Griechenland einmal mehr gerettet

Die Hoffnung lebt, dass mit dem Hilfspaket ein zweiter Schuldenschnitt oder gar eine Pleite Griechenlands vermieden werden kann.
Maßnahmenpaket: Eurostaaten und Währungsfonds vermeiden offiziell Schuldenschnitt.

Im Kampf gegen die europäische Schuldenkrise gibt es gleich zwei gute Nachrichten zu vermelden: Zum einen wies der Europäische Gerichtshof die Einwände eines irischen Abgeordneten gegen den Rettungsschirm ESM ab. Der ESM verletze nicht das Haftungsverbot, wonach ein Staat nicht für die finanziellen Verbindlichkeiten eines anderen geradestehen darf, urteilten die Richter. Und zum anderen konnten sich die Finanzminister der Eurozone mit dem Internationalen Währungsfonds in der Nacht auf Dienstag auf ein neues Hilfspaket für Griechenland einigen. Dieses soll einen zweiten Schuldenschnitt vermeiden. Im Detail sieht das Paket wie folgt aus:

  • Neue Kredite Die Griechen erhalten weitere Gelder in Höhe von 43,7 Milliarden Euro aus dem zweiten Hilfspaket. Davon fließen 34,4 Milliarden noch heuer.
  • Fristenverlängerung Die harten Sparauflagen der Geldgeber sind wegen der darniederliegenden griechischen Wirtschaft bis 2014 nicht zu erfüllen. Athen erhält nun zwei Jahre länger Zeit.
  • Krediterleichterungen Die Zinsen für bereits vergebene Kredite sollen gesenkt oder sogar gänzlich ausgesetzt werden. Kreditlaufzeiten werden teilweise verlängert.
  • Schuldenstand Der Verschuldungsgrad beträgt knapp 190 Prozent der Wirtschaftsleistung Griechenlands. Ursprünglich hätte er bis zum Jahr 2020 auf 120 Prozent reduziert werden sollen. Nun beträgt das Ziel 124 Prozent.
  • Anleihen Um die Schuldenquote zu drücken, soll Athen mit geliehenem Geld eigene Staatsanleihen von privaten Schuldnern zurückkaufen. Dieser Punkt ist der umstrittenste des gesamten Pakets. Denn mehr als 100 Milliarden der 340 Milliarden Euro an griechischen Anleihen besitzen private Gläubiger. Dabei handelt es sich großteils um Hedgefonds. Diese haben sich zu einem früheren Zeitpunkt billig mit den Anleihen eingedeckt und spekulierten darauf, dass Griechenland gerettet werde. Das geschieht nun erneut und die Kurse der Anleihen steigen. Die Hedgefonds verkaufen die Papiere und machen somit Profit auf Kosten der Steuerzahler in der Eurozone. „Der Anleihenrückkauf hätte schon vor zwei Jahren erfolgen müssen, als die Kurse noch tiefer waren“, sagt Stefan Bruckbauer, Chefvolkswirt der Bank Austria.

Konstruktiv

Dennoch beurteilt er das Paket „positiv, weil es ein konstruktives Signal ist“; nicht nur für Griechenland, sondern auch für die Konjunktur und die Stimmung in der Eurozone (siehe auch Bericht zur OECD-Prognose).

Dennoch werde sich an der Situation in Griechenland nichts ändern, solange die Reformen nicht nachhaltig greifen. Mit dem Paket werde aber für die nächsten zwei Jahre Ruhe einkehren.

Auch die Geldgeber zeigten sich naturgemäß überzeugt von ihren Beschlüssen. „Das ist ein Meilenstein“, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn. EZB-Chef Mario Draghi sieht das Vertrauen in Europa und Griechenland gestärkt. „Alles ist gutgegangen“, sagte Griechenlands Ministerpräsident Samaras.

Griechenland einmal mehr gerettet

Finanzministerin Maria Fekter betonte, dass mit der Hilfe ein zweiter Schuldenschnitt (dieses Mal bei den öffentlichen Geldgebern) verhindert werden soll. „Es wäre Amtsmissbrauch, Geld in ein Land zu pumpen, wenn eine solche Maßnahme fix ist.“ Durch die Zinsstundung entgehen Österreich jährlich 15 Millionen Euro.

Erstes Rettungspaket

Das im Mai 2010 aufgelegte Hilfspaket von EU, Internationalem Währungsfonds ( IWF) und aus bilateralen Krediten der Euro-Partner umfasste 110 Mrd. Euro bis 2014. Etwa 53 Mrd. entfallen auf die Euro-Länder selbst, der IWF hat gut 20 Mrd. beigesteuert.

Zweites Rettungspaket

Im Oktober 2011 einigten sich die Euro-Länder und Banken auf eine Entschuldung für Athen. Private Gläubiger mussten mehr als die Hälfte ihrer Kredite abschreiben. Dadurch wurden die Schulden Griechenlands um 100 Mrd. Euro gedrückt. Nachdem der Schuldenschnitt im März 2012 gelang, gaben die Euro-Finanzminister einen Teil des neuen, zweiten 130-Milliarden-Euro-Rettungspaketes frei.

Nun fließen die nächsten 44 Milliarden.

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Am Montagabend bereitete die Kanzlerin in stundenlangen Sitzungen die Bundestagsfraktionen ihrer Koalition auf das scheinbar Unausweichliche vor, am Dienstagvormittag berichtete ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) deren Chefs über das Ergebnis von Brüssel. Die wenigen konkreten Fragen, die die Volksvertreter dabei stellten, wurden maximal unkonkret beantwortet.

So etwa in der Fraktion der CSU, deren Parteichef Horst Seehofer noch vor zwei Monaten an Griechenland „ein Exempel statuieren“ wollte und weitere Konzessionen ausgeschlossen hatte. Nun gibt sich die CSU so zahm wie die FDP und damit zufrieden, dass „alles sehr kompliziert“ sei: Merkel habe nicht sagen wollen, was die Griechenland-Rettung für die Bundeshaushalte 2013 und 2014 bedeute, berichtete CSU-Fraktionschefin Gerda Hasselfeldt, eventuell würde der von der Bundesbank überwiesene Gewinn etwas geringer. Merkel habe „langen Applaus“ der Fraktion bekommen, denn „es gibt keine vernünftige Alternative“. Einen Teilerlass der Schulden, wie ihn die Opposition fordert, schließe die Kanzlerin aus, damit „würde nur der Reformdruck gelockert“ und es gebe auch „rechtliche Hürden“ dafür.

Dass am Donnerstag die Abgeordneten einem „mehrere 100 Seiten starken Konvolut“ zustimmen würden, das sie kaum verstünden, räumte Hasselfeldt ein. Das werden auch die bisher zur Euro-Rettung noch kritischeren Abgeordneten der FDP tun, kündigte deren Fraktionschef Rainer Brüderle an.Auch die Opposition mit Ausnahme der „Linken“ zieht mit: Sozialdemokraten und Grüne kritisieren aber so wie die bisher in der Euro-Krise vergleichsweise träge Hauptstadt-Presse nun noch stärker die Informationspolitik der Kanzlerin: Sie wolle „um jeden Preis“ vor der Bundestagswahl im September die echten Kosten der Griechenland-Rettung verheimlichen, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier: „Das istWählertäuschung“.

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Angela Merkel bremst bei der Bestellung des Kommissionspräsidenten - das war zu erwarten

Mit den jetzigen Beschlüssen wird Griechenland wieder Luft zum Atmen gegeben, sagt Kanzler Werner Faymann. Was der Regierungschef nicht dazu sagt: Mit den jetzigen Beschlüssen für Griechenland wurde allen möglichen „Playern“ Frischluft zum Atmen gegeben. Am wenigsten helfen die Zusagen der Euro-Finanzminister aber der griechischen Bevölkerung. Wobei schon dazugesagt sei, dass das griechische Schlamassel ein hausgemachtes ist.Dennoch: Mehr Zeit haben wieder einmal die sogenannten griechischen Eliten bekommen. Anstatt daheim Steuern zu zahlen und ihr Land neu aufzubauen, stecken sie ihr Fluchtgeld lieber in Londoner, Berliner oder Züricher Nobel-Immobilien. Der Rest liegt schon auf dem Schweizer Nummernkonto.

Außerdem profitieren die Großzocker in den Hedgefonds, die jetzt die Gewissheit eines bombensicheren Geschäftes haben. Ihre griechischen Schrottpapiere kauft ihnen der griechische Staat jetzt mit dem „Hilfs“-Geld aus Rest-Europa ab. Eine feinere Form von Umverteilung von unten nach oben ist kaum vorstellbar. Wozu so ein Finanzministertreffen nicht alles gut sein kann.

Das alles, weil es politisch klug ist? In Deutschland hofft Kanzlerin Angela Merkel auf ihre Wiederwahl 2013. Daher kann es aus ihrer Sicht jetzt noch keine nachhaltige, also teure Lösung für Athen geben. Denn das hieße Schuldenerlass und das ist den deutschen (und österreichischen) Wählern angeblich nicht mehr zuzumuten. Merkel will um buchstäblich jeden Preis verhindern, dass den Wählern reiner Wein eingeschenkt wird.

Daher wird jetzt dieser Schuldenschnitt auf Raten inszeniert. An der griechischen Misere ändert sich nichts. Der Tag der Wahrheit kommt. Aber später.

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Ein Drama mit unwürdigem Ende

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