Gaspreis steigt mitten im Winter auf Rekordhoch
Der Gaspreis kennt derzeit nur eine Richtung und ein Ende des Anstiegs ist derzeit nicht absehbar.
Gas-Futures für Januar notieren am für die Preisbildung entscheidenden niederländischen Spotmarkt bei 175 Euro pro Megawattstunde. Damit liegen die Großhandelspreise etwa acht Mal so hoch wie zu Jahresbeginn.
Der Preis war im Oktober schon einmal auf 161,50 Euro pro Megawattstunde gestiegen. Danach ist er wieder gesunken, weil der staatliche russische Energieriese Gazprom seine Lieferungen nach Europa erhöhte. Das zeichnet sich aber kein zweites Mal ab.
In Moskau wird vielmehr diskutiert, Gaslieferungen nach Europa zu stoppen, falls hier wegen der Ukraine-Spannungen beschlossen wird, die umstrittene russische Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 nicht in Betrieb zu nehmen. Für den Betrieb der heuer fertiggestellten Pipeline von Russland nach Deutschland steht weiterhin die Genehmigung der deutschen Bundesnetzagentur aus. Die Entscheidung ist nicht in der ersten Jahreshälfte zu erwarten, Russland drängt aber bereits seit Monaten darauf, Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen.
Am Dienstag sorgte die Nachricht für Aufsehen, dass Gazprom die Lieferung nach Deutschland durch die Pipeline "Jamal" (siehe Karte) eingestellt hat. Der Kreml bestritt einen Zusammenhang mit Nord Stream 2. Es handle sich um eine wirtschaftliche Entscheidung, es würden weiterhin alle Lieferverpflichtungen mit EU-Staaten erfüllt. Der Gasnetzbetreibers Gascade mit Sitz in Kassel erklärte, dass Gas von Deutschland Richtung Polen fließe, sei nichts Außergewöhnliches. Polen bestätigte zudem, Gas angefordert zu haben.
Kritiker sehen in der Nord Stream 2 vor allem ein geopolitisches Projekt Moskaus. Es gehe dem Kreml darum, Europa von Energielieferungen abhängig zu machen.
Befürworter verweisen hingegen darauf, dass russisches Erdgas Europa deutlich billiger kommt als in Schiffen importiertes Flüssiggas, etwa aus Amerika. Wie der ORF berichtet, führen die hohen Gaspreise derzeit dazu, dass Flüssiggastanker, die bereits auf dem Weg nach Asien waren, nach Europa umgeleitet werden. Das Verhältnis hat sich seit dem Sommer gedreht: Damals sorgten die höheren Preise in Asien dafür, dass die Schiffe nicht nach Europa kamen.
Im Schnitt werden etwa 15 bis 20 Prozent des europäischen Verbrauchs als Flüssiggas (LNG) importiert. Eigene Produktionen decken etwa weitere 18 Prozent ab. Der größte Teil wird hingegen durch Pipelines importiert, der mit Abstand größte Lieferant ist Gazprom.
Wie das deutsche Handelsblatt berichtet, ist in den nächsten Wochen keine Entspannung auf den Gasmärkten zu erwarten: Gazprom werde nach jetzigem Stand die Lieferungen nach Europa nicht erhöhen, um die Rekordpreise durch höheres Angebot zu senken. Der Konzern hat im Laufe des Jahres mehrfach erklärt, die vertraglichen Lieferverpflichtungen nach Europa zu erfüllen, zusätzliche Kapazitäten müsse man aber nicht bereitstellen. Auf welchem Weg das Gas nach Europa kommt und wie hoch die Speicherstände des Gazprom-Konzerns in Europa sind, können sich die Abnehmer nicht aussuchen.
Ukraine-Konflikt
„Die Schlussfolgerungen liegen auf der Hand: Die Erpressung Europas geht weiter, um Nord Stream 2 so schnell wie möglich zu zertifizieren“, sagte der Chef des ukrainischen Pipelinebetreibers, Serhiy Makohon. Die Ukraine ist ein wichtiges Transitland für russisches Gas. Dafür zahlt Gazprom Gebühren, die bei einer direkten Lieferung nach Deutschland nicht anfallen würden. Wenn Nord Stream 2 in Betrieb geht und weniger Gas durch die Ukraine nach Europa fließt, entfallen der Ukraine also Einnahmen. Dazu kommt die strategische Machtposition im Konflikt um einen kolportierten drohenden Einmarsch russischer Streitkräfte.
Die neue deutsche Regierung ist sich in der Frage der Pipeline uneins: SPD-Chef Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte kürzlich, es handle sich um keine politische Entscheidung, sein grüner Vize sieht das aber anders. Für ihn steht das Projekt im Falle einer militärische Aggression Russlands in der Ukraine zur Disposition. "Da kann es keine Denkverbote geben", so Robert Habeck.
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