Pater Johannes Pausch: Zum Kloster gehören mehrere Wirtschaftsbetriebe, die rentabel sein müssen, damit wir unsere spirituellen und religiösen Aufgaben erfüllen können. Aber unser Wachstum muss ökologisch, kreativ, menschlich und spirituell sein. Unbegrenztes Wachstum ist genauso eine Illusion wie die Vorstellung des Stillstands.
Gilt das auch für die Kirche? Aus der Beobachterrolle hat man den Eindruck, sie steht völlig unbeirrt still ...
Ich kritisiere immer, dass die Kirche mit ihrem Marketing nicht sehr kundenorientiert ist.
Wie meinen Sie das?
Wenn ich etwas verkaufen will, muss ich einem potenziellen Kunden vermitteln, was ich zu bieten habe. Ich habe Bedenken, dass wir kundenorientiert arbeiten. Also, ob wir auf die Bedürfnisse der Menschen schauen und ihnen Hilfe vermitteln können. Ich bin mit meinem Kloster und meinen Ansätzen von Kirchenvertretern ja sehr kritisiert worden.
Warum?
Zuerst habe ich nur Klosterliköre gemacht, das haben noch alle akzeptiert. Alkohol hat es schon immer im Kloster gegeben.
Und dann?
Dann habe ich mit Kräuterheilkunde begonnen, da haben sie geschimpft, dass ich jetzt Esoteriker bin und das Kloster zu einem esoterischen Club verkommt.
Was haben Sie entgegnet?
Ganz provokant, dass jede Heilpflanze ein Wort Gottes ist. Die Menschen können mit der Kräuterheilkunde etwas anfangen, weil sie sie praktisch anwenden können. Darum geht es letztlich. Viele, die zu uns ins Kloster kommen, sind anfangs skeptisch. Aber spätestens nach dem zweiten Stamperl Likör tauen sie auf. Auch da helfen also Kräuter (lacht).
Auf der Webseite katholisch.de habe ich gelesen, dass Benediktiner einen schwarzen Habit tragen, weil Schwarz für Einfachheit, Demut und Buße steht. Warum kennt man Sie nur im weißem Kapuzenpulli?
Das ist das typische Geschwafel dieser Seiten. Das Schwarz der Benediktiner stammt aus der spanischen Hoftracht und war nie ein Zeichen für Einfachheit, Demut und Buße. Früher trugen die Benediktiner einen Naturstoff. Ich finde weißen Naturstoff praktisch, weil wir Lebensmittel erzeugen und ein Therapiezentrum haben. Da kann ich nicht als schwarzes Männlein rumlaufen. Wenn ich als Kinderpsychotherapeut so daher komme, hätten die Kinder ja Angst vor mir. Der Heilige Benedikt hat gesagt, die Kleidung soll praktisch und billig sein.
Weihnachten ist das Fest des Schenkens. Kriegen Sie beim kollektiven Kaufrausch die Krise?
Ja, bekomme ich. Obwohl ich kein Konsumverweigerer bin. Aber es macht uns nicht stärker, wenn wir immer mehr haben wollen. Wir müssen unseren Lebensstil verändern, um unsere Lebenskraft zu stärken.
Klingt gut, aber wie soll das gehen?
Das Grundproblem ist, dass viele die Beziehung zu sich und zu den Dingen verloren haben. Wir sind zur Wegwerfgesellschaft geworden, weil wir keine Beziehung mehr zu den Dingen haben. Wir schmeißen alles weg, von den Dingen bis zu Beziehungen. Wir denken nicht dran, dass sie irgendwer produzieren, verkaufen und letztlich entsorgen muss. Letztlich macht uns das krank.
Ein konkretes Beispiel?
Viele Küchenkasteln sind vollgestopft mit Medikamenten, die abgelaufen sind und von denen keiner mehr so genau weiß, wozu sie gut sind. Warum passiert das? Weil man sich von einem Arzt, zu dem man keine Beziehung hat, Medikamente verschreiben lässt, deren Wirkung man nicht versteht. Früher waren die Küchenkastl voller Kräuter und jeder wusste, wozu sie gut sind. Das Küchenkastl ist quasi eine Metapher für verlorene Beziehungen und eine anonyme Zeit. Im Moment ist das Immunsystem geistig, seelisch und gesellschaftlich – entschuldigen Sie bitte die Ausdrucksweise – im Oarsch. Wir fressen uns zu Tode, wir konsumieren uns zu Tode und zerstören so unser Immunsystem.
Womit wir doch noch über Corona reden müssen, fürchte ich ...
Ich bin überzeugt, dass uns das Corona-Virus etwas zeigen will.
Was?
Das wir unseren Lebensstil ändern müssen. Wieder in Beziehung kommen, nicht immer noch mehr konsumieren. Ich habe auch nichts gegen Weihnachtskekse, aber wenn wir zu viel in uns reinstopfen, stärkt das nicht unsere Lebenskraft.
Sie sind erst im vergangenen September als Prior in Pension gegangen. Bekommt man eigentlich auch als Geistlicher etwas so irdisches wie einen Pensionsschock?
Um ehrlich zu sein, ja. Ich hab es mir leichter vorgestellt. So eine Veränderung im Leben passiert nie nur äußerlich, man setzt sich mit der Frage auseinander, was von einem übrig bleiben wird. Ich wohne jetzt jedenfalls nicht mehr im Kloster, suche nach einer neuen Ordnung, einem neuen Lebensstil.
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