Streit um Transit durch Tirol: Italien bringt Klage gegen Österreich ein

Die Tauernautobahn Samstagfrüh kurz nach dem Knoten Salzburg.
Italien will Anti-Transit-Maßnahmen vor dem EuGH kippen. Tirols Landeshauptmann Mattle sieht sich "bestens vorbereitet".

Tirol sitzt seit Jahrzehnten in der Klemme - zwischen den Wirtschaftsinteressen der beiden großen EU-Nachbarländer Deutschland im Norden und Italien im Süden. Rund 2,4 Millionen Lkw rollen jedes Jahr durch Inn- und Wipptal auf der Brennerstrecke durch das Bundesland und über die wichtigste Alpenquerung Europas.

Mit verschiedensten Maßnahmen versucht Tirol den Schwerverkehr halbwegs und möglichst EU-rechtskonform in Bahnen zu lenken. Eine Reduktion der Laster ist dadurch nie gelungen. Dennoch stehen Land und Republik deswegen im Dauerfeuer der Kritik der Nachbarn.

Beschluss von Ministerrat in Rom

Im Streit um die Tiroler Anti-Transitmaßnahmen hat Italien nun die bereits angekündigte Klage gegen Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingebracht. Ein dementsprechender Beschluss wurde am Freitag vom Ministerrat in Rom gefasst, wie das italienische Verkehrsministerium bekannt gab. 

Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) sprach davon, nun mit der "österreichischen Arroganz Schluss machen" zu wollen. Der Vizepremier meinte, damit "die Rechtssicherheit für die europäischen Spediteure wiederherzustellen." 

Gewessler schießt zurück

„Arrogant ist, wer die Profite der Frächterlobby über die Bedürfnisse und Sorgen der Menschen in der betroffenen Region stellt“, spielte Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) den Ball zurück an Salvini. Dieser zeige mit der Klage erneut, dass ihm „die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort egal“ seien. 

Die Tirolerinnen und Tiroler würden „unter untragbaren Zuständen“, wie „Stau, Lärm und schlechter Luft“ leiden. „Wir werden die rechtskonformen Maßnahmen weiter verteidigen - auch vor dem EuGH“. Österreich bleibe aber „gesprächsbereit“ und es gelte, am „Verhandlungstisch nach einer Lösung“ zu suchen.

Italien reichte die Klage laut Artikel 259 EG-Vertrag ein, was ein präzedenzloser Fall war. Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) erklärt in einer ersten Stellungnahme gegenüber dem KURIER: "Sobald uns der Schriftsatz vorliegt, werden wir gemeinsam mit der Bundesregierung und Europarechtsexperten die Verteidigungsstrategie erarbeiten." 

"Tirol kann nicht mehr Lkw aufnehmen"

Mit der Causa soll dem Vernehmen nach EU-Ministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) auf Bundesebene befasst werden. Mattle zeigt sich vorerst kämpferisch: 

"Der EuGH hat nun offiziell die Wahl: die Gesundheit der Menschen und der Schutz der Umwelt oder die Interessen der Frächter-Lobby. Ich stehe jedenfalls an der Seite der Bevölkerung, denn Tirol kann und will nicht mehr LKW aufnehmen."

Überraschend kommt die Klage Italiens nicht: "Wir haben mit der Salvini-Klage gerechnet und sind bereits bestmöglich vorbereitet." Kein Wunder:

Warenverkehr eingeschränkt?

Die EU-Kommission hatte Mitte Mai im Transit-Streit den Weg für die Klage Italiens freigemacht. In einer Stellungnahme gab die Behörde der Kritik Italiens in markanten Bereichen recht, auf ein eigenes Vertragsverletzungsverfahren wurde aber verzichtet. Einige der Tiroler Maßnahmen würden den freien Warenverkehr einschränken. 

Konkret nannte man hier in einer veröffentlichten Aussendung am Ende eines dreimonatigen Verfahrens das Nachtfahrverbot, Sektorales Fahrverbot für "bestimmte schienenaffine Güter", das Winterfahrverbot an Samstagen und die Rationierung der Einfahrt von Schwerlastfahrzeugen auf die Autobahn, also die Lkw-Blockabfertigung bzw. Dosierung.

Maßnahmen Österreichs seien nicht kohärent

Einige Argumente Österreichs erkannte die Brüsseler Behörde zwar an, die Maßnahmen seien aber nicht kohärent und könnten daher nicht "durch die Erreichung der angestrebten Ziele (Umweltschutz, Straßenverkehrssicherheit, Verkehrsfluss oder Versorgungssicherheit) gerechtfertigt werden." Darüber hinaus dürften einige dieser Maßnahmen ausländische Unternehmen eher betreffen als österreichische, hieß es. Was den Einwand Italiens gegen Österreich bezüglich einer angeblich mangelnden loyalen Zusammenarbeit anbelangte, stellte die Kommission hingegen fest, dass Italien keine ausreichenden Beweise zur Untermauerung dieses Vorwurfs vorgelegt hatte.

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