Bedrohte Oase im Krisen-Athen
Im Traditionstheater „Embros“ in Athen rechnet man mit dem Schlimmsten. Vergangenen Winter hat die Künstlerinitiative „Mavili“ das leer stehende Theater besetzt, wiederbelebt und damit einen lebendigen Ort des kulturellen Austausches geschaffen, eine Oase im Krisen-Athen. Am Dienstag droht die Zwangsräumung. Griechenland muss privatisieren – eine der betroffenen Immobilien ist das ehemals staatliche Theater Embros.
Vassilis Noulas sitzt an einem langen Refektoriumstisch – um diesen Tisch herum haben im vergangenen Jahr unzählige Diskussionen und Workshops stattgefunden. Heute ist das Theater leer, die vergangenen Vorstellungen könnten die letzten sein, befürchtet der Regisseur. In zwei Briefen der Privatisierungsbehörde werden die Künstler aufgefordert, das Theater freizugeben, andernfalls drohe die Zwangsräumung. Das Kollektiv versuchte den Kulturort mit einer Petition zu retten. Bisher haben 1300 Künstler, Intellektuelle und Unterstützer aus dem In- und Ausland unterschrieben.
Projekt Hoffnung
Der 37-jährige Noulas ist nachdenklich. Die Reaktivierung des Embros-Theaters war ein Experiment, das dem Künstlerkollektiv am Herzen lag. „In Athen fehlt ein Ort für interdisziplinäre Kunstprojekte, aber auch ein Ort, an dem Kunsttheorie und Praxis zusammenfinden können“, sinniert Noulas. „Wichtig war aber auch, dass wir aus diesem Projekt neue Hoffnung bezogen haben. Zuvor haben wir alle isoliert voneinander gearbeitet. Hier ist ein kreatives, soziales Netzwerk entstanden.“
Die Besetzung des Theaters war zunächst nur als vorübergehende Aktion geplant. Doch die Vorstellungen fanden so großen Anklang beim Publikum, dass die Künstler weitermachten. Jetzt, im Winter, sitzen die Zuschauer in Mänteln im eiskalten Zuschauerraum, aber sie kamen immer, wenn das Kollektiv Mavili einlud.
Das Embros-Theater war vor allem eines: Ein Laboratorium für neue Ideen, eine Zone für freies Denken, ein Ort, an dem künstlerische und gesellschaftliche Perspektiven gesucht und diskutiert wurden, sagt ein weiteres Mitglied des Kollektivs, Gigi Argyropoulou: „Es war auch der Versuch, diesem Gefühl des Verfalls und des Untergangs etwas entgegenzusetzen. Zu sagen: Doch, wir können etwas tun. Wir haben viele Theater, aber wir haben keine Orte, wo ein Dialog und wo Experimente stattfinden können, wo Geld keine Rolle spielt, und der Kreativität keine Grenzen gesetzt sind.“
Arme Kultur
Die Kultur in Griechenland leidet besonders unter der Finanzkrise. 573 Millionen Euro, so viel – oder so wenig – hat das griechische Kulturministerium heuer in der Kassa. Das sind 74 Millionen weniger als 2011, als auch schon gespart wurde. Anders gesagt: Es sind weniger als 0,3 Prozent des Brutto-Inlandsprodukts. Selbst etablierte Kultureinrichtungen spüren das. Sie sind oft ausschließlich auf private Sponsoren angewiesen, die meist selbst in Geldnöten sind.
Für die Theater ist es besonders schwierig. Seit 2009 werden keine staatlichen Subventionen mehr ausbezahlt. Regisseur Vassilis Noulas hatte die Zusage, für eine seiner Produktionen 30.000 Euro aus dem staatlichen Subventionstopf zu erhalten, doch bisher hat er keinen Cent gesehen.
„Das Problem für uns Künstler ist, dass uns dieser Geldmangel zu Amateuren degradiert. Die meisten Schauspieler kellnern inzwischen zum Überleben. Sie machen trotzdem mit. Aber wie sollen sie nach einem Tag hinterm Tresen die Energie eines Profis aufbringen?“
Trotzdem sind in den vergangenen zwölf Monaten wichtige Dinge im Embros-Theater passiert. Manch einer, wie etwa Vassilis Noulas selbst, hat durch die Diskussionen hier die Kraft des Politischen wieder entdeckt. Natürlich könnten sie es anderswohin verlegen, wenn sie die Energie dazu fänden, sich
wieder aufzurappeln, sinniert der Regisseur. Doch immer öfter überlege er, nach Paris zurückzukehren, wo er studiert hat. „Je mehr sich die Krise vertieft, schiele auch ich ins Ausland. Es ist einfach aussichtslos.“
Bild: Georgios Makkas/www.gmakkas.com
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