Experte hält Signa-Insolvenz für wahrscheinlich, Signa wehrt sich

Experte hält Signa-Insolvenz für wahrscheinlich, Signa wehrt sich
Deutscher Experte: "Zweifelhaft, ob Banken sich durch Schönreden hinhalten lassen." Hoher Abwertungsbedarf bei Immobilien.

Nach Ansicht des deutschen Handelsexperten Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein deuten alle Signale zu René Benkos Firmengruppe darauf hin, "dass es nicht nur Zahlungsschwierigkeiten gibt, sondern das Unternehmen kurz vor einer Insolvenz unter Umständen steht". Der Sanierer Arndt Geiwitz werde zunächst Transparenz schaffen und die Banken beruhigen müssen, sagte Heinemann am Donnerstag im Ö1-Mittagsjournal.

Mehr zum Thema: Rochade bei Signa - Benko übergibt Ruder an Sanierer Geiwitz

Ob Geiwitz das gelingen werde, sei jedoch fraglich, so Heinemann. In den nächsten Wochen stünden etliche Refinanzierungen an, und die Banken seien von der deutschen Bankenaufsicht angewiesen worden, "genauer hinzuschauen, was offensichtlich in der Vergangenheit nicht der Fall war. Und da wage ich zu bezweifeln, dass die Banken einfach nur durch ein Schönreden sich hinhalten lassen."

Mehr zum Thema: "Notarzt" für schwierige Fälle - dieser Mann soll Benkos Signa retten

Geflecht von rund 1.000 Firmen

Vieles sei bei dem Firmengeflecht von rund 1.000 Firmen unklar, so der Experte. Zwischen diesen Firmen würden auch Geschäfte laufen und die gegenseitigen Haftungen seien nicht geklärt. Unklar ist vorerst auch noch, um welche Summen es genau geht. Die kolportierten 200 bis 400 Mio. Euro sollen laut Heinemann "angeblich der Betrag sein, der noch im November fällig ist", bis Jahresende sollen es "bis 1 Milliarde und mehr" sein.

Mehr zum Thema: Die Signa-Projekte in Österreich: Derzeit kein Baustopp in Sicht

"Da ist noch nichts übertragen worden, was man hört"

Da Benko kein offizielles Amt innehabe, sei auch unklar, wovon er sich jetzt eigentlich zurückziehe. "Die Stimmrechte seiner Anteile - über 50 Prozent - sind wohl noch nicht übertragen. Er besitzt ja indirekt über seine Stiftung die Mehrheit, und da ist noch nichts übertragen worden, was man hört. Gerede ist das eine und Fakten und Tatsachen das andere."

Leitartikel: Signa-Rückzug von René Benko - mehr als Gut oder Böse

Hoher Abwertungsbedarf bei den Immobilien

Wenn Benko "jemanden aus dem Hut zaubern könnte", etwas aus dem Nahen Osten oder einen russischen Oligarchen, "dann hätte er das schon geschafft, das sieht nicht so aus", meinte Heinemann. Bei den Immobilien gebe es einen hohen Abwertungsbedarf mit einem enormen Risiko für die Banken. Daher werde Geiwitz möglicherweise einen außergerichtlichen Vergleich schaffen, quasi ein außergerichtliches Insolvenzverfahren. "Allerdings in der Aufruhr und Intransparenz, die vorliegt, glaube ich eher an ein echtes Insolvenzverfahren, zumal ja schon seit einigen Wochen keine Zahlungen mehr erfolgen, die erfolgen müssten."

Mehr zum Thema: Causa Benko - weitere Signa-Gesellschaft könnte in Bedrängnis geraten

Signa weist Insolvenz zurück

René Benkos Signa-Gruppe hat die Aussagen Heinemanns zur Zukunft des Unternehmens als "tatsachenwidrige Behauptung" zurückgewiesen, die "massiv kreditschädigend" sei. An Heinemanns Behauptungen bestehe kein öffentliches Interesse, zumal dieser über keinerlei unmittelbare Informationen zu Signa verfüge und kein Kontakt zu ihm bestehe, ließ Signa der APA über ihren Anwalt Peter Zöchbauer mitteilen.

 

Mehr dazu: Geiwitz hat bei Signa nun das Sagen, rechtliches Konstrukt offen gelassen

Geiwitz hat das Sagen, rechtliches Konstrukt offen

Sanierer Arndt Geiwitz übt die bisherigen Stimmrechte von Benko aus - was für ein rechtliches Konstrukt dahinter steht, ist offen. Laut Ö1-Mittagsjournal vom Donnerstag will Geiwitz bis Ende November klarmachen, wie er sich die Restrukturierung vorstellt, was unbedingt notwendig ist. Sie prüfen weitere Geschäftsaussichten für Gebäude - also wo etwas verdient werden kann und wo es Kaufinteressenten gibt. Gespräche würden in Europa und im arabischen Raum mit potenziellen Geldgebern geführt.

Die Zeitung Presse (Donnerstag) wirft die Frage auf, ob Benko trotz seit Jahren fehlender tatsächlicher operativer Funktion in seinem Lebenswerk nicht doch womöglich "faktischer Geschäftsführer" war, den im Fall des Falles Haftungsfragen treffen können. Für Beobachter steht jedenfalls außer Zweifel, dass Benko bis zur Übergabe an Geiwitz das Sagen hatte. Über seine Familienstiftung hält Benko indirekt die Mehrheit der Signa-Anteile.

 

Experte hält Signa-Insolvenz für wahrscheinlich, Signa wehrt sich

Sanierungsexperte Arndt Geiwitz

Berliner Senat will Bauprojekte nicht aufgeben

Der Berliner Senat will unterdessen die Planungen für Bauprojekte der angeschlagenen Signa-Gruppe wie am Neuköllner Hermannplatz trotz der Finanzprobleme des Unternehmens weiterverfolgen. "Wir beobachten die Entwicklung bei Signa sehr genau", teilte der Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, Martin Pallgen, am Donnerstag mit. "Wir haben ein städtebauliches Interesse an der Entwicklung der verschiedenen Projekte, an denen auch viele Arbeitsplätze hängen."Zuvor hatten mehrere Medien darüber berichtet. 

Der mit Problemen kämpfende Immobilienkonzern Signa rund um Benko hat einem Bericht des deutschen Tagesspiegel zufolge sämtliche Bauprojekte in Berlin gestoppt. Dazu gehören etwa die Standorte der Handelskette Karstadt am Hermannplatz und im Wedding sowie das Projekt "Glance" in der Franklinstraße (Charlottenburg). Der Tagesspiegel hatte sich bei seinem Bericht am Mittwoch auf Unternehmenskreise bezogen.

Die Bauverwaltung werde aus Gründen der Stadtentwicklung und zur Sicherung der Warenhausstandorte die Planungen zum Bebauungsplan am Hermannplatz und den Rahmenplan für das Areal Kurfürstendamm/Rankestraße/Augsburger Straße nicht stoppen, so Sprecher Pallgen weiter. "Wer dies fordert, nimmt billigend in Kauf, dass wichtige Projekte zur Entwicklung der Berliner Zentren und zahlreiche Arbeitsplätze aufs Spiel gesetzt werden."

Mehr zum Thema: Ex-Porsche-Chef über Benko - "Zahlen stimmten nicht überein"

Kommentare