Gewalt im Zug: Übergriffe durch Fahrgäste immer brutaler

Gewalt im Zug: Übergriffe durch Fahrgäste immer brutaler
ÖBB-Betriebsratschef und vida-Chef Roman Hebenstreit fordert, dass Angriffe auf Lenker und Kontrollorgane des öffentlichen Verkehrs künftig als schwere Körperverletzung geahndet werden.

Wüste Beschimpfungen, schwere Drohungen und tätliche Angriffe – die Bediensteten des öffentlichen Verkehrs (Bahn, Busse) leben offensichtlich gefährlich. „Die Übergriffe nehmen zu. Ich habe am Montag einen Rundruf in allen Eisenbahnbetrieben machen lassen. Unisono sagen die Kollegen, dass die Übergriffe steigen und brutaler werden“, sagt Roman Hebenstreit, ÖBB-Betriebsratschef und Vorsitzender der Gewerkschaft vida. „Das beginnt mit einem Auf-den-Arsch-Hauen, geht über Anspucken bis hin zu einer Watsche.“

Vor allem bei den Nachtzügen soll es bedrohlich zugehen. „Dort sagen die Kollegen, dass es an der Tagesordnung ist, dass sie bedroht und beschimpft werden, oder dass man ihnen ein Messer hinhält“, erzählt Hebenstreit. „Diese Dinge kommen mit steigender Tendenz seit 2019 vor.“ Die Vorfälle würden aber nicht österreichweit erfasst, weil keine Aufzeichnungspflicht besteht. Nur die ÖBB führen eine genaue Statistik. Die Übergriffe erfolgen in der Regel, wenn eher wenig Leute an Bord sind.

„Der Klassiker ist der Nachtbus, wo der Lenker mit zwei Betrunkenen unterwegs ist oder im letzten Nahverkehrszug, wo die angesoffenen Discogeher meinen, sie müssen gegenüber dem Zugbegleiter ’lustig‘ sein“, schildert der vida-Chef. Das Problem sei, dass es einen Mangel an geschulten Eisenbahnaufsichtsorganen gibt, dazu zählen u. a. Zugbegleiter.

Die Tendenz zu weniger Personal im öffentlichen Verkehrsraum führe automatisch zu Übergriffen. Der Gewerkschafter fordert daher, dass die öffentliche Hand wieder für mehr Personal in Bahn und Bus sorgt. Ob ein Zug mit einem Zugbegleiter fährt oder nicht, bestimmt der Verkehrsverbund des jeweiligen Bundeslandes, und nicht das Eisenbahnunternehmen.

Körperverletzung

Gewalt im Zug: Übergriffe durch Fahrgäste immer brutaler

Bahngewerkschafter Roman Hebenstreit (vida)

„Wenn zwei Zugbegleiter in einem Zug auftreten, ist die Wahrscheinlichkeit von Übergriffen geringer“, erklärt Hebenstreit. „Eine unserer Forderungen ist, dass jeder Übergriff auf Verkehrspersonal automatisch als schwere Körperverletzung gilt.“ Analog zur Polizei. Seit fünf Jahren gelten Übergriffe auf Lenker und Kontrollorgane des öffentlichen Verkehrs als Offizialdelikt. Die Strafdrohung beträgt bis zu zwei Jahre Haft. Das schrecke Täter anscheinend nicht ab.

„Unsere zentrale Forderung ist, dass wir dringend einen Gipfel von Verkehrsministerium, Justizministerium und Innenministerium brauchen“, sagt der vida-Chef. „Es kann nicht sein, dass es Jobs gibt, bei denen man um Leib und Leben fürchten muss.“

Als Folge nehme die Fluktuation zu, weil das Personal entnervt das Handtuch wirft. Vor allem Nachtbusfahrer seien darunter. Eines der größeren Probleme war aber die bundesweite Kontrolle der Maskenpflicht, die jetzt nur noch in Wien gilt. „Die Regierung hat Regeln gemacht, aber es kann nicht sein, dass man die Kontrollen auf das Personal im öffentlichen Verkehr abwälzt“, sagt Hebenstreit. „Seit das passiert, bekommen unsere Leute eine in die Fresse.“

Wiener Linien

Vor vier Jahren wurde etwa jeder neunte der rund 1.200 ÖBB-Zugbegleiter Opfer von Übergriffen durch Fahrgäste, schon damals mit steigender Tendenz. Auch bei den Wiener Linien sorgen vor allem Maskenverweigerer für Konfliktpotenzial. „Die aggressive Stimmung einzelner Fahrgäste bekommen unsere Mitarbeiter leider stark zu spüren. 2022 gab es bereits über 20 Vorfälle“, sagt eine Sprecherin. 154 Übergriffe auf Wiener Linien-Mitarbeiter wurden 2021 registriert. Rund ein Drittel der Übergriffe können auf das Maskenthema zurückgeführt werden. 2020 waren es 172 Übergriffe, davon ein Viertel der Übergriffe wegen der Maske. Betont wird: „Die Wiener Linien zeigen null Toleranz und bringen jeden Fall zur Anzeige.“

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