Infos für Impfstoff: Der menschliche Körper als Datenschatz
Gib du mir die Infos, geb ich dir den Impfstoff: So simpel lautet der Deal zwischen Israel und dem Pharmariesen Pfizer, der als Weltmodell gilt. Pfizer liefert das begehrte Biontech-Serum in großen Mengen und erhält dafür sämtliche Impfdaten der Bevölkerung. In anonymisierter Form zwar, aber das kann Kritiker nicht beruhigen, schließlich bleibt unklar, welche Daten genau an Pfizer geliefert werden. Befürchtet wird, dass Pfizer es gleich auf die gesamte digitalisierte Impfdatenbank des Landes abgesehen hat.
Daten als Währung
Israel, das Land des gläsernen Patienten? Der Fall zeigt, wie Gesundheitsdaten von Millionen von Bürgern durch die Digitalisierung zum begehrten Handelsgut werden und quasi als neue Währung bei Pharma-Verträgen mit Staaten das Geld ersetzen.
"Digitalisierung funktioniert nur mit riesigen Datenmengen", weiß Erich Lehner, Leiter des Bereichs Life Sciences bei EY Österreich, "sie sind nötig, damit Technologien wie Blockchain oder künstliche Intelligenz überhaupt funktionieren".
Branchenexperten der Beratungsgesellschaft EY gehen davon aus, dass digitale Plattformen künftig maßgeblich über den Erfolg von Pharmaunternehmen entscheiden werden. Das Geschäft boomt wie noch nie. Experten von McKinsey sprechen gar von einer "100-Milliarden-Dollar-Gelegenheit" für den Pharmasektor. Schon jetzt sind 30 Prozent der weltweit verfügbaren Daten Gesundheitsdaten, in den USA wurden allein im Vorjahr 2,4 Milliarden Dollar in Start-ups im Gesundheitsdatenbereich gesteckt.
Big Data goes Pharma
Das Geschäft mit Gesundheitsdaten haben längst auch jene Konzerne entdeckt, die auf diesen Datenschatz schon sitzen, weil das Sammeln und Auswerten von Nutzerdaten zu ihrem Kerngeschäft zählt: Amazon, Google, Apple oder Samsung drängen derzeit massiv in den lukrativen Pharmamarkt. Ein paar Beispiele: Google-Mutter Alphabet besitzt mit Verily Life Sciences eine eigene Biotech-Unternehmen.
Über das Joint-Venture Onduo kooperiert Google mit Diabetes-Spezialist Sanofi, um mit Hilfe von Big Data die Behandlung von Diabetes-Patienten zu verbessern. Vor zwei Jahren kaufte sich der Internet-Gigant den Fitnesstracker-Hersteller Fitbit – und damit die Gesundheitsdaten von Millionen von Fitbit-Nutzern gleich dazu. Zwar versprach Google, die Nutzerdaten nicht zur Platzierung von Anzeigen zu verwenden, aber mehr auch nicht.
Auch Apple zapft die Daten von Millionen Apple-Watch-Nutzer an. Über die Diagnose-Apps, die unter anderem mittels EKG die Vitalfunktionen des Nutzers aufzeichnen, kommt der Konzern zu wichtigen Gesundheitsdaten. Eine wesentliche Rolle am Weltmarkt biopharmazeutischer Arzneimittel spielt die Samsung-Tochter Samsung Biologics und Samsung Bioepis hat in Kooperation mit Merck bereits mehrere Arzneimittel zur Zulassung gebracht. Und Amazon stieg mit Amazon Pharmacy groß in den globalen Online-Vertrieb von Medikamenten ein. Eine Kampfansage an alle Apotheken.
Digitale Disruption
Was bedeutet es, wenn Tech-Konzerne den Pharmamarkt erobern und sogar selbst Arzneimittel herstellen? Erich Lehner spricht von einer "digitalen Disruption" am Pharmamarkt. "Das Gesundheitswesen war immer ein eingespieltes Ökosystem aus Pharmaindustrie, Ärzten, Kliniken und Patienten. Jetzt gerät dieses Netzwerk durch völlig neue Mitbewerber ins Wanken".
Die IT-Konzerne würden mit innovativen Tools verstärkt auf den Markt drängen, enorm schnell Kundennähe aufbauen und durch die Vernetzung mit anderen Partnern neue Geschäftsmodelle entwickeln. Etablierte Pharmafirmen wie Pfizer, Sanofi etc. hätten die Wahl: "Sie können am Spielfeldrand stehen bleiben und passiv bei der Transformation zuschauen – oder den Wandel als wichtiger Player auf dem Feld vorantreiben – in dem sie sich mit neuen Technologien verbünden.
Gläserner Patient
Datenschützer warnen ob der rasanten Digitalisierung des Gesundheitssektors vor dem "gläsernen Patienten". "Die Bedrohung ist leider real. Die wachsenden Begehrlichkeiten der Wirtschaft, an elektronische Gesundheitsdaten (ELGA-Daten) zu gelangen, machen uns große Sorgen", warnt Datenschutz-Experte Thomas Lohninger von Epicenter.works.
Bei Gesundheitsdaten wie Impfungen handle es sich laut DSGVO um besonders sensible Daten, für die erhöhte Anforderungen an die Sorgfalt gelten und eine verpflichtende Risikoabschätzung gemacht werden muss. Der Staat habe die Pflicht, die Bürger vor allzu großen Begehrlichkeiten aus der Wirtschaft zu schützen.
Überwachungstools
"Ein gefährlicher Trend" sei auch , dass private Krankenversicherungen beginnen, ihre Kunden mit Fitness-Trackern und anderen Geräten zu überwachen und die Prämien danach berechnen. Smartwatches, Apps oder intelligente Körperwagen würden oft mit hohen Rabatten und Vorteilen beworben, damit Kunden fleißig zugreifen und anschließend – oft unwissentlich - mit ihren Gesundheitsdaten bezahlen. "Wenn wir hier nicht aufpassen wird Datenschutz von einem Grundrecht zu einem Luxusgut, das sich nur noch wenige leisten können", so Lohninger.
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