurse gegeben.“

In den letzten zwei Monaten sind ihm seine Schüler schon sehr ans Herz gewachsen. „Ich versuche zu jedem Kind eine Beziehung aufzubauen. Denn Kinder lernen vor allem über Beziehung“, ist er sicher. Ob ihm das gelingt? Das Herz von Ugur hat er jedenfalls erobert: „Den Mathias mag ich halt. Das ist mein Lieblingslehrer“, sagt der Bub. Auch Natalie ist von ihm angetan: „Er macht alles so spannend. Aber er kann auch ganz schön streng sein. Wenn wir nicht aufpassen oder nicht brav sind, bekommen wir am Ende der Stunde keinen Stempel.“ Doch genau diesen Stempel hätte sie gerne. Mit ein wenig Anstrengung, wird sie ihn heute wohl noch bekommen.

Laura hingegen ist sich seiner sicher: „Ich mag Bio, besonders die Säugetiere interessieren mich“, sagt das Mädchen. Auch das
menschliche Skelett, das heute durchgenommen wird, findet sie spannend, „weil man da etwas zum Angreifen hat“. „Fühlt mal eure Knochen – und die eurer Mitschüler. Welche entdeckt ihr?“, fordert der Junglehrer die Kinder zum Tun auf. Laura spürt den Unter- und Oberarmknochen, der Junglehrer fragt: „Wozu sind Knochen gut?“ Für Josef eine klare Sache: „Wir brauchen Knochen, sonst wären wir ja nur Glibber (gallertartig, Anm.) “. Schon ist die Stunde aus und jeder bekommt heute seinen Stempel. Auch Natalie. „Die Planung erfordert sehr viel Zeit“, berichtet Kluger. Aber je genauer ich plane, desto besser funktioniert die Stunde.

Lob vom Profi

Direktorin Andrea Poschner ist mit seinem Unterricht zufrieden: „Er hat Talent und die natürliche Autorität, die einen guten Lehrer ausmacht. Er kann Kinder in seinen Bann ziehen.“

Er und seine 24 Kollegen wurden auf ihre Aufgabe gut vorbereitet. Zuerst in Online-Workshops dann in Intensiv-Seminaren: „Dabei habe ich nicht nur einiges über Pädagogik oder Hirnforschung gelernt, sondern auch viel über mich selbst: Wie nehme ich mich wahr, wie nehmen mich andere wahr.“
Die Fellows – so nennt man die Teilnehmer von Teach for Austria – treffen einander regelmäßig, besprechen ihren Lehreralltag und erhalten von ihren Betreuern Feedback: „Wir sind extrem motiviert und es herrscht ein guter Geist.“

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Idee Uni-Absolventen unterrichten zwei Jahre an Hauptschulen mit hohem Migrantenanteil.

Bewerbung Wer „Fellow“ werden möchte, bewirbt sich bis 20. Jänner 2013 unter www.teachfor­austria.at.

Auswahl Heuer gab es 670 Bewerber – 25 wurden genommen.

Ausbildung Vorbereitungskurs und Begleitung in der Praxis.

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