Einfamilienhaus und Eigentumswohnung: Wo wohnen noch leistbar ist
„Unser größter Traum ging in Erfüllung, als wir damals unterschrieben haben. Unsere Familie konnte endlich beginnen zu wachsen und Wurzeln schlagen.“ Mit diesen Worten erinnern sich Sabrina und Thomas B. daran, wie sie vor knapp fünfzehn Jahren ihr Haus in Niederösterreich gekauft haben. Auf 135 Quadratmetern Wohnfläche leben die beiden seither so, wie es für viele die Idealvorstellung ist: Mit zwei Kindern, dem Terrier und kleinem Garten. „Es war befreiend, keine Miete mehr zahlen zu müssen und unsere Eigentum nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Keine direkten Nachbarn, die sich vom Babygeschrei oder lauter Musik gestört fühlen könnten“, erzählt Thomas und gibt zu: „Inzwischen könnten wir uns ein ähnliches Haus aber gar nicht mehr leisten, rundherum sind die Preise gestiegen und gestiegen.“
Das belegt auch die Datenlage.
Um fast 80 Prozent haben sich Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen in Österreich in den vergangenen 10 Jahren verteuert. Was die Statistik Austria in nüchterne Zahlen gießt, spüren junge Familien hautnah auf der Suche nach dem Wunschdomizil.
Preisbeispiel
Alexander Bosak von Exploreal beschäftigt sich seit 2017 mit Preisbeobachtungen und nennt ein Beispiel, das diese Entwicklung veranschaulicht: „Eine Neubauwohnung im 20. Bezirk kam 2017 noch auf rund 4.580 Euro pro Quadratmeter. Eine gerade fertiggestellte Wohnung in ähnlicher Lage kommt heute bereits auf 5.630 Euro.
Wo die Preise stagnierten
Doch es gibt auch Lagen in Wien, welche die Preisrallye nicht mitgemacht haben. Alexander Bosak: „Leistbares Wohnen ist in Wien und Niederösterreich natürlich relativ zu sehen, da es hier viele gemeinnützige Projekte gibt – die alle günstiger sind als der Privatmarkt. Doch zum Beispiel im 23. Bezirk kostet eine Eigentumswohnung rund 3.950 Euro pro Quadratmeter im Neubau mit Loggia, ein Vergleichsobjekt aus dem Jahr 2018 ist auf 3.875 Euro gekommen.“ Hier haben sich die Kaufpreise also nur geringfügig verändert.
Freilich muss man dazu sagen: „Die tendenziell bessere Qualität der auf den Markt kommenden Einfamilienhäuser ist sicherlich auch mitverantwortlich für die spürbaren Preissteigerungen der vergangenen Jahre,“ betont Bernhard Reikersdorfer, Geschäftsführer von Remax Austria.
Kauf geht sich oft einfach nicht aus
Dennoch: Für junge Familien, die nicht geerbt haben oder das Grundstück von den Eltern geschenkt bekommen, geht sich die Verwirklichung des Wunsches, in den eigenen vier Wänden zu wohnen, oft einfach nicht aus. Wie der Erwerb dann finanziert wird? „Generell kann man bei Eigentumsimmobilien schwer sagen, wie viel Hilfe von der Familie zur Erfüllung des Wohntraums erforderlich war,“ so Lukas Tockner von der Arbeiterkammer Wien.
Steigende Preise, kaum mehr Kaufkraft
Klar ist: Die Entwicklung des Haushaltseinkommens konnte mit dem rasanten Anstieg der Wohnungskaufpreise nicht Schritt halten. Das durchschnittliche Haushaltseinkommen ist in den vergangenen zehn Jahren um vergleichsweise niedrige 33 Prozent gestiegen. Hinzu kommt: Kaufkraftbereinigt ist dieser Anstieg kaum auf den Konten der arbeitenden Bevölkerung angekommen. Die Folge: Die Leistbarkeit von Wohnungsbesitz nimmt im städtischen Raum stetig ab. Das zeigt auch der aktuelle Property-Index des Beratungsunternehmens Deloitte. Im Durchschnitt kostet der Quadratmeter Wohnraum beim Erstbezug in Österreich aktuell fast 4.200 Euro.
Um das in Relation zu setzen:
Für eine 70 Wohnung müssen rund zehn durchschnittliche Bruttojahresgehälter aufgebracht werden: Um tatsächlich kaufen zu können, muss also lange Zeit Geld zur Seite gelegt werden. Warum die Kaufpreise für Wohnraum in den vergangenen Jahren so stark gestiegen sind, hat mehrere Gründe. Einerseits hat das mit den Grundstückspreisen zu tun. Grund und Boden ist vor allem in und um die Städte rar und damit ist die Preisentwicklung den Kräften des freien Marktes ausgesetzt.
Baugründe verteuern sich rasant
Die Kaufpreise für Baugrundstücke sind auf Rekordniveau, vor allem in Wien und Umland. Dazu hat auch die Corona-Pandemie beigetragen. Im Zuge der Lockdowns wurde der Wunsch nach einem Fleckchen Grün vor den Toren der Stadt noch einmal mehr angekurbelt. Daher ist es häufig nicht (nur) das Einfamilienhaus oder die Eigentumswohnung, die das Gros des Preises ausmacht, sondern der Baugrund.
Hinzu kommt, dass Wohnraum aufgrund der niedrigen Zinsen immer mehr zum Spekulationsobjekt wird. „Institutionelle Anleger wie etwa Pensionsfonds kaufen den Markt leer und treiben die Preise weiter nach oben“, sagte etwa Sandra Bauernfeind von EHL Immobilien. Da Investoren immer auch Anlegerinteressen im Auge haben, verkaufen sie die Objekte auch zu dementsprechenden Preisen weiter.
Große Nachfrage nach Häusern
Die Entwicklung der Grundpreise wirkt sich freilich auch auf den Einfamilienhausmarkt aus. „Im vergangenen Jahr sind die Preise aufgrund des stark rückläufigen Angebots und der guten Nachfrage deutlich gestiegen. Der vermehrte – sicherlich auch pandemiegetriebene – Wunsch nach einem Haus mit eigenem Grün, war stark ausgeprägt“, so Bernhard Reikersdorfer. Den Remax-Experten zufolge bezahlten die Käufer f ür das typische Einfamilienhaus 2020, über alle Verbücherungen in Österreich gerechnet, 277.271 Euro – um 25.400 Euro mehr als 2019.
Doch es gibt sie:
Lagen, wo die Preise für Grundstücke und Häuser erschwinglicher sind. Wer bereit ist, etwas mehr Fahrzeit zwischen Wohnort und Arbeitsplatz in Kauf zu nehmen, profitiert von niedrigeren Preisen. Der Suchradius der Kaufinteressenten dehnt sich daher immer mehr aus. Wohnexperte Lukas Tockner von der Arbeiterkammer Wien bestätigt das: „In Zeiten von verstärktem Homeoffice ist die Nähe zum Arbeitsplatz vielleicht nicht mehr priorisiertes Kriterium.“
Suchradius ausdehnen
Gerade am Land scheint der Kauf von Eigentum leichter umsetzbar. So sind Einfamilienhäuser im burgenländischen Oberwart und Güssing laut Remax zu vergleichsweise günstigen Preisen zu bekommen (um durchschnittlich 108.000 Euro). Im niederösterreichischen Amstetten und in Waidhofen/Ybbs sind die Kaufpreise für Einfamilienhäuser verglichen mit dem Speckgürtel um Wien erschwinglicher (mit durchschnittlich 292.363 Euro). In der Steiermark ist das Murtal am günstigsten ( Durchschnittspreis 75.524 Euro), in Oberösterreich ist es Rohrbach mit durchschnittlich 125.592 Euro und in Salzburg Tamsweg (durchschnittlich 115.000 Euro).
Abseits beliebter Lagen suchen
Den Traum vom Eigenheim muss man aufgrund der steigenden Preise also nicht zwingend aufgeben. Aber man muss genau hinsehen, alle Nebenkosten einrechnen. Es lohnt sich auf jeden Fall, frühzeitig über die Finanzierung nachzudenken und auch abseits beliebter Gegenden zu suchen.
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