Geld für alle – Lösung oder Träumerei?
Corona hat Hunderttausende Menschen den Job gekostet, viele in prekäre Arbeitsverhältnisse katapultiert und letztlich gezeigt, dass Arbeitslosigkeit jeden treffen kann. Das sorgt in allen Bevölkerungsschichten für schlaflose Nächte und bereitet den Nährboden für eine alte Debatte: Jene um das bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Die Grundidee köchelt seit dem 16. Jahrhundert immer wieder auf, wenn die Zeiten schlecht sind. Dennoch hat sich das Modell nie durchgesetzt.
Barbara Prainsack, Professorin am Institut für Politikwissenschaft an der Uni Wien, hat rund um den Globus Argumente für und gegen das BGE gesammelt und in ihrem nun erscheinenden Buch zusammengefasst. Sie hält es für realistisch, dass in Europa binnen zehn Jahren die ersten Länder Versuche in diese Richtung starten.
„Spanien könnte eine Vorreiterrolle übernehmen“, sagt sie im KURIER-Gespräch. Schließlich müssten sich die Politiker dort auch radikale Wege aus der Massenarbeitslosigkeit überlegen. Gleichzeitig würden nordische Länder der Idee prinzipiell offener gegenüberstehen. Nicht nur weil immer mehr davon ausgehen, dass Menschen trotzdem arbeiten würden. Auch, weil das ein Ausweg aus dem Förder- und Bürokratie-Dschungel wäre. Dieser Meinung sind nicht alle. In konservativen Kreisen herrscht die Meinung vor, dass der Mensch von Natur aus faul ist und sich gern in die soziale Hängematte legt, so Prainsack. Die wichtigsten Fragen zu diesem brisanten Thema.
Zur Größenordnung: Wer geht heute einer Erwerbsarbeit nach?
In Österreich ging 2019 nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung einer Erwerbsarbeit nach. Das liegt nicht nur daran, dass viele zu jung oder zu alt zum Arbeiten sind. Viele arbeiten unbezahlt Zuhause, pflegen zum Beispiel Angehörige. Diese Menschen würden von der Grundsicherung profitieren, da ihre Arbeit einen monetären Wert bekommen würde. Experten gehen übrigens davon aus, dass der Anteil der Erwerbstätigen bis 2030 weiter sinken wird. Wegen der demografischen Entwicklung, Automatisierung und Digitalisierung. Prainsack: „Erwerbsarbeit außer Haus wird in Zukunft nicht das einzige Modell sein.“
Wer würde trotz BGE weiter arbeiten?
Als vor gut zehn Jahren debattiert wurde, ob alle 500 Euro monatlich bekommen sollten, sagte die damalige italienische Arbeitsministerin Elsa Fornero: „Wenn das passiert, werden die Menschen in Italien nur noch in der Sonne liegen und Pasta essen.“ Ob sie sich damit auch selbst gemeint hat, bezweifelt Prainsack. Schließlich wird sie mit 500 Euro ihren Lebensstil nicht aufrecht erhalten können. Dazu kommt, dass viele ihren Job gern machen. Nicht nur wegen des Geldes. Auch weil er mit Erfolgserlebnissen, Kontakten, Anerkennung, Prestige verbunden ist, den Betroffene keinesfalls aufgeben wollen.
Und wer macht dann noch freiwillig einen schlecht bezahlten, unattraktiven Job?
Das ist ein Argument der Gegner – und auch der Befürworter. Letztere argumentieren, dass sich die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer aufgrund des Grundeinkommens verbessern würde, die Löhne also steigen müssten.
Gibt es überhaupt ein Land mit BGE?
Bisher gab es nur Testläufe, etwa in Finnland mit 2.000 Arbeitslosen, die 560 Euro im Monat erhalten haben. Die Initiatoren interessierten ich vor allem für die Frage, ob Grundeinkommensbezieher leichter in den Arbeitsmarkt zurückfinden als andere Arbeitslose, weil sie so viel dazuverdienen durften, wie sie wollten. Nach zwei Jahren war das Ergebnis nicht eindeutig. Die BGE-Gruppe hatte nicht häufiger eine Arbeit gefunden als die Kontrollgruppe, war aber zufriedener als diese. Das Projekt wurde als gescheitert erklärt. Zu Unrecht, findet Prainsack. Sie meint, die Testphase sei zu kurz gewesen, auch mit Blick auf die Auswirkungen auf das Gesundheitswesen. Sinkt die Zahl der Burnouts und Depressionen, sinken die Kosten des Gesundheitssystem.
Wer soll das bezahlen?
Prainsacks „Idealmodell“ ist ein BGE von etwa 1.200 Euro monatlich pro Person. Im Gegenzug fallen manche Unterstützungen, wie Arbeitslosengeld oder Wohnbeihilfe, weg. Finanziert werden soll das Ganze primär über Vermögens-, Kapitalertrags- und Erbschaftssteuern, „weil es nur fair ist, dass jene, die faktisch schon ein Grundeinkommen haben, auch zur Absicherung der anderen beitragen“. Dass damit Wohlhabende ihr Geld schleunigst ins Ausland retten werden, sieht Prainsack zwar als Gefahr, aber: „Davon dürfen wir uns nicht in Geiselhaft nehmen lassen. Und für Unternehmer würde das heutzutage mit einem Reputationsschaden verbunden sein.“ Ein großer Teil der Staatseinnahmen kommt in diesem Modell weiterhin über Einkommenssteuern, weil mit dem Grundeinkommen die Erwerbsarbeit ja nicht aufhört. Gleichzeitig würden aus ihrer Sicht andere Staatsausgaben sinken, durch den Wegfall mancher Abgaben wie auch Bürokratieabbau und den Wegfall von Doppelgleisigkeiten (Förderungen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene). In jedem Fall müsste die BGE-Einführung schrittweise erfolgen. „Man kann nicht von heut auf morgen 1.200 Euro über alle darüberbröseln.“
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