Grüne Erde: Öko-Einrichtung aus dem Packerl
Während Händler quer durch die Bank über Umsatzeinbrüche klagen, hat das Öko-Unternehmen Grüne Erde ganz andere Sorgen. Das Versandhandelslager platzt aus allen Nähten, zuletzt hat der Online-Umsatz um 54 Prozent zugelegt.
„Wir machen schon mehr als ein Drittel vom Umsatz über eCommerce“, sagt Reinhard Kepplinger, Mehrheitseigentümer und Geschäftsführer der Grünen Erde. „Wir haben als Versandhändler begonnen, bis 1996 ausschließlich per Katalog verkauft und schon im Jahr 2000 einen Webshop aufgebaut.“ Die aktuell 14 Grüne-Erde-Läden (die Hälfte davon in Deutschland) sind also nur ein Standbein der Oberösterreicher.
Konkurrent Handschuh
Herausforderungen gebe es aktuell bei der Rohstoffbeschaffung, etwa bei Naturlatex, der für die Matratzen benötigt wird. Kepplinger: „Weil Kautschuk auch in der Produktion von medizinischen Handschuhen verwendet wird, wird er knapp, der Preis explodiert.“
Auch die Bio-Baumwollpreise kennen nur eine Richtung – die nach oben. Der Druck auf internationale Textilhandelsketten steigt, im großen Stil auf Bio-Baumwolle umzusteigen, was dazu führt, dass chinesische Zulieferer den Weltmarkt für die Produktionen der großen Handelsketten leer kaufen.
Auch bei anderen Rohstoffen läuft längst nicht alles glatt ab. Kaschmir sucht man bei der Grünen Erde beispielsweise seit einigen Jahren vergeblich. Der Kaschmir-Boom habe zur Überweidung ganzer Landstriche – etwa in der Mongolei – geführt. Da die Ziegen das Gras mitsamt der Wurzel ausreißen, sind die Schäden enorm, erläutert Kepplinger. Zudem gebe es zu wenig Bio-zertifizierte Ware. Seinen Schätzungen zufolge sind letztlich zwei Drittel des am Weltmarkt erhältlichen Kaschmirs gefälscht. Sprich, mit Kunstfasern versetzt.
Die Grüne Erde ist nicht nur Händler, sondern auch Produzent. 70 Prozent der Ware sind laut Kepplinger aus eigener Produktion. Polstermöbel und Matratzen kommen aus Oberösterreich, in Kärnten arbeiten 40 Mitarbeiter in der eigenen Tischlerei. „Textilien können wir nicht selbst produzieren, das ist in unserer Größe einfach nicht machbar.“ Auch Porzellan und Keramik wird zugekauft, genauso wie Sessel, die aus Werken in Norditalien und Slowenien kommen.
Banken hätten mit dem relativ komplexen Geschäftsmodell, das sich in keinen Raster pressen lässt, ihre Probleme gehabt. Und damit auch Kepplinger, der nach der Bankenkrise 2008 quasi in Dauermeetings mit den Risikomanagern seiner Kreditgeber war. „Immer mehr Sicherheiten, immer mehr Vorschriften beim Budgetieren. Das hat uns mitten in unserer Expansion auf dem falschen Fuß erwischt.“
Kunden als Geldgeber
Die Lösung hieß Crowdfunding. Also Geld bei potenziellen Kunden einsammeln und es ihnen bestenfalls in Form von Warengutscheinen zurückgeben. Hinter dem Begriff „Crowdfunding“ verbirgt sich für Kepplinger im Grunde eine alte Idee. Schließlich hat die Grüne Erde in ihrer Anfangszeit Matratzen nur gegen Vorauskasse gefertigt. Also das Geld beim Kunden einkassiert, mit dem dann erst die Rohstoffe für seine Bestellung gekauft wurden.
Das Finanzierungsmodell über die Crowd hat funktioniert. 2012 hat das Unternehmen so 10 Millionen Euro eingenommen. „Binnen eines halben Jahres waren wir Banken-unabhängig.“ Jeder zweite Geldgeber hat sich übrigens das Geld in Form von Gutscheinen zurückzahlen lassen, was dem Geschäft nicht geschadet hat. Eine weitere Finanzierungsrunde dieser Art ist aber nicht geplant. Kepplinger: „Erstens stoßen wir an die Grenzen des Alternativfinanzierungsgesetzes und zweitens brauchen wir kein Geld.“
Sitz im Almtal
Das 1983 gegründete Unternehmen mit Sitz in Scharnstein im Almtal (OÖ) hat im abgelaufenen Geschäftsjahr (bis 31. 7. 2021) den Umsatz von 66 auf 76 Mio. gesteigert. Drei Viertel der 545 Mitarbeiter sind Frauen, jede zweite Führungskraft ist weiblich
Klimaziele
Matratzen und Bettwaren werden seit vergangenem Herbst plastikfrei verpackt. Alle Betriebsstätten und Bürogebäude sind auf klimaneutrale Strom- und Energieversorgung umgestellt worden. Bis 2028 will das Unternehmen aus fossilen Brennstoffen aussteigen
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