Athen erhält zwei Jahre Schonfrist

Aufschub: Zwei zusätzliche Jahre Zeit für Reformen bringen Mehrkosten von 32 Milliarden Euro.

Die gute Nachricht für Griechenland: Die Euroländer werden weiter helfen. „Man wird die Griechen nicht fallen lassen“, hieß es am Montag in Diplomatenkreisen. Die schlechte Nachricht: Es dauert noch, bis die nächste Tranche an Hilfsgeldern in Höhe von 31,5 Milliarden Euro (komplett) ausgezahlt wird. Das Geld wird kommen, aber argotera – Griechisch für später.

Beim Treffen der Euro-Finanzminister Montagabend in Brüssel gab es eine Grundsatzeinigung – das endgültige OK für die nächste Hilfstranche soll bei einer Sondersitzung der Eurogruppe kommenden Mittwoch fixiert werden.  Im Gespräch war auch, nicht die ganze Tranche auf einmal freizugeben.Weil die Griechen noch diese Woche fünf Milliarden brauchen, in einigen Ländern (u.a. Deutschland) aber ohnehin auch die Parlamente der nächsten  Tranche zustimmen müssen, dürfte wieder einmal die Europäische Zentralbank zur Überbrückung einspringen. Im August stand man unter ähnlichem Zeitdruck, auch damals eilte die EZB zur Hilfe.

Troika-Bericht positiv

Die Geldgeber machten weitere Zahlungen immer davon abhängig, wie der Bericht der „Troika“ aus Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und EU-Kommission ausfällt. Dieser liegt nun seit  Montag endlich vor.

Laut Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker ist er „im Grundton positiv, weil die Griechen geliefert haben“. Sie  haben, so hört man, vor allem bei den Budgets für 2013/’14 viel weitergebracht.  Andererseits sollen sie in Summe erst 80 Prozent der wichtigsten Sparauflagen erfüllt haben. Für den 20. November hat er dazu eine weitere Sondersitzung der Eurogruppe angekündigt.

Wie man die Griechen langfristig davor bewahrt, von der Schuldenlast erdrückt zu werden, wurde am Montag erneut heftig debattiert. Der unheilvolle Mix aus tiefer Rezession und verzögertem Reformkurs führt dazu, dass die Staatsverschuldung demnächst 190 Prozent der Wirtschaftsleistung erreichen wird. 2020 sollen es laut Troika trotz aller Reformen noch immer 144 Prozent sein. Eine (zu) schwere Last. Doch ein Schuldenschnitt, bei dem die Euro-Staaten auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten,  scheint aktuell politisch nicht durchsetzbar.

„Kreative“ Rettung

Die internationalen Geldgeber verständigten sich am Montag aber darauf, dass die Griechen zwei Jahre mehr Zeit bekommen sollen (bis 2016), um Reformen und Sparziele zu erreichen. Das bedeutet allerdings auch Mehrkosten – laut Troika-Bericht geht es um knapp 33 Milliarden Euro bis 2016.„Mehr Zeit heißt auch mehr Geld – und da ist die Frage, wo das herkommen soll“, sagte Finanzministerin Maria  Fekter. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir wieder zu den Steuerzahlern gehen und im Parlament neue Hilfspakete für die Griechen beschließen.“ Fekter plädiert für „kreative“ Herangehensweisen, etwa durch Umschichtungen oder die Streckung von Zahlungszielen. Auch könnte die EZB Gewinne, die sie mit griechischen Staatsanleihen gemacht hat, an nationale Notenbanken weitergeben, die sie an die Eurostaaten auszahlen.

Demos

Gegen das jüngste Milliarden-Sparpaket und den Staatshaushalt 2013 hatten am Sonntagabend rund 10.000 Menschen vor dem Parlament in Athen demonstriert (siehe Bilder unten). Zu größeren Zwischenfällen kam es nicht. Die Polizei war aus Furcht vor Ausschreitungen mit starken Einheiten präsent.

Tsipras gegen Merkel

Alexis Tsipras ritt während der Budgetdebatte harte Attacken gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die deutsche Kanzlerin wolle ein Europa nach ihren Vorstellungen und Griechenland in eine Art Kolonie verwandeln, sagte der Vorsitzende des oppositionellen Linksbündnisses (Syriza) in der Debatte. Ministerpräsident Samaras sei ein "braver Schüler dieser Politik".

Der griechische Regierungschef zeigte sich dagegen zuversichtlich, das Land gegen alle Widerstände aus der Krise zu führen. "Die Lobby der Drachme wird verlieren", sagte er. Damit meinte Samaras Spekulanten, aber auch die Opposition im eigenen Land, die seiner Ansicht nach auf einen Zusammenbruch Griechenlands setzen, um Vorteile daraus zu ziehen. Mit der Billigung des Haushalts mache Griechenland einen "großen Schritt" in Richtung auf eine Konsolidierung seiner Finanzen.

"Die Lobby der Drachme wird verlieren." - A. Samaras

Im Etat für 2013 wird davon ausgegangen, dass die griechische Wirtschaft im kommenden Jahr um 4,5 Prozent schrumpft - nach 6,5 Prozent in diesem Jahr. Das Haushaltsdefizit soll auf 5,2 Prozent fallen nach 6,6 Prozent 2012, die Staatsschulden von 340 auf 346,2 Milliarden Euro steigen. Die geplanten Einnahmen liegen mit 46,7 Milliarden Euro wegen des Schrumpfens der Wirtschaft niedriger als in diesem Jahr (49,4 Milliarden). Die Ausgaben sollen von 61,8 auf 55,8 Milliarden verringert werden. Die Arbeitslosigkeit soll 2013 durchschnittlich 22,8 Prozent betragen, die Inflation im Jahresdurchschnitt 1,1 Prozent.

http://infogr.am/1352714871-236617 550 668 no {"frameborder":"0","style":"border:none;"} Entwicklung des BIP | Create infographics

Erstes Rettungspaket

Das im Mai 2010 aufgelegte Hilfspaket von EU, Internationalem Währungsfonds (IWF) und aus bilateralen Krediten der Euro-Partner umfasste 110 Mrd. Euro bis 2014. Etwa 53 Mrd. entfallen auf die Euro-Länder selbst, der IWF hat gut 20 Mrd. beigesteuert.

Zweites Rettungspaket

Im Oktober 2011 einigten sich die Euro-Länder und Banken auf eine Entschuldung für Athen. Private Gläubiger mussten mehr als die Hälfte ihrer Kredite abschreiben. Dadurch wurden die Schulden Griechenlands um 100 Mrd. Euro gedrückt. Nachdem der Schuldenschnitt im März 2012 gelang, gaben die Euro-Finanzminister einen Teil des neuen, zweiten 130-Milliarden-Euro-Rettungspaketes frei.Ziel ist es, die Staatsverschuldung bis 2020 auf rund 120 Prozent der Wirtschaftsleistung zu senken. Das gilt aber angesichts der stark schrumpfenden Wirtschaft inzwischen als unwahrscheinlich. Griechenland verpflichtete sich in einer Absichtserklärung ("Memorandum of Understanding") zu erheblichen Einschnitten und Reformen.

https://infogr.am/1352717085-072717 550 681 no {"frameborder":"0","style":"border:none;"} BIP pro Kopf 2008 - 2011 | Infographic
Athen erhält zwei Jahre Schonfrist

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Seit Donnerstag voriger Woche (08.11.) steht das griechische Sparprogramm – es fand Mittwochabend eine hauchdünne Mehrheit im Parlament. Das Budget soll durch den Sparkurs bis Ende 2014 um 13,5 Milliarden Euro entlastet werden. Bis 2016 sollen dann weitere 3,4 Milliarden Euro eingespart werden. Hier eine Übersicht über die wichtigsten Maßnahmen:

  • Pensionisten müssen mit Kürzungen in Höhe von fast 4,8 Milliarden Euro rechnen. Alle Pensionen über 1.000 Euro werden um fünf bis 15 Prozent gesenkt. Abgeschafft wird das Weihnachtsgeld; es war bereits von einer Monatspension auf 400 Euro gekürzt worden. Die Gewerkschaften rechneten aus, dass damit die Pensionisten im Durchschnitt 2.000 Euro im Jahr verlieren werden.

 

  • Das Pensionsalter wird für alle von 65 Jahre auf 67 Jahre angehoben.

 

  • Auch den Staatsbediensteten werden die von Weihnachts- und Urlaubsgeld verbliebenen 400 Euro gestrichen. Viele Löhne und Gehälter sollen um sechs bis 20 Prozent verringert werden. Bis Ende 2012 sollen 2.000 Staatsbedienstete in die Frühpensionierung gehen oder entlassen werden. Bis zum Erreichen des Pensionsalters erhalten sie dann 60 Prozent ihres letzten Gehalts. (Beispiele für griechische Gehälter: Der Generalstabschef verdient noch 1.873 Euro netto pro Monat, der Chef des höchsten Gerichtshofes - vergleichbar mit dem Obersten Gerichtshof - fällt von 4.134 auf 3.023 Euro, ein Botschafter von 2.234 auf 1.899 Euro netto.)

 

  • Abfindungen für entlassene Arbeitnehmer werden drastisch gesenkt. Arbeitgeber dürfen Verträge mit jedem einzelnen Arbeitnehmer schließen. Damit werden Tarifverhandlungen praktisch umgangen.

 

  • Im Gesundheitswesen sollen 1,5 Milliarden Euro eingespart werden. Unter anderem sollen sich die Versicherten mit höheren Eigenbeiträgen beim Kauf von Medikamenten beteiligen. Zahlreiche Krankenhäuser sollen schließen. Andere zusammengelegt werden.

 

  • Die Gehälter der Angestellten öffentlich-rechtlicher Betriebe wie beispielsweise der Elektrizitätsgesellschaft DEI sollen denen der Staatsbediensteten angeglichen werden. Dies bedeutet für die Betroffenen nach Berechnungen der Gewerkschaften bis zu 30 Prozent weniger Geld.

 

  • Familien, die mehr als 18.000 Euro im Jahr verdienen, haben keinen Anspruch mehr auf Kindergeld.

 

  • Weitere Details des Sparprogramms sollen mittels Gesetzen geregelt werden, die in den kommenden Monaten verabschiedet werden sollen.
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