Grünen-Minister Özdemir gegen Billig-Preise für Lebensmittel
Mehr Tierwohl und Bio, weniger Fertigprodukte – und Zwistigkeiten zwischen Bauern und Tierschützern befrieden, wenn es um den Wolf oder Einsatz von Düngemittel geht. Deutschlands neuer Minister für Landwirtschaft und Ernährung, Cem Özdemir (Grüne), hat schwierige Missionen vor sich.
Um die Quadratur des Kreises bemühte er sich nun im Sonntagsinterview mit der Bild-Zeitung. Darin forderte er höhere Preise für Lebensmittel und Agrarprodukte: "Es darf keine Ramschpreise für Lebensmittel mehr geben, sie treiben Bauernhöfe in den Ruin, verhindern mehr Tierwohl, befördern das Artensterben und belasten das Klima", erklärte Özdemir.
Davon "kann keine Bauernfamilie leben"
Zuletzt wären die Preise für Schweinefleisch eingebrochen – von einem Kilopreis von vier Euro für Faschiertes "kann keine Bauernfamilie leben". Zwar dürften Lebensmittel "kein Luxusgut werden, doch der Preis muss die ökologische Wahrheit stärker ausdrücken", so der frühere Parteichef (2008 bis 2018).
Eine ähnliche Diskussion gab es zuletzt auch in Österreich. ÖVP-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger sprach sich dafür aus, dass Fleisch im Handel ein Drittel mehr kosten müsse. Kritik kam von Konzernen wie Agrarvertretern. Anderen wiederum waren 30 Prozent für mehr Nachhaltigkeit unzureichend.
In der Preisdebatte in Deutschland meldete sich der Paritätische Wohlfahrtsverband zu Wort, der mehr Belastung für Arme befürchtet. Eine Erhöhung müsste „zwingend mit einer deutlichen Erhöhung der Regelsätze einhergehen. Man kann Ökologisches und Soziales nicht trennen. Es gehe nur ökosozial, sonst verliere man die Unterstützung der Bevölkerung“, sagte Geschäftsführer Ulrich Schneider in der Welt am Sonntag. Zur Frage, ob die Regierung einen sozialen Ausgleich plant und wie dieser aussehen könnte, gab es bisher wenig Details. Eine Sprecherin verwies auf das geplante Bürgergeld: In die Neuberechnung der Grundsicherung flössen Preissteigerungen bei Lebensmitteln ein.
Deutsche essen ungesund
Neben mehr Wertschätzung für Lebensmittel und deren Erzeuger will Özdemir diese auch gesünder machen: "Deutschland ernährt sich insgesamt zu ungesund", kritisiert er. Über 50 Prozent der Erwachsenen seien übergewichtig. Die Industrie müsse sich künftig an verbindliche Reduktionsziele für Zucker, Fett und Salz halten, besonders in Fertigprodukten. In Ländern wie Großbritannien und Frankreich wurde eine Steuer erhoben (Zucker) bzw. eine Lebensmittelampel auf Verpackungen eingeführt.
Ein weiterer Plan von Özdemir ist die Steigerung der Fläche ökologisch bestellter Felder von zehn auf 30 Prozent bis 2030. Die Landwirte wären dafür längst bereit, so der Minister. Damit ihre Produkte Abnehmer finden, wolle er die "Nachfragemacht des Staates nutzen". So soll die Verpflegung in öffentlichen Einrichtungen auf mehr regional und Bio umgestellt werden.
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