Klaus Hurrelmann, ist deutscher Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswissenschaftler. Er forscht zur jungen Generation Y und Z. Auch er setzt sich mit der Kluft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern auseinander.
Um den Konflikt zu verstehen, muss man sich die Lebensumstände und Wünsche aller Beteiligten genauer anschauen: „Die jungen Angestellten, jene zwischen 20 und 35, sind digital groß geworden. Digitalität bedeutet Individualität: Ich bin derjenige der gestaltet“, erklärt Hurrelmann den Wunsch der Jungen nach Selbstverwirklichung und Beteiligung.
Behütete Elternhäuser
Außerdem sind sie „in sehr geschützten, behüteten Elternhäusern groß geworden.“ Die Beziehung zu den Eltern ist meistens gut, man versteht einander, lebt gerne und lange im Elternhaus, erklärt er. „Dadurch entsteht eine gewisse Verwöhn-Haltung. Man hat liebevolle, verständnisvolle Menschen um sich, das gilt auch für den Freundeskreis und meist auch für die Schulen.“
Wettbewerbsdruck
Das alles wünschen sich junge Menschen dann auch am Arbeitsplatz, im Unternehmen. Die aber sehen sich zunehmend mit technologischer Weiterentwicklung und hohen Anforderungen im Dienstleistungsbereich gefordert.
„Sie stehen im Wettbewerbsdruck und müssen zusehen, dass sie das Beste vom Besten leisten. Entsprechend hoch sind auch die Erwartungen an die Angestellten.“
Die Corona-Pandemie hat die angespannte Stimmung noch verschärft, erklärt der Wissenschafter: „Die jungen Leute fühlen sich in ihrer Arbeitshaltung bestätigt. Sie haben gesehen, dass die zwanghafte Ausführung von Arbeitsprozessen an einem bestimmten Ort, zu festen Zeiten, in fixen Teams nicht unbedingt notwendig ist.“
Homeoffice
Die Pandemie habe gezeigt, dass in vielen Branchen eine Kombination aus Anwesenheit und Homeoffice möglich ist. „Das ist eine Bestätigung ihrer Vorstellung davon, eine hohe Lebensqualität zu bewahren und den Arbeitsprozess als eine angenehme Zugabe zu sehen. Aber nicht als den Inbegriff der Lebenserfüllung“ , so Hurrelmann.
Überstunden
Ganz im Gegensatz zu den Älteren, „die durchhalten, wenn es einmal langweilig oder schwierig wird. Und die auch bereit sind, einmal Überstunden zu machen.“ Die Unternehmen sind an diese arbeitszentrierte Haltung der Babyboomer gewöhnt.Sie kommen nur schwer damit zurecht, dass die Jungen nicht bereit sind, ihre Freizeit und ihr Privatleben zu opfern.
Die Ausgangssituation könnte nicht schwieriger sein. Wie also aufeinander zugehen? Und wer macht den ersten Schritt? Hurrelmann nimmt die Unternehmen in die Pflicht: „Sie müssen wohl oder übel auf die jungen Leute zugehen. Denn der Arbeitsmarkt ist dünn.“
Engagement
Arbeitskräfte müssten heute von den Firmen mit besonders viel Sorgfalt und Engagement angeworben werden: „In den Personalabteilungen werden deshalb Leute gesucht, die in der Lage sind, die Stärken und Schwächen der Jungen richtig einzuschätzen, mit ihnen gemeinsam Potenzialanalysen zu entwickeln , ihre Wünsche zu erkennen und auch darauf einzugehen.“
An dem Klischee, dass viele junge Menschen nicht mehr arbeiten wollen, sei etwas dran, bestätigt Hurrelmann und führt aus: „Sie legen auf jeden Fall großen Wert darauf, nur nach Vorschrift zu arbeiten und Arbeitszeiten genau einzuhalten oder eher noch zu kürzen.“
Krisen-Nebeneffekt
Der Wissenschaftler sieht darin auch einen Krisen-Nebeneffekt: „In einer so unsicheren Welt wollen die jungen Menschen in erster Linie ihr persönliches Leben erfahren und spüren.“ Für Unternehmen ist es deshalb besonders wichtig, die Jungen abzuholen und ihnen deutlich zu machen, welche Vorteile es bietet, bei ihnen zu arbeiten.
Die Jugend pauschal zu kritisieren, sei jedoch falsch, sagt der Experte: „Innerhalb dieser Generation sind sehr viele engagierte, kluge und gut ausgebildete junge Leute, die ihre eigenen politischen Vorstellungen haben. Das ist eine selbstbewusste, junge Generation, wie wir sie in dieser Stärke lange nicht mehr hatten.“
Gemeinsame Nenner
Damit beide Seiten davon profitieren – und schließlich erfolgreich zusammenarbeiten können, wird es wichtig sein „einen gemeinsamen Nenner zu finden“, rät Hurrelmann. „Man muss so lange miteinander reden, bis man Gemeinsamkeiten findet.“
Ein gemeinsames, neues Projekt, an dem man miteinander arbeitet, könnte beispielsweise helfen, die Beziehungen zu stärken.
Transformationsprozess
Ohne Turbulenzen wird man aber dennoch nicht durch den Transformationsprozess kommen, meint der Experte. Fest steht: „Unternehmen, die bereits heute von den jungen Mitarbeitern lernen und sich auf ihre Bedürfnisse einstellen, werden die Nase vorne haben.“
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