Durch die Hintertür zu billigeren Strom- und Gastarifen

Durch die Hintertür zu billigeren Strom- und Gastarifen
Verbraucherschützer rufen dazu auf, sich auf das Recht auf Grundversorgung zu berufen. Energiewirtschaft ortet darin einen Missbrauch.

Gegen die hohen Energiepreise ist ein Kraut gewachsen, meinen Verbraucherschützer. Denn Haushaltskunden und kleine Unternehmen haben in Österreich ein Recht auf die sogenannte Grundversorgung mit Strom und Gas. Dabei dürfen die verrechneten Tarife nicht höher sein, als jene, die der Großteil der Kunden des jeweiligen Unternehmens haben. Der Clou dabei: Bestandskunden haben meist deutlich günstigere Preise, als aktuell am Markt angeboten werden. Bei Österreichs größtem Stromkonzern Verbund etwa kostet eine Kilowattstunde Strom dann nur etwa 16 statt 49 Cent. 

Das Recht auf Grundversorgung sollte eigentlich Menschen helfen, denen die Energielieferungen etwa aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten eingestellt wurden, oder die aus anderen Gründen keinen Liefervertrag abschließen können. 

Dazu muss ein Musterbrief an den entsprechenden Energielieferanten geschickt werden, manche verlangen auch eine Akontozahlung oder eine Kaution. Wie hoch der jeweilige Grundversorgungstarif ist, muss von den Unternehmen ausgeschildert werden – da es sich um keinen regulären Neukundenvertrag handelt, scheinen die Preise aber beispielsweise nicht in den gängigen Vergleichsrechnern auf.

Ein Sozialtarif im eigentlichen Sinn ist es aber nicht. "Soziale Bedürftigkeit oder fehlgeschlagene Versuche bei der Lieferantensuche sind keine gesetzlichen Voraussetzungen für die Berufung auf die Grundversorgung", erklärt die Regulierungsbehörde E-Control auf Anfrage des KURIER. 

"Selbstorganisierte Gewinnabschöpfung"

War der eigentliche Gedanke also, Menschen in Problemlagen die Energieversorgung zu garantieren, kann der Anspruch jetzt also auch dazu genutzt werden, einen günstigen Tarif zu bekommen. Peter Kolba vom Verbraucherschutzverein (VSV) bezeichnet das Vorgehen auf dem Kurznachrichtendienst Twitter sogar als "selbstorganisierte Gewinnabschöpfung". 

Sowohl E-Control als auch Verbund bestätigen, dass es einen Anstieg bei den Anträgen auf Grundversorgung gibt. Zu welchem Ausmaß das auf finanzielle Nöte zurückgeht, ist nicht klar. "Falls es zu missbräuchlicher Inanspruchnahme kommen sollte, werden Kontrollmechanismen implementiert werden müssen", heißt es dazu beim Verbund, denn Unternehmen könnten nicht verpflichtet werden, "an nicht schutzbedürftige Kunden unter Marktpreis verkaufen zu müssen".

E-Wirtschaft will strengere Regeln

Wie diese Kontrollmechanismen aussehen könnten, ist aber unklar. Zwar verlangen manche Energieanbieter Belege, wie den Nachweis eines niedrigen Einkommens, laut Kolba ist das aber nicht erlaubt. Willkürlich verteuern können die Energieunternehmen die Grundversorgungstarife auch nicht, bestätigt die E-Control. Nur wenn sich im Rahmen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Preise für den Großteil der Bestandskunden erhöhen, kann der zulässige Höchstpreis für die Grundversorgung mitgezogen werden. 

Durch die Hintertür zu billigeren Strom- und Gastarifen

In Wien, Niederösterreich, Salzburg, Vorarlberg und dem Burgenland gibt es bei der Grundversorgung mit Strom Regelungen, die den Unternehmen erlauben, die Belieferung zu beenden, wenn ein Marktteilnehmer den jeweiligen Kunden einen regulären Liefervertrag gibt. Wie das in der Praxis passieren soll, ist aber nicht geregelt. Das Problem ist insofern neu, als die Grundversorgung erst durch die aktuell starke Diskrepanz zwischen Bestandskunden- und Neukundentarifen einen Kostenvorteil bietet. 

Wolfgang Urbantschitsch, Vorstand der E-Control, sprach sich zuletzt dafür aus, die Regelung zu ändern, um den Zugang auf die eigentliche Zielgruppe zu beschränken. Beim Energieministerium gibt es dazu bisher keine Initiative. "Schutzbestimmungen für Haushalte und kleine Unternehmen aufzuweichen" sei in Zeiten hoher Energiepreise grundsätzlich nicht geplant, heißt es auf Anfrage des KURIER.

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